Vor ein paar Jahren, während eines dreiwöchigen Urlaubs, hatte Dr. Stefan Teughels Zeit, über seine anspruchsvolle Arbeit als Allgemeinmediziner und Vorsitzender von Verbänden für Allgemeinmedizin in Belgien nachzudenken. Danach beschloss er, seinen Beruf als Allgemeinmediziner aufzugeben. „Am Montag habe ich meine Praxis eröffnet und innerhalb einer Stunde nach dem ersten Patientenkontakt hatte ich meine Meinung geändert“, erinnert er sich. „Der enge Kontakt zu den Patienten, zu denen man manchmal sogar eine persönliche Verbindung hat ... das ist ein so einzigartiges Privileg, dass ich es nicht missen möchte.“
Ein Tag im Leben eines Allgemeinmediziners in Flandern
Stefan schloss 1996 seine Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin ab. Derzeit arbeitet er in einer multidisziplinären Einrichtung der primären Gesundheitsversorgung in Flandern, in der Fachpersonal aus den Bereichen Allgemeinmedizin, Krankenpflege, Hebammenwesen, Arbeitsmedizin, Psychologie, Sozialarbeit und Physiotherapie in enger Zusammenarbeit eine ganzheitliche, patientengerechte Versorgung bereitstellt. Die Klinik befindet sich in einer Kleinstadt mit etwa 30 000 Einwohnern, die über ein historisches Zentrum verfügt und von Wasserwegen und Wäldern umgeben ist. Doch die Leitung einer solchen Klinik ist alles andere als leicht.
Stefan zeichnet das Bild einer alternden Bevölkerung, in der nichtübertragbare Krankheiten und psychische Erkrankungen wie Stress und Burnout immer häufiger vorkommen. Das derzeitige Gesundheitssystem wird den gesundheitlichen Bedürfnissen der Menschen nicht immer gerecht, zumal es sich auf Großstädte konzentriert, während Kliniken in den Regionen und in ländlichen Gebieten wie dem seinen die Ausnahme sind.
Eine multidisziplinäre und integrierte Primärversorgung, eine effiziente Triage und Aufgabenteilung sowie Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention sind in den meisten Allgemeinarztpraxen in Flandern noch keine Realität. Als Optimist glaubt Stefan, dass Allgemeinmediziner die großen Herausforderungen meistern und eine qualitativ hochwertige und kosteneffiziente primäre Gesundheitsversorgung anbieten können, wenn die Politik ihnen die Möglichkeit dazu gibt.
Dazu gehören für ihn Zahlungsmechanismen und Gesundheitsinformationssysteme, die eine integrierte und ganzheitliche Versorgung begünstigen, einschließlich der Prävention, Früherkennung und Behandlung von Ohr- und Hörproblemen.
Behandlung von Hörverlust in der primären Gesundheitsversorgung
Stefan träumt von einer Zukunft, in der Allgemeinmediziner die Möglichkeit haben, Ohr- und Hörprobleme vorausschauend anzugehen.
Er wägt ab zwischen dem Widerwillen der Menschen, sich einen Hörverlust einzugestehen, zumal dieser mit einem Stigma behaftet ist, und der Bedeutung eines guten Gehörs zur Vermeidung sozialer Isolation und damit zur Förderung eines gesunden Alterns. Er verfügt über ein Hörscreening-Gerät für den Fall, dass der Verdacht auf Hörprobleme besteht, und fügt hinzu, dass ein Hörtest Teil des Testpakets sein sollte, wenn auf kognitiven Abbau untersucht wird.
Außerdem können die Pflegekräfte in der Klinik überschüssiges Ohrenschmalz bei den Patienten leicht ausspülen. „Die meisten Patienten mit Hörverlust, die ich behandle, können mich in meinem ruhigen Sprechzimmer hören“, erklärt er. „Um eine gute Kommunikation trotz Hörverlust zu gewährleisten, schreibe oder zeichne ich manchmal oder beziehe ein Familienmitglied mit ein.“
Er erinnert sich an ein Baby, bei dem durch das allgemeine Neugeborenen-Hörscreening ein Hörverlust festgestellt wurde. „Die spezialisierte Betreuung durch die Universitätsklinik, einschließlich der bilateralen Cochlea-Implantation und der Nachsorge, war hervorragend. Als Allgemeinmediziner, der der Familie nahe steht, bestand meine einzigartige Rolle darin, ihnen die nötige psychosoziale Unterstützung zu geben und Antworten auf ihre gesundheitsbezogenen Fragen zu geben, während sie diesen Anpassungsprozess durchliefen.“
Kommunikation ist das Herzstück einer effizienten und patientengerechten primären Gesundheitsversorgung. „Ich nenne es das Kommunikationsdreieck: Damit die Versorgung wirklich effizient und ganzheitlich ist, müssen der Patient, der Allgemeinmediziner und der Facharzt die gleiche Sprache sprechen“, sagt er.
Unterstützung durch WHO/Europa
Ohren- und Hörprobleme zählen zu den verbreitetsten gesundheitlichen Problemen. Allein in der Europäischen Region der WHO leben etwa 190 Mio. Menschen mit Gehörverlust oder Taubheit. WHO/Europa unterstützt die Länder auch weiterhin bei der Eingliederung einer patientengerechten Ohr- und Hörversorgung in die nationalen Gesundheitssysteme.
Über 60 % der Ohr- und Hörprobleme lassen sich in der primären Gesundheitsversorgung erkennen und behandeln. Die von WHO/Europa geleistete Unterstützung umfasst die Eingliederung der Ohr- und Hörversorgung in die primäre Gesundheitsversorgung sowie die Umsetzung des Ausbildungshandbuchs der WHO mit dem Titel „Primäre ohrenärztliche Versorgung und Hörversorgung“ und der damit verbundenen Ressourcen.
Eine erfolgreiche Integration der Ohr- und Hörversorgung erfordert ein leistungs- und widerstandsfähiges System der primären Gesundheitsversorgung und entsprechende Arbeitskräfte. In seinem Bericht mit dem Titel „Gesundheits- und Pflegepersonal in Europa – Zeit zu handeln“ appelliert WHO/Europa an die Mitgliedstaaten, zehn Maßnahmen zur Stärkung des Gesundheitspersonals durchzuführen, darunter die Ausweitung des Einsatzes digitaler Hilfsmittel zur Unterstützung der Beschäftigten, die Entwicklung von Strategien zur Gewinnung und Bindung von Gesundheitspersonal in ländlichen und entlegenen Gebieten, die Schaffung von Arbeitsbedingungen, die eine gesunde Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ermöglichen, der Schutz der Gesundheit und des seelischen Wohlbefindens der Beschäftigten und die Optimierung des Mitteleinsatzes durch innovative Personalpolitik.