Azad Garibov ist seit 2020 als Kommunikationsberater im WHO-Länderbüro in Aserbaidschan tätig. Er kümmert sich um sämtliche Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit mit Bezug zu den gemeinsamen Bemühungen der Europäischen Union und des WHO-Regionalbüros für Europa im Kampf gegen COVID 19 im Rahmen der Initiative „Solidarität im Dienst der Gesundheit“ und der Maßnahmen zur Unterstützung der Bereitstellung von COVID-19-Impfstoffen und entsprechenden Impfmaßnahmen. Dies umfasst u. a. die Organisation von Kampagnen zur Schärfung des öffentlichen Bewusstseins und von Veranstaltungen zur Verbesserung der Sichtbarkeit, die Produktion von Presseberichten und audiovisuellen Inhalten sowie die Bearbeitung von nationalen Medienanfragen. In diesem Interview spricht er darüber, wie er seine Arbeit, eine fast abgeschlossene Promotion und sein Familienleben unter einen Hut bringt, und teilt mit uns seine besten Tipps und Tricks für Leben und Gesundheit.
Nicht jeder würde versuchen, inmitten einer weltweiten Krise einen neuen Job bei einer Organisation anzutreten. Was hat Sie an einer Tätigkeit bei der WHO gereizt?
Von Beginn der Pandemie an hat sie mich viel beschäftigt. COVID-19 hat sich auf das Leben aller Menschen ausgewirkt – auf meins, das meiner Familie und das meiner Freunde. Bevor ich mich beurlauben ließ, um meinen Doktor in Politikwissenschaften zu etablierten und elitären Beziehungen an der Mitteleuropäischen Universität zu machen, arbeitete ich bei der aserbaidschanischen Regierung und war als Redakteur einer semi-wissenschaftlichen Fachzeitschrift tätig. Als sich mir die Gelegenheit bot, das Team der WHO in Aserbaidschan im Rahmen der Maßnahmen im Kampf gegen COVID-19 zu unterstützen, dachte ich mir, dass es die richtige Zeit sei, und ich wollte meinen Beitrag leisten. Da ich mit meiner Promotion fast fertig war, war ich der Ansicht, dass ich sie recht leicht nebenher abschließen könne. Im Nachhinein bin ich nicht sicher, dass es eine so gute Idee war zu versuchen, die Promotion abzuschließen, und gleichzeitig während der anhaltenden Reaktion auf die Pandemie Vollzeit bei der WHO zu arbeiten. (Er lacht) Meine größte Motivation, bei der WHO anzufangen, lässt sich mit einem Wort beschreiben: Handeln. Warum sollte ich während des Lockdowns zu Hause herumsitzen und über die Pandemie nachdenken und nachlesen, wenn es die Chance gibt, sich an der Reaktion zu beteiligen und die Pandemie zu bekämpfen, statt sie passiv auszusitzen? Ich habe das Stellenangebot gesehen, das Interview erfolgreich absolviert, mich dem Team angeschlossen und es nicht eine Sekunde lang bereut.
Und was ist mit Ihrer Promotion?
Die musste natürlich zurückgestellt werden. Aber jetzt, wo sich die COVID-19-Situation ein wenig beruhigt hat, bin ich recht zuversichtlich und versuche eine neue Strategie. Ich stehe jeden Morgen um sechs Uhr auf, arbeite ein paar Stunden lang an meiner Doktorarbeit, dann bringe ich meinen Sohn in den Kindergarten und mache mich auf den Weg ins Büro. Ich hoffe, dass es funktioniert. Bisher klappt das nicht so wirklich, aber ich bin Optimist.
Erzählen Sie uns eine optimistische Anekdote über Ihre Arbeit.
Oh, da hab ich eine sehr gute: Im Rahmen der Bereitstellung von medizinischen Hilfsgütern und Ausrüstung zur Bekämpfung von COVID-19 durch die EU und die WHO wurden auch Patientenmonitore geliefert. Einige Modelle waren für die Krankenhäuser, denen sie zur Verfügung gestellt wurden, ganz neu und das Personal wusste nicht , wie man sie nutzt. Die Techniker arbeiteten rund um die Uhr, um die Ausrüstung zu installieren, doch sie konnten nicht überall zur gleichen Zeit sein. Eines Tages besuchte ich ein Krankenhaus mit einem Kameramann, um ein Video darüber zu filmen, wie die neue Ausrüstung für die Versorgung von COVID-19-Patienten genutzt wird. Als ich dort war, fragten mich die Ärzte, ob ich helfen könnte, die Patientenmonitore zu installieren, da sie sie so schnell wie möglich nutzen wollten. Sie erklärten, dass sie sie angeschlossen hätten und in der Lage waren, alles andere soweit einzurichten, doch die Monitore verlangten permanent nach einer PIN. Wir erklärten ihnen, dass wir selbst über keinerlei fachliches Wissen verfügten, wie Patientenmonitore funktionieren, aber sie beharrten darauf, dass wir es versuchen sollten. Wir baten sie also um die Gebrauchsanweisung, in der Hoffnung, dass diese die PIN enthalten würde. Die Gebrauchsanweisung stellte sich als ein ziemlicher Schinken heraus – unmöglich sie komplett durchzulesen. Dann kam mir plötzlich ein Gedanke: Was ist das übliche vierstellige Standard-Passwort? Auf einem Telefon ist es doch normalerweise immer entweder viermal die Null oder 1234, nicht wahr? Ich versuchte es also willkürlich mit vier Nullen – und voilà: Die Maschine funktionierte! Dann machten wir das Gleiche mit all den anderen neu gelieferten Monitoren im Krankenhaus. Das Krankenhauspersonal war überglücklich!
Was für eine tolle Geschichte über die Macht des positiven Denkens. Welches ist Ihr heißester Gesundheitstipp?
Mein bester Gesundheitstipp geht in eine ähnliche Richtung. Für mich hat das Leben letztendlich einen einzigen Zweck: Man sollte danach streben, glücklich zu sein. Was man im Laufe seines Lebens ansammelt sind Erinnerungen, und diese – nicht dein Wohlstand – sind das Wichtigste, das man haben kann. An einige Jahre erinnert man sich sehr lebhaft, richtig? Man kann mit seinen Freunden über das eine Jahr sprechen, in Erinnerungen schwelgen und sich an alles erinnern, was passiert ist. Doch andere Jahre sind wie weggeblasen. Wenn man sich an nichts, was in einem bestimmten Monat oder Jahr passiert ist, mehr erinnern kann, ist es als habe man seine Zeit verschwendet. Für mich waren die guten Jahre und Monate mit etwas unvergesslichem gefüllt, mit etwas, das einen mit Emotionen erfüllt. Wenn man länger leben möchte, ist es meine Philosophie, so viele Erinnerungen wie möglich anzusammeln. Lassen Sie Ihre Jahre nicht unbemerkt vorüberziehen.
Haben Sie ein bestimmtes Musikstück, das gut zu diesem Tipp passt?
Ich bevorzuge inspirierende Musik – Musik, bei der es darum geht, Gutes zu tun, für einen positiven Wandel, für die Armen, die Schutzbedürftigen zu kämpfen. Ich würde sagen „Man in Black“ von Johnny Cash und „Rose Tattoo“ von den Dropkick Murphys. Dabei geht es darum, eine bessere Version seiner selbst zu werden, trotz Hindernissen Gutes zu tun, immer da zu sein, wenn man gebraucht wird, trotz Herausforderungen Neues zu erkunden oder gute Erinnerungen anzusammeln, auf die man stolz sein kann.
Wenn Sie eine Person Ihrer Wahl – lebend oder historisch – zum Abendessen einladen könnten, für wen würden Sie sich entscheiden?
An meiner Universität gibt es diese nie endende Debatte zwischen Positivisten und Postpositivisten. Einige meiner Professoren vertreten die sogenannte „Europäische Schule“ – für sie geht es in erster Linie um Konstruktivismus: Es gibt keine objektive Realität in der sozialen Welt; die Realität ist das, was wir daraus machen, und wird in Diskursen verständlich. Andere folgen eher dem Amerikanischen Stil, bei dem ein positivistischer Ansatz durch quantitative Daten, Zahlen und Statistiken gestützt wird. Manchmal machen sich diese beiden Gruppen über einander lustig, etwa, wenn die Universität als eine der fünf besten Schulen für Politikwissenschaften in Europa eingestuft wurde. Einer der am strengsten postpositivistischen Professoren teilte die großartige Nachricht über Facebook. Sofort antworteten die Professoren der anderen Seite: „Seht ihr, Zahlen spielen doch eine Rolle!“. Ich fand das sehr amüsant. Auch wenn ich für meine Doktorarbeit gerne Recherchen anstelle, die sich auf Statistiken stützen, macht es mir doch noch mehr Spaß, Konstruktivisten und Poststrukturalisten zu lesen, die die Rolle von Identitäten, Ideen und Diskursen bei dem Versuch, unsere ansonsten sehr komplexe Welt zu verstehen, ins Spiel bringen. Während meiner Promotion habe ich sehr viel Michel Foucault gelesen, und ich war fasziniert davon, was die Gelehrten von seinen Ideen ableiteten, um konstruktivistische und poststrukturalistische Theorien zu bereichern. Ich würde Foucault zu einem Abendessen einladen, nicht um viele Fragen zu stellen, sondern einfach, um in Gegenwart eines großen Gelehrten zu essen und ein wirklich interessantes Gespräch zu führen.
WHO-Länderbüro in Aserbaidschan
- Zahl der Mitarbeiter: 19, einschließlich Beratern. Die Zahl der Mitarbeiter ändert sich aufgrund des Bedarfs an Notfallmaßnahmen im Kampf gegen COVID-19 ständig.
- In Betrieb seit: Juni 1994
- Wichtigste Schwerpunktbereiche: gesundheitliche Notlagen (COVID-19), primäre Gesundheitsversorgung, Tuberkulose, HIV, Virushepatitis und andere Infektionskrankheiten, nichtübertragbare Krankheiten, impfpräventable Krankheiten und Immunisierung, antimikrobielle Resistenz, psychische Gesundheit, Gesundheitssysteme, Bereitschaftsplanung der Länder für gesundheitliche Notlagen und IGV sowie Risikokommunikation.