Fast 6 Mio. Menschen in Kasachstan leiden an mindestens einer Erkrankung, für die es Rehabilitationsangebote gibt, wie eine Studie aus dem Jahr 2019 zeigt. Von diesen 5 845 234 Menschen, die fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachen, haben 4,6 % – mehr als 260 000 Menschen – psychische Gesundheitsprobleme.
Einer von ihnen ist der 42-jährige Dauren Mukhamedzhanov. Seine Geschichte verdeutlicht, warum der Zugang zu gut koordinierten Rehabilitationsangeboten und assistiven Produkten den Unterschied zwischen sozialer Ausgrenzung und einem unabhängigen Leben ausmachen kann.
„Meine Jugend ging in den 1990er Jahren abrupt zu Ende. Damals wurde ich Teil einer Gruppe von Menschen, die von der Gesellschaft als unliebsam betrachtet wurde“, erzählt Dauren. „Um ehrlich zu sein, möchte ich gar nicht an die Vergangenheit denken. Bis 2004 war ich zwangsweise in stationärer Behandlung; danach wurde ich zur ambulanten Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus angemeldet.“
Das Register, in das er eingetragen wurde, war Teil eines Systems, das als aktive dynamische Überwachung bezeichnet wird und das zur Anwendung kommt, wenn nach der Einschätzung eines Psychiaters bei einem Patienten aufgrund seines psychischen Zustands ein hohes Risiko besteht, dass er eine Straftat begeht. Das System bringt eine kontinuierliche Überwachung durch psychiatrische Organisationen und Vollzugsbehörden mit sich.
Dauren begann mit der Einnahme von Medikamenten, die ihm zwar bei seinen Symptomen halfen, aber wenig an seiner sozialen Situation änderten. Diese verbesserte sich erst, als in Kasachstan Rehabilitationskonzepte eingeführt wurden, deren grundlegendes Ziel die Verbesserung der Lebensqualität und nicht die Heilung von Krankheiten ist. Dabei wird ein besonderes Augenmerk darauf gelegt, die Menschen in die Lage zu versetzen, mit ihrer Krankheit umzugehen, sich an ihre Situation anzupassen und aktiv zu bleiben.
„Sie haben mir beigebracht, wie ein Schreiner arbeitet, und ich habe angefangen, einem Klempner zu helfen“, erzählt Dauren. „Damals begann sich meine Lage zu verbessern. Ich nehme diese Leistungen seit etwa sieben Jahren in Anspruch und bin inzwischen beim Rehabilitationszentrum in Astana offiziell als Schreiner und Klempner angestellt.“
Laut Bakytzhan Koishin, dem Direktor des Psychiatriezentrums Astana, hat die Einführung von Rehabilitationsprogrammen an seinem Zentrum den Behandlungsansatz verändert. Patienten, Ärzte und das übrige Personal verstehen nun, dass ihr oberstes Ziel darin besteht, die Genesung von Menschen mit psychischen Erkrankungen zu fördern, damit sie wieder zu vollwertigen Mitgliedern der Gesellschaft werden können.
„Die Rehabilitanden sind heute in einer völlig anderen Lage. Die Zeitspanne zwischen Krankenhausaufenthalten beträgt jetzt fünf Jahre oder mehr, während sie früher mindestens einmal pro Jahr stattfanden“, sagt Koishin.
Leben neu aufbauen
Den Daten des Zentrums zufolge haben zwischen 2020 und 2023 951 Patienten an Rehabilitationsprogrammen teilgenommen. Davon sind 81 Personen inzwischen in der Rehabilitationsunterstützung beschäftigt.
„Diese Menschen hatten alle eine chronische psychische Erkrankung, die zu einer Behinderung führte. Doch unsere Daten zeigen, dass es sowohl notwendig als auch möglich ist, die Fähigkeiten der Patienten wiederherzustellen“, erklärt Koishin.
Dauren fühlt sich innerhalb des Zentrums als Teil eines großen Teams, das für ihn wie ein zweites Zuhause geworden ist. „Offiziell gelte ich nicht mehr als behindert, sodass mein Name nicht mehr im Register der aktiven dynamischen Überwachung aufgeführt ist“, erklärt er.
Kuanysh Altynbekov, Leitender Psychiater beim Gesundheitsministerium der Republik Kasachstan, stellt fest, dass eine Ausweitung solcher Angebote viele Vorteile haben kann.
„Rehabilitationsmaßnahmen sind kosteneffizient und tragen dazu bei, die besten Ergebnisse anderer medizinischer Eingriffe zu erreichen und zu erhalten und die Zahl der kostspieligen Interventionen, wie die Zahl der Krankenhausaufenthalte und das Risiko von Komplikationen, aber auch die Dauer stationärer Behandlungen, zu verringern“, sagt er.
„Wichtig ist, dass der Zugang zu Rehabilitationsangeboten dazu beiträgt, das Recht der Menschen auf ein gesundes Leben zu gewährleisten, was in Verbindung mit dem Schutz der Rechte von Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen von besonderer Bedeutung ist“, fügt Altynbekov hinzu.
Ausweitung von Rehabilitationsangeboten
Nach den Daten, die 2022 anhand der „Vorlage der WHO für die Sammlung von Rehabilitationsinformationen“ (TRIC) erhoben wurden, werden Rehabilitationsprogramme in Kasachstan nur spärlich angeboten, und in manchen der insgesamt 20 Verwaltungsregionen gibt es keine derartigen Angebote für Menschen mit Suchtproblemen. 2022 nahmen nur 2329 Personen an einem Rehabilitationsprogramm teil, also weniger als 3 % der Bedürftigen. Das liegt zum Teil daran, dass es an geschulten Fachkräften fehlt.
Kasachstan und die WHO haben bereits Maßnahmen ergriffen, um solche Leistungen landesweit anzubieten. Im Dezember 2023 organisierte das WHO-Länderbüro in Kasachstan einen runden Tisch für die Vertreter der Gesundheitsabteilungen aller Regionen Kasachstans, um das TRIC-Instrument vorzustellen und die weitere Bewertung und Entwicklung von Rehabilitationsangeboten zu planen.
Bei der Entwicklung von Rehabilitationsprogrammen berücksichtigen wir die Meinung von Angehörigen und Fachleuten“, sagt Altynbekov. „Wir können bereits Ergebnisse erkennen, aber wir stehen noch am Anfang des Weges, und das Wichtigste ist jetzt, die Lebensqualität von Menschen mit besonderen Bedürfnissen zu verbessern und ihre Rechte zu schützen.“
Für Dauren erweist sich die Rehabilitation tagtäglich als wertvoll. „Das konnte ich dank meiner Willenskraft erreichen, und nichts kann mich am Leben hindern“, sagt er. „Ich versuche, allen Menschen, die in das Rehabilitationszentrum kommen, zu helfen, indem ich meine Geschichte erzähle. Heute bin ich ein gesunder und erfolgreicher Mensch. Ich habe geheiratet. Ich habe eine hübsche Tochter, die in die dritte Klasse geht.“
Dauren ist optimistisch mit Blick auf seine Zukunft in Kasachstan. „Als jemand, der diese Hindernisse überwunden hat, möchte ich sagen, dass wir Menschen, die mit einer psychischen Erkrankung leben, nicht aufgeben sollten – auch wir sind Teil der Gesellschaft. Wenn es in anderen Regionen Kasachstans ähnliche Zentren gibt, können wir damit Menschen in Not erreichen.