Neun von zehn Menschen, die mit einer psychischen Erkrankung leben, sind der Meinung, dass den Medien eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Stigmatisierung zukommt.
Die Medien können die Einstellung der Öffentlichkeit gegenüber psychischen Gesundheitsproblemen erheblich beeinflussen. Nachrichten, die mit falschen Vorstellungen aufräumen und genaue Informationen darüber liefern, wie ein Leben mit einer psychischen Erkrankung aussieht – insbesondere, dass eine Genesung nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich ist –, können bei der Suche nach Hilfe von Nutzen sein und die Stigmatisierung sowohl in der Öffentlichkeit als auch unter Menschen mit denselben Symptomen verringern.
Doch Medienberichte können auch Schaden anrichten, vor allem, wenn sie unzutreffende Vorurteile bestätigen oder die komplexe Lebensrealität von Menschen mit psychischen Erkrankungen zu stark vereinfachen.
Die WHO arbeitet seit Langem zusammen mit Medienorganisationen und Journalisten daran, eine korrekte, evidenzbasierte Berichterstattung über Themen der psychischen Gesundheit zu gewährleisten. Vor Kurzem organisierte WHO/Europa auf Wunsch des maltesischen Ministeriums für Gesundheit und aktives Altern eine Schulung für Medienschaffende in Malta, um deren Fähigkeiten zur verantwortungsbewussten Berichterstattung zum Themenkomplex psychische Gesundheit und Suizid zu stärken.
Sensible Zusammenarbeit
Eine weit verbreitete falsche Vorstellung lautet, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen häufiger gewalttätig sind, denn bei der überwiegenden Mehrheit ist genau das Gegenteil der Fall. Die Aufrechterhaltung solcher Mythen fördert Stigmatisierung und Diskriminierung, und dies kann die Betroffenen davon abhalten, Hilfe zu suchen, und so die Hoffnungslosigkeit verstärken, Beziehungen, Bildung und Beschäftigung erschweren und sogar die Lebenserwartung verringern.
In der Schulung wurde erläutert, wie die Medien wichtige Partner bei der Bekämpfung der Stigmatisierung von psychischen Gesundheitsproblemen sein und wie sie die wichtigsten Erkenntnisse in ihre tägliche Arbeit einbringen können. Die Teilnehmer machten sich mit dem Mosaik-Toolkit der WHO zur Beendigung von Stigmatisierung und Diskriminierung im Bereich der psychischen Gesundheit vertraut und lernten, wie es auf die Erstellung von Inhalten angewendet werden kann.
„Die Berichterstattung über Suizid kann sehr negative Auswirkungen haben, insbesondere für Menschen mit schweren Depressionen. Eine erhebliche Sorge besteht darin, dass solche Berichte Menschen, die über Suizid nachdenken, ungewollt dazu ermutigen könnten, ihre Gedanken in die Tat umzusetzen. Außerdem gilt es unbedingt, die Auswirkungen auf Familie und Freundeskreis der Verstorbenen zu berücksichtigen. Daher müssen die Medien in ihrer Berichterstattung über solche Ereignisse äußerst sorgfältig vorgehen. Die Zusammenarbeit zwischen dem Gesundheitswesen und Medienorganisationen trägt entscheidend dazu bei, für Sensibilität bei diesen Themen zu sorgen“, erklärt Anton Grech, Professor für Psychiatrie an der Universität Malta und Klinischer Leiter der Abteilung Psychiatrie beim maltesischen Gesundheitsministerium.
Auf der Suche nach Hoffnung
Experten aus Island berichteten über ihre Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit den Medien, u. a. durch die Anpassung des Leitfadens der WHO für die Medienberufe an die isländische Sprache und Kultur und die dortige Medienlandschaft.
Ein Schlüsselelement für den Abbau der Stigmatisierung ist die Zusammenarbeit mit Menschen, die mit psychischen Erkrankungen leben; sie sollten im Rahmen der Berichterstattung als fachliche Quelle betrachtet werden, deren Erfahrungen ein Problem der öffentlichen Gesundheit ebenso beleuchten können wie die eines Psychiaters. Solche Experten können mit ihrer Erfahrung in Bezug auf die richtige Terminologie und die Vermeidung von Sensationalismus und schädlichen Stereotypisierungen beraten.
Auch die Darstellung der Genesung ist wichtig, denn viele Menschen mit einer psychischen Erkrankung wollen wissen, ob es ihnen jemals wieder besser gehen wird. Solche positiven Darstellungen können die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass eine Person Hilfe sucht, auch bei den kommunalen psychosozialen Diensten.
Aktuelle Herausforderungen
Die Medienberufe sind sich ihrer Verantwortung für eine korrekte Berichterstattung über psychische Gesundheit und Suizid zunehmend bewusst, heben jedoch auch hervor, dass dies in der heutigen Medienlandschaft schwierig sein kann.
Da die sozialen Medien für die meisten Menschen zur primären Nachrichtenquelle geworden sind, argumentieren die Journalisten der traditionellen Medien, dass sie nur begrenzt Kontrolle darüber haben, was in den Nachrichten berichtet wird. Denn selbst wenn sie die Leitlinien der WHO befolgen, können doch schädliche Begriffe und Praktiken in die Online-Debatte einfließen.
Die Zusammenarbeit zwischen Medienorganisationen, Regierungen und Organisationen wie der WHO kann zur Erstellung wirksamer Leitlinien beitragen, um solche und andere Herausforderungen zu minimieren.
Der Medien-Workshop war Teil einer Grundsatzdebatte, die zusammen mit dem maltesischen Ministerium für Gesundheit und aktives Altern im Rahmen eines von der Europäischen Union finanzierten Projekts mit dem Titel „Bewältigung der Herausforderungen im Bereich der psychischen Gesundheit in den EU-Ländern, Island und Norwegen“ organisiert wurde. Zu den wichtigsten Themen gehörten die Entwicklung der psychischen Gesundheitsversorgung in Malta und der Erfahrungsaustausch über die Umstrukturierung der Psychiatriesysteme.
„Es ist zwar wichtig, die Fortschritte im Bereich der psychischen Gesundheit anzuerkennen, die dank der Strategie zur psychischen Gesundheitsversorgung in Malta (2020–2030) erzielt wurden, aber es besteht nach wie vor die Notwendigkeit, die primäre Gesundheitsversorgung, die körperliche Versorgung und die psychischen Gesundheitsangebote zu rationalisieren, um den vielfältigen Bedürfnissen von Menschen mit psychischen Problemen besser gerecht zu werden und die Kontinuität der Versorgung zu gewährleisten, insbesondere an den verschiedenen Schnittstellen. Die politische Diskussion bot den verschiedenen Leistungsanbietern und -nutzern die Gelegenheit zur Diskussion über das weitere Vorgehen“, berichtet Antonella Sammut vom maltesischen Ministerium für Gesundheit und aktives Altern.