Atemwegserkrankungen werden durch Mikroben wie Viren, Bakterien oder Pilze verursacht, die die Lunge und andere Teile des Atmungssystems infizieren. Viele von ihnen verbreiten sich leicht von Mensch zu Mensch. Zwar sind wir gegen viele Mikroben bis zu einem gewissen Grad immun, doch wenn ein neuer Stamm auftaucht, sind die Menschen oft schutzlos, was zu einer raschen weltweiten Ausbreitung – einer Pandemie – führen kann. Ein gutes Verständnis dieser Krankheitserreger und entsprechende Reaktionspläne sind unerlässlich, wenn die Länder das Risiko und die Auswirkungen einer künftigen durch Atemwegserkrankungen ausgelösten Pandemie mindern wollen. Schließlich lehrte uns die COVID-19-Pandemie, dass eine neue, unbekannte Bedrohung unmittelbar bevorstehen könnte, mit verheerenden Folgen, sofern nicht angemessen damit umgegangen wird.
„Die Lehren, die wir aus vergangenen Pandemien gezogen haben, können uns helfen, uns auf künftige Gesundheitskrisen vorzubereiten“, erklärt Dr. Marc-Alain Widdowson, der beim WHO-Regionalbüro für Europa (WHO/Europa) das Team für hochgefährliche Erreger leitet. „Um diese Erkenntnisse zu erfassen und weiterzugeben, hat die WHO die globale Initiative für Vorsorge und Widerstandsfähigkeit gegenüber neu entstehenden Gefahren (PRET) ins Leben gerufen, mit dem Ziel, die Vorsorge und Bereitschaft für Pandemien und andere Krankheitsausbrüche zu stärken.“
Um die Welt besser auf künftige gesundheitliche Notlagen vorzubereiten, wurden vier Leitprinzipien für alle PRET-Aktivitäten festgelegt:
- die Länder benötigen spezifische Kapazitäten und Systeme, um operativ bereit zu sein, auf die Bedrohung durch Infektionskrankheiten zu reagieren;
- globale Ansätze für die Pandemievorsorge müssen auf regionsweite und länderspezifische Besonderheiten zugeschnitten sein;
- globale Ereignisse wie Pandemien erfordern eine weltweite Koordination, länderübergreifende Zusammenarbeit und Solidarität; und
- es bedarf eines ressortübergreifenden Ansatzes.
Anerkennung von Gemeinsamkeiten und der Bedeutung der Zusammenarbeit
Die PRET-Initiative erkennt an, dass dieselben Systeme, Kapazitäten, Kenntnisse und Instrumente für Gruppen von Krankheitserregern genutzt und angewendet werden können, je nach deren Übertragungsart, z. B. über die Atemwege, durch Vektoren oder durch Lebensmittel übertragene Krankheitserreger.
„PRET umfasst die neuesten Instrumente und Ansätze für gemeinsames Lernen und kollektives Handeln, die während der COVID-19-Pandemie und anderen gesundheitlichen Notlagen der jüngsten Vergangenheit eingeführt wurden“, erklärt Dr. Widdowson. „Sie stellt die Grundsätze der Chancengleichheit, Inklusivität und Kohärenz in den Vordergrund und bietet eine Plattform für die Kooperation nationaler, regionsweiter und globaler Akteure, um die Bereitschaft zu stärken und in Krisensituationen schnell und entschlossen handeln zu können.“
PRET-Aktivitäten in der Europäischen Region der WHO
Das erste PRET-Modul, das im April 2023 gestartet wurde, konzentriert sich auf die Vorsorge für Pandemien, die durch Erreger der Atemwege verursacht werden, da diese in der Regel leicht übertragbar sind und eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen. Auf den Start von PRET folgte eine weltweite Einführung von Aktivitäten in allen Regionen der WHO.
In der Europäischen Region der WHO wurde die PRET-Initiative den Mitgliedstaaten im Rahmen einer Reihe von subregionalen Tagungen und nationalen Workshops vorgestellt, mit denen bisher insgesamt 48 Länder und Gebiete erreicht wurden. Ziel dieser Veranstaltungen war es, die PRET-Initiative vorzustellen, Lehren aus der COVID-19-Pandemie und anderen gesundheitlichen Notlagen zu erörtern und ressortübergreifende Wechselwirkungen sowie länderübergreifende Kooperationen in Zusammenhang mit der Pandemievorsorge zu untersuchen. Das letztendliche Ziel besteht darin, die Länder dazu zu ermutigen, ihre nationalen Pandemiepläne zu überprüfen und zu überarbeiten, um ihre Bereitschaft zu verbessern.
Auf der nationalen Ebene wurden bei der Ausarbeitung dieser überarbeiteten Pläne u. a. die Rollen und Zuständigkeiten der maßgeblichen Akteure verdeutlicht, die Koordinationsmechanismen klar umrissen, führende Persönlichkeiten der Gemeinschaft in die Verbreitung der wichtigsten Botschaften einbezogen, die Mechanismen für die Bereitstellung von Pandemieimpfstoffen gestärkt, elektronische Überwachungssysteme eingeführt und die Kapazitäten der Gesundheitseinrichtungen erfasst.
Michala Hegermann-Lindencrone, Fachreferentin im Programm Beherrschung von Infektionsrisiken bei WHO/Europa, merkt an: „Experten in der gesamten Europäischen Region der WHO sind mit der Entwicklung der nächsten Generation von Pandemieplänen auf der Grundlage der während der COVID-19-Pandemie identifizierten Herausforderungen und Chancen befasst. WHO/Europa steht den Mitgliedstaaten bei diesem Prozess zur Seite.“
Prüfung der Wirksamkeit der Pläne
Die Erprobung von Pandemieplänen ist ein zentraler Bestandteil einer gründlichen Pandemievorsorge, anhand dessen sichergestellt wird, dass alle Beteiligten die Prozesse und Schritte kennen, die für die Umsetzung erforderlich sind, einschließlich ihrer Rollen und Zuständigkeiten sowohl bei der Pandemieplanung als auch bei der Reaktion.
„Die Einbeziehung von Simulationsübungen (SimEx) in die Entwicklung von Pandemieplänen kann dazu beitragen, Lücken und Schwachstellen leicht zu erkennen, bevor es zu spät ist“, sagt Hegermann-Lindencrone. „Dies erleichtert die Entwicklung und Aktualisierung von Plänen, identifiziert Bereiche für Schulungen und Kapazitätsaufbau, stärkt ressortübergreifende Partnerschaften und gewährleistet Bereitschaft auf allen Ebenen, von der nationalen bis zur subnationalen Ebene, um die Region als Ganzes zu schützen.“
Dr. Pranvera Kaçaniku Gunga, Epidemiologin und Leiterin des Referats für die Überwachung übertragbarer Krankheiten am Nationalen Institut für öffentliche Gesundheit im Kosovo*, die an einer der im Rahmen eines nationalen PRET-Workshops organisierten SimEx teilnahm, stellt fest: „Die erstmalige Durchführung einer SimEx war eine Herausforderung, aber die Erprobung unseres Aktionsplans für Vorsorge, Prävention, Reaktion und Widerstandsfähigkeit bei durch Atemwegserreger ausgelösten Pandemien ermöglichte es uns, die wichtigsten Komponenten des Dokuments zu verbessern.“
Pandemieplanung für die globale Gesundheitssicherheit
Die Aktualisierung und Erprobung von Plänen für die Pandemievorsorge wird im Rahmen des übergeordneten Umsetzungsplans für Partnerschaftsbeiträge des Planungsrahmens zur Vorsorge gegen die pandemische Influenza (PIP) bewertet. Der PIP-Rahmen ist eine einzigartige Vereinbarung zwischen WHO, Mitgliedstaaten, Industrie und anderen maßgeblichen Akteuren, die darauf abzielt, die Pandemievorsorge zu stärken, indem die Überwachung und der Austausch von Influenzaviren verbessert und gleichzeitig ein chancengleicher Zugang zu Pandemieimpfstoffen und anderen Produkten während einer künftigen Influenzapandemie gewährleistet wird.
Über den Mechanismus für Zugang und Vorteilsausgleich des PIP-Rahmens erhält die WHO jedes Jahr Partnerschaftsbeiträge zur Stärkung der Pandemievorsorge, z. B. in den Bereichen kooperative Überwachung, Pandemieplanung, Aufbau von regulatorischen Kapazitäten und Schutz der Bevölkerung. Unter diesem Dach wird die PRET-Initiative in der gesamten Europäischen Region der WHO eingeführt.
* Sämtliche im Text enthaltenen Verweise auf das Kosovo sind im Zusammenhang mit der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zu verstehen.