Den Kreative Skole
Eine gesangsbasierte Intervention für Mütter, die an der Den Kreative Skole in Silkeborg stattfindet.
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Den Kreative Skole
Ab der sechsten Woche bemerken Mütter oft, dass sie beginnen, optimistischer in die Zukunft zu blicken
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Stärkung von Müttern durch Gesang in Dänemark

4 October 2024

In Dänemark verändert die Kraft der Musik das Leben. Seit seinem Start im Jahr 2021 bietet das Projekt „Musik und Mutterschaft“ – eine Initiative zur Unterstützung von Müttern mit postpartalen Depressionen (PPD) – Frauen eine sichere und fürsorgliche Umgebung, in der sie durch Singen Kontakte knüpfen, ihre Gefühle ausdrücken und ihr Wohlbefinden wiedererlangen können.

Dieses innovative Programm von WHO/Europa, das von der dänischen Region Midtjylland durchgeführt wird, macht sich das therapeutische Potenzial der Musik zunutze. Über einen Zeitraum von zehn Wochen nehmen Gruppen von Müttern an wöchentlichen einstündigen Singveranstaltungen teil, die speziell auf sie zugeschnitten sind. Dabei geht es um mehr als nur Melodien – vielmehr werden Selbstbestimmung, Gemeinschaftssinn und Heilung gefördert.

Solidarität durch Singen

Weltweit sind etwa 11 bis 17 Prozent der Frauen nach der Geburt von PPD betroffen, doch viele tun sich schwer damit, wirksame Wege zur Bewältigung zu finden. Das Projekt „Musik und Mutterschaft“ stützt sich auf eine wachsende Zahl von Belegen dafür, dass Kunst – und insbesondere Musik – entscheidend zur Verbesserung der psychischen Gesundheit beitragen kann. 

2019 veröffentlichte WHO/Europa den Bericht mit dem Titel „Welche Erkenntnisse gibt es über die Rolle der Künste bei der Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden?“, in dem die transformative Wirkung der Künste auf die Gesundheit hervorgehoben wird. 

Inspiriert von den Ergebnissen des Berichts wandte sich die Region Midtjylland an WHO/Europa mit der Bitte um Zusammenarbeit an dem Projekt „Musik und Mutterschaft“. Zusammen mit zwei weiteren Partnern – dem Kulturzentraum Cluj (Rumänien) und dem Istituto Superiore di Sanità (Italien) – schufen sie eine lokalisierte Version des Protokolls von „Musik und Mutterschaft“.

Louise Frøkjær Carstens, Projektleiterin bei Den Kreative Skole in Silkeborg, erklärt die Philosophie hinter der Initiative: „Wir wollten einen Raum schaffen, in dem Mütter nicht nur singen, sondern sich auch auf sinnvolle Weise mit ihren Gefühlen auseinandersetzen können. Das Singen hilft ihnen zu atmen, sich auszudrücken und vor allem, sich wieder gestärkt zu fühlen.“ 

Eine Teilnehmerin berichtet von ihren Erfahrungen: „Ich habe entdeckt, dass Singen mich auf eine Art und Weise beruhigen kann, wie ich es vorher noch nicht erlebt hatte.“

Die Teilnehmerinnen singen Lieder, die mit ihrer Reise durch die Mutterschaft in Verbindung stehen – Lieder, die von den Freuden und Herausforderungen der Kindererziehung erzählen. Doch es geht nicht nur um das Singen, sondern auch um Atemübungen, die den Teilnehmerinnen dabei helfen, mit ihrem Körper und ihren Gefühlen in Kontakt zu treten. 

„Ab der sechsten Woche können wir Veränderungen beobachten“, sagt Louise. „Die Frauen öffnen sich, sie lachen mehr und sprechen allmählich optimistischer über die Zukunft.“

Eine nationale Anstrengung mit globaler Unterstützung

Der Erfolg des Projekts ist überwiegend auf die von WHO/Europa geförderten Partnerschaften zurückzuführen. Die WHO hat durch Unterstützung der Initiative mit ihrer Reputation und ihrer wissenschaftlichen Kompetenz dazu beigetragen, sowohl die Finanzierung und als auch die Zusammenarbeit mit den örtlichen Gesundheitsämtern und kulturellen Einrichtungen zu sichern. 

„Die Beteiligung der WHO hat dem Projekt die Glaubwürdigkeit verschafft, die es für eine Ausweitung benötigte“, erklärt Mikkel Ottow, Berater für Kulturfragen bei der Region Midtjylland. „Mit einem Mal waren die Kommunalbehörden und die Gesundheitsämter offener für unsere Sache.“

Die Wirkung macht Mut. Denn das Programm hat nicht nur landesweit Aufmerksamkeit erregt, sondern soll auch auf elf weitere Kommunen in der Region Midtjylland ausgedehnt werden, damit noch mehr Mütter von dieser therapeutischen Maßnahme profitieren können. Die Ausweitung wird durch örtliche Musik- und Kunstschulen finanziert, was von einem starken Engagement für die Aufrechterhaltung des Programms zeugt.

Optimale Zusammenarbeit

Ein wesentlicher Aspekt von „Musik und Mutterschaft“ ist die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern des Gesundheitswesens und kulturellen Einrichtungen. So spielen Gemeindeschwestern eine Schlüsselrolle bei der Überweisung von Müttern an das Programm, erzählt Louise. „Sie haben uns dabei geholfen, die richtigen Teilnehmerinnen zu erreichen, und ihr Vertrauen in das Programm hat die Mütter zur Teilnahme ermutigt.“

Dieses Überweisungssystem ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Intervention, da Kultureinrichtungen oft keinen direkten Zugang zu Zielgruppen mit gesundheitlichen Problemen haben. Die Einbeziehung von Mitarbeitern des Gesundheitswesens schafft auch Vertrauen bei den Teilnehmerinnen, von denen viele vielleicht zögern, sich auf eine nicht-klinische Maßnahme einzulassen. 

Louise stellt fest: „Wir haben gelernt, dass es für viele Mütter wichtig ist, dass diese Initiative sowohl vom Gesundheitswesen als auch vom kulturellen Bereich unterstützt wird.“

Lied für Lied das Leben verändern

Der wahre Erfolg des Projekts zeigt sich darin, wie es das Leben der Menschen verändert. Eine Mutter, die das zehnwöchige Programm absolviert hat, erzählte, was es bewirkt hat: „Ich habe das Gefühl, dass ich meine Stimme wiedergefunden habe, sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne. Durch das Singen mit anderen Müttern, die verstehen, was ich durchmache, fühlte ich mich weniger allein.“

Während das Projekt weiter wächst, werden seine Auswirkungen in Dänemark immer besser sichtbar. Die Mütter treffen sich auch nach Beendigung des Programms weiter und bilden Unterstützungsnetze, die weit über die zehn Wochen hinaus Bestand haben.

Die Zukunftsaussichten für „Musik und Mutterschaft“ sind günstig, denn durch die kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen Dänemark, WHO/Europa und anderen internationalen Partnern ist die Weiterentwicklung des Programms auf der Grundlage neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse gewährleistet. Angesichts der Pläne zur Ausweitung des Programms und des anhaltenden Interesses von Gesundheitsexperten und Kultureinrichtungen ist Dänemark führend bei der Integration von Kunst in Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit. 

Wie Louise sagt: „Musik ist mehr als nur ein Ausdrucksmittel – sie ist ein Weg zur Heilung.“

Die Geschichte dieses Programms ist ein Beweis für die Kraft der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit, die Bedeutung evidenzbasierter Interventionen und vor allem das transformative Potenzial der Künste bei der Förderung von Wohlbefinden.

Nach zwei Jahren der Umsetzung des Handlungsrahmens der Europäischen Region der WHO für die Berücksichtigung verhaltensbezogener und kultureller Erkenntnisse zur Förderung der Chancengleichheit in Bezug auf Gesundheit (2022–2027) erkennen die Mitgliedstaaten zunehmend die Bedeutung von Verhaltensweisen für die Gesundheit an und bemühen sich um evidenzbasierte, partizipative Ansätze, um bessere Erkenntnisse über solche Verhaltensweisen zu gewinnen.

Dennoch sind viele Mitgliedstaaten in diesem Bereich immer noch zu wenig tätig, teilweise aufgrund geringer Investitionen. Nach wie vor bestehen wesentliche Barrieren, insbesondere Defizite in Bezug auf Fähigkeiten, Wissensumsetzung, Strategieentwicklung und Kapazitäten. Auf der 74. Tagung des WHO-Regionalkomitees für Europa wird den Mitgliedstaaten ein Fortschrittsbericht über den Handlungsrahmen vorgelegt.

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Das Protokoll von „Musik und Mutterschaft“ basiert auf Forschungsergebnissen des Centre for Performance Science und orientiert sich an dem Umsetzungsmodell des Programms Breathe Melodies for Mums, das von Breathe Arts Health Research benutzt wird. Die Umsetzungsstudie zum Projekt „Musik und Mutterschaft“ wurde aus Mitteln des Nordisk Kulturfond und des Jameel Arts & Health Lab finanziert.