Pavla Kortusova, ehemalige Dozentin für internationale Beziehungen an verschiedenen tschechischen Universitäten, nahm vor 17 Jahren eine Position als Verwaltungsassistentin im WHO-Länderbüro in Tschechien an. Wenn sie nicht gerade mit verschiedenen Aufgaben im Büro beschäftigt ist, entspannt sie sich mit Paddle-Boarding, Laufen, Skifahren oder etwas extremeren Aktivitäten im Freien, wie dem Springen in einen rauschenden Fluss mit Überlebensausrüstung. In diesem Interview spricht sie über ihre Arbeit im WHO-Länderbüro in Tschechien, die zentralen Werte der Vereinten Nationen und ihre Leidenschaft für Fantasy-Literatur und Sport.
Erzählen Sie uns von ihrem Job
Das WHO-Länderbüro in Tschechien ist ein kleines Büro mit nur zwei Mitarbeitern. Ich assistiere dem Repräsentanten der WHO und bin verantwortlich für den alltäglichen Betrieb des Büros. Da wir ein kleines Büro sind, unterstütze ich zudem diverse Projekte und nehme Kontakt mit Medien, fachlichen Partnerorganisationen und der Allgemeinbevölkerung auf. Zu den von mir betreuten Projekten zählen sowohl „einfachere“ Kurzzeitprojekte, wie die Durchführung einer Studie oder die Organisation einer Diskussion am Runden Tisch, als auch komplexere, die eine langfristigere Unterstützung erfordern. Diese größeren Veranstaltungen umfassen etwa die Organisation von Unterstützung für Arbeitsgruppen. Darüber hinaus arbeite ich an Projekten zu den Themen psychische Gesundheit oder Umwelt und Gesundheit. Was ich an meiner Arbeit mag, ist die Unterstützung, die ich auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen professionellen Bereichen leisten kann. Es wird nie langweilig. Man könnte sagen, dass mein Job eine Multitasking-Position ist, bei der ich die nötige Koordination und Unterstützung leiste, die uns als WHO-Länderbüro funktionsfähig macht.
Was hat Sie an einer Tätigkeit bei der WHO gereizt?
Während meines Studiums und meiner Zeit als Doktorandin habe ich mich auf Themen rund um die Vereinten Nationen spezialisiert und habe zudem an der Wirtschaftsuniversität in Tschechien zu interkulturellem Management, internationalen Organisationen und Menschenrechten gelehrt. Ich wollte wirklich gerne bei den Vereinten Nationen arbeiten, um meinen Teil dazu beizutragen, die Welt besser, friedlicher und gleichberechtigter zu machen. Ich war schon immer davon überzeugt, dass alle Menschen, egal welcher Herkunft, gleich sind – ungeachtet ihrer Unterschiede. Diesen zentralen Grundsatz wollte ich auch bei meiner alltäglichen Arbeit unterstützen, und das hab ich geschafft. Ich habe die Position bei den Vereinten Nationen angenommen, nachdem ich im Jahr 2004 meine Doktorarbeit in Kinanthropologie abgeschlossen hatte, und ich bin sehr stolz darauf, Teil der Vereinten Nationen zu sein.
Was genau ist Kinanthropologie?
Kinanthropologie ist eine interdisziplinäre Wissenschaft mit Schwerpunkt auf der Erforschung der körperlichen Aktivität des Menschen. Aufgrund des erheblichen Nutzens für die Gesundheit und das Wohlbefinden hatte ich schon immer eine große Leidenschaft für Sport und regelmäßige körperliche Betätigung.
Was inspiriert Sie?
Was mich inspiriert, ist in vielerlei Hinsicht mit den Werten der Vereinten Nationen verknüpft. Als WHO stellen wir ein multilaterales, unabhängiges Forum für maßgebliche Akteure und Regierungen sowie unabhängiges Fachwissen zu einer Vielzahl an gesundheitsbezogenen Themen bereit. Diese Funktion ist für mich von erheblicher Bedeutung. Wir können eine Tagung einberufen und verschiedene Fachbereiche bzw. Ebenen einladen, wie Parlamentarier, nichtstaatliche Organisationen oder die Industrie, und diese an einem Tisch zu Diskussionen und dem Austausch von Ansätzen und Konzepten zusammenbringen. Einer unserer jüngsten Erfolge ist die stärkere Eindämmung und die Regulierung des Tabakgebrauchs im tschechischen Gesetz. Unsere Arbeit ist nicht immer leicht, doch unsere Funktion ist einzigartig und unsere Arbeit von entscheidender Bedeutung. Ich freue mich, wenn menschliche Werte, Gesundheit oder nachhaltige Entwicklung in den Mittelpunkt von Maßnahmen gerückt werden und ich Fortschritte mitverfolgen kann. Das ist extrem motivierend für unsere weitere Arbeit.
Wie wirkt sich Ihre Arbeit auf andere aus?
Lassen Sie mich dazu ein Beispiel aus dem Bereich der psychischen Gesundheit anführen: Vor etwa 17 Jahren besuchte die britische Autorin J. K. Rowling Tschechien. Sie besuchte in diesem Rahmen auch eine Einrichtung für psychische Gesundheit und war enttäuscht von dem, was sie dort sah. Dies war zur gleichen Zeit, als ich die Position bei der WHO in Tschechien annahm, und plötzlich musste ich von allen Seiten heikle Fragen über die psychische Gesundheitsversorgung in Krankenhäusern mit käfigartigen Betten mit Netzen rundherum beantworten, da der Leiter des Büros zu der Zeit abwesend war. Rowling schrieb zudem offene Briefe an den tschechischen Präsidenten und den Ministerpräsidenten und forderte einen Wandel. Plötzlich als neue Mitarbeiterin mit einem solch heiklen Thema mit großer politischer Wirkung konfrontiert zu sein, war nicht leicht. Aber es war auch äußerst interessant. Bei der WHO waren wir intensiv darum bemüht, die Regierung bei der Reformierung des psychiatrischen Versorgungssystems in Tschechien zu unterstützen und auf einen gemeindenahen Ansatz für die psychische Gesundheitsversorgung hinzuarbeiten, bei dem so wichtige Aspekte wie die Versorgungsqualität und die allgemeinen Menschenrechte im Mittelpunkt stehen. Dies ist ein sehr wichtiges Beispiel für konkrete Veränderungen, die erreicht werden können, wenn nicht nur Vertreter der Politik, sondern auch verschiedene Bereiche wie die primäre Gesundheitsversorgung, Sozialarbeiter und Fachkräfte aus der psychischen Gesundheitsversorgung einbezogen werden. Die Patientenversorgung ist in den Vordergrund gerückt worden, doch es gibt weiterhin viel zu tun. Die COVID-19-Pandemie hat verdeutlicht, wie wichtig die psychische Gesundheit und das geistige Wohlbefinden für alle Menschen ist, und Menschen, die auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind, sollten nicht stigmatisiert werden.
Wie sorgen Sie für Ihr eigenes Wohlbefinden?
Ich tanke neue Energie, indem ich Sport mache und Zeit mit meinen beiden Kindern verbringe. Ich gehe laufen, spiele Beachvolleyball und im Winter mache ich Ski-Langlauf. Doch ich finde auch Zeit zur Entspannung und genieße es, ein gutes Buch zu lesen. Ich mag Fantasybücher, Rowling ist daher eine meiner Lieblingsautorinnen und -autoren, neben Terry Pratchett – ich habe die meisten seiner Bücher gelesen. Und J. R. R. Tolkien mag ich natürlich auch sehr. Fantasybücher helfen mir, die reale Welt für eine Weile hinter mir zu lassen und in eine Welt einzutauchen, in der alles möglich ist.
Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Das war ein Buch aus einem ganz anderen Genre. Ich habe ein Buch des tschechischen Autors Karel Klostermann mit dem Titel „Lístky ze Šumavské epopeje“ – Geschichten aus den Šumava-Bergen – gelesen. Klostermann, der in dieser Gegend gelebt hat, beschreibt darin Traditionen, Lebensweisen und Strapazen der Menschen in den Dörfern und ländlichen Gegenden von Šumava im 19. Jahrhundert. Ich habe ein kleines Häuschen in Šumava, wo wir oft unsere Wochenenden verbringen, uns entspannen und Zeit in der Natur verbringen. Es ist wirklich interessant, über die Lebensweise der Menschen zu dieser Zeit zu lesen, in einer Gegend, die ich so gut kenne. Ihre Lebensweisen haben sich verändert, auch wenn viele der Herausforderungen eines Lebens in ländlichen Gebieten nach wie vor bestehen. Die Menschen müssen noch immer viel Mut aufbringen und sich selbst versorgen können.
Eine letzte Frage: Wenn Sie eine – lebende oder historische – Person zum Abendessen und zu einem Gespräch einladen dürften, wer wäre das?
Marie Curie – als eine Frau der Wissenschaft hat sie mich sehr inspiriert. Während meiner Zeit an der Universität habe ich mich mit ihrem Leben befasst. Sie ist ein wirkliches Vorbild, denn zum Ende des 19. Jahrhunderts war es sehr schwierig für Frauen, Anerkennung von ihren Familien, der Gesellschaft und vor allem von der professionellen, von Männern dominierten wissenschaftlichen Gemeinschaft zu erlangen. Die gesellschaftliche Rolle der Frauen war so begrenzt und beschränkt. Marie Curie war nicht nur eine Kämpferin für die Wissenschaft, sondern auch eine Kämpferin für alle Frauen in der Wissenschaft. Sie hat mich sehr stark inspiriert.
WHO-Länderbüro in Tschechien
- Zahl der Mitarbeiter: 2
- In Betrieb seit (Jahr): 1991
- Wichtigste Schwerpunktbereiche: Öffentliche Gesundheit, primäre Gesundheitsversorgung, psychische Gesundheit, Förderung einer gesunden Lebensweise, HIV
- Der Hauptauftrag des WHO-Länderbüros in Tschechien besteht darin, alle Aktivitäten der WHO in der Tschechischen Republik zu koordinieren und zu gewährleisten, dass Informationen zu Initiativen und Veranstaltungen der WHO publik gemacht werden. Das Länderbüro stellt den Zugang zu und die Verteilung von Informationsdokumenten, Berichten und Leitlinien der WHO sicher. Es ermöglicht die Kooperation mit und Beteiligung von tschechischen Fachkräften an Aktivitäten der WHO. Es tritt in der ressortübergreifenden Politikgestaltung für das Thema Gesundheit ein und übernimmt bei der Kooperation mit der Regierung, anderen Ressorts und zahlreichen maßgeblichen Akteuren eine fachliche Führungsrolle.