Seit Beginn des Krieges in der Ukraine haben etwa 500 000 Menschen in Tschechien Zuflucht gefunden, von denen sich 476 000 weiter im Land aufhalten. Julia ist eine von über 200 ukrainischen Müttern, die in der Entbindungsklinik in Prag entbunden haben. Hier spricht sie über ihre Erfahrungen seit Beginn des Krieges im Februar 2022.
Die 29-jährige Julia Melnyk lebt mit ihrem kleinen Sohn Sviatoslav in Prag. Das glückliche, gesunde Baby gluckst in ihren Armen, und sie schaut es liebevoll an. Doch die Umstände im ersten Jahr ihrer Mutterschaft sind ganz anders, als Julia sich damals vorgestellt hatte, als sie und ihr Mann im September 2021 erfuhren, dass sie Eltern werden:
„Ich arbeitete als Rechtsanwältin für eine Baufirma, und mein Mann als Ermittler in einer Firma, die Korruption bekämpft. Wir hatten beide eine gute Stelle im Raum Kiew, und wir hatten so viele Pläne für die Zukunft. Wir waren begeistert, als wir erfuhren, dass ich schwanger war.“
„Im Februar war ich im siebten Monat der Schwangerschaft und war gerade in Mutterschaftsurlaub gegangen. Ich bereitete mich auf die Geburt vor. Die Großeltern freuten sich darauf, Zeit mit ihrem Enkel verbringen zu können, und ich wusste, dass ich in den ersten Monaten viel Unterstützung erhalten würde. Alles sah ganz vorhersehbar aus, und wir fühlten uns sicher, auch für die Zukunft des Babys. Wir schmiedeten Pläne für morgen und wir hatten viele Träume für die Zukunft.
Das alles änderte sich schlagartig, als am 24. Februar der Krieg ausbrach. Wir wussten sofort, dass nun Krieg herrschte und dass es ernst war. Damit ging jede Gewissheit verloren, dass unser Leben sicher war: meines, das meines Mannes und das unseres Babys. Ich wusste auch, dass es keine Garantie für eine ausreichende medizinische Versorgung bei der Entbindung gab.
Mein Mann und ich beschlossen gemeinsam, dass ich an einem sicheren Ort gebären sollte, wo ich angemessen ärztlich versorgt werden kann. Ich beschloss, zusammen mit einer Freundin, ihren Kindern und ihrer Mutter die Ukraine zu verlassen. Als wir unseren Wohnort verließen, wurde in unserer Gegend heftig geschossen, und mein Mann gab mir eine kugelsichere Weste, die er an der Arbeit erhalten hatte. Als ich die Weste über den Bauch zog, konnte ich nicht glauben, was ich da erlebte: es war einfach so anders als das, wie ich mir meine letzten Monate der Schwangerschaft vorgestellt hatte.
Die Reise selbst war ziemlich beängstigend und schwierig. Überall das Knallen der Artillerie. Als wir schließlich zur polnischen Grenze kamen, mussten wir dort wegen der langen Schlangen etwa zehn Stunden lang warten.
Die ersten Wochen waren wir bei Freunden untergebracht. Wir waren so dankbar. Ich hatte große Befürchtungen, was mit meinem Mann und meinen Eltern passieren würde, die in Kiew geblieben waren, wo es heftige Kämpfe gab. Das machte mich sehr unruhig.
Nach ein paar Wochen erfuhren wir, dass die tschechische Regierung ukrainischen Kriegsflüchtlingen vorübergehend Schutz gewähren wollte und dass sie Visa und Krankenversicherungsschutz anbot. Der Geburtstermin rückte näher, und ich wusste, dass ich mich auf die Entbindung und auf die Gesundheit und Zukunft des Babys konzentrieren musste.
Es war ganz schön bürokratisch, das Visum zu bekommen und mich in der Entbindungsklinik zu registrieren, aber ich wusste, dass es für mich vor allem darauf ankam, in Sicherheit entbinden zu können. Dieser Tunnelblick half mir zu überleben und mit meiner Lebensrealität fertigzuwerden.
Als ich schließlich einen Termin in der Entbindungsklinik erhielt, bekam ich die üblichen Untersuchungen und Verfahren. Während meines zweiten Besuchs im Krankenhaus lernte ich Dr. Darina kennen. Sie ist Ukrainerin, und ich fühlte mich bei ihr gleich wohl, weil wir uns normal verständigen konnten und ich wusste, dass ich ihr vertrauen konnte. Das Personal an der Entbindungsklinik war durchgehend sehr professionell und hilfsbereit, und das gab mir ein Gefühl von Sicherheit.
Ich hatte großes Glück, dass die Geburt schnell und unkompliziert ablief und Dr. Darina mich die ganze Zeit über unterstützte. Mein Baby war gesund, und wir mussten nicht lange im Krankenhaus bleiben.
Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, hatte ich einiges zu tun, um meinen Sohn sowohl in Tschechien als auch in der Ukraine zu registrieren, weil er ja ein ukrainischer Staatsbürger ist. Aber ich hatte auch gemischte Gefühle. Ich war froh, dass mein Kind bei mir war und dass es gesund und in Sicherheit war. Doch gleichzeitig war ich allein in einem fremden Land, ohne Unterstützung durch meinen Mann, und er konnte nicht einmal unseren Sohn sehen. Meine Familie war so weit weg, und ich hatte solche Angst über unsere Zukunft, und ich wusste nicht, was aus unserer Wohnung und aus unserem Land werden sollte.
Am meisten tat es mir weh, von meinem Mann getrennt zu sein. Aber obwohl er nicht körperlich präsent ist, unterstützt er mich doch sehr. Er ermutigt mich die ganze Zeit und sagt, dass er glücklich ist, weil das Baby und ich sicher sind und dass ich versuchen muss, froher und optimistischer zu sein.
Inzwischen ist mein Sohn zehn Monate alt und ist kräftig und gesund. Wir haben eine tolle Kinderärztin, zu der wir für die Routineuntersuchungen gehen. Wir sind der tschechischen Regierung dankbar für die Hilfe, die sie uns gewährt hat. Wir sind hier sicher, und es geht uns gut.
Mein größter Wunsch für die Zukunft ist, dass dieser Krieg zu Ende geht und dass wir in unsere Wohnung und zu meinem Mann zurückkehren können. Ich freue mich darauf, dass mein Sohn sicher bei uns aufwachsen kann, ohne Angst vor Raketen und ohne den Lärm von Schießereien – ohne Krieg. Das ist meine größte Hoffnung.“
Unterstützung durch die WHO in Tschechien
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hat das WHO-Länderbüro in Tschechien seine Anstrengungen zur Unterstützung und Stärkung der nationalen Gesundheitssysteme erheblich intensiviert, um gesundheitliche Chancengleichheit für alle, auch die Geflüchteten, zu schaffen.
Die Flüchtlinge erhalten kulturell angemessene Leistungsangebote und werden durch Kommunikationskampagnen mit Informationen in Ukrainisch über den Zugang zum Gesundheitswesen versorgt. Bei diesen Kampagnen standen Infektionskrankheiten im Mittelpunkt, während bei der Unterstützung für die Flüchtlinge die Schwerpunkte auf der psychischen Gesundheit und der psychosozialen Unterstützung lagen. Darüber hinaus hat die WHO ukrainische Psychologen bei der Versorgung von Flüchtlingen unterstützt.
Die WHO unterstützt weiterhin das Gesundheitsministerium der Tschechischen Republik bei der Koordinierung der humanitären Hilfe. Diese umfasst strategische und ergänzende Interventionen im Bereich der psychischen Gesundheit, aber auch Unterstützung für die nationalen Impfprogramme, die Angebote im Bereich HIV und Krankheitsüberwachung, die bedarfsgerechte Bereitstellung vorrangiger medizinischer Geräte und den Kapazitätsaufbau.