Als Dr. Liliana Voloceai einer älteren Patientin mit Gebärmutterhalskrebs im fortgeschrittenen Stadium Opioide – oder „Narkotika“, wie sie in der Republik Moldau allgemein genannt werden – zur Schmerzbehandlung verschrieb, sah die Familie der Frau dies als ein Zeichen dafür, dass sie dem Tod nahe war. Doch im Laufe der Zeit kam die Patientin wieder zu Kräften und lebte länger als erwartet. Und das ist kein Wunder, sagt Liliana – so sollte eine hochwertige Palliativversorgung funktionieren.
Angst überwinden: eine große Herausforderung für den Arzt
Die Angst vor dem Einsatz von Opioiden (Opiophobie) gilt in vielen Ländern der Europäischen Region der WHO als ernsthaftes Hindernis für die Behandlung von Schmerzen. Dies ist auch in der Republik Moldau der Fall, wo Liliana, ursprünglich eine onkologische Chirurgin, jetzt als Bezirksonkologin und Spezialistin für die Palliativversorgung im selben Krankenhaus arbeitet.
Liliana begann ihre Arbeit mit Palliativpatienten während der COVID-19-Pandemie. Obwohl sie Onkologin ist, sagt Liliana, dass es eine Weile dauerte, bis sie von der Verschreibung starker Opioide überzeugt war. Dies sei für jeden Arzt, der in diesem Bereich zu arbeiten beginnt, eine Herausforderung, sagt sie.
„Schmerz löst in uns allen eine Urangst aus. Aber für Patienten, die mit ständigen Schmerzen zu kämpfen haben, hört die Angst damit nicht auf. Sie können auch Ängste entwickeln, wenn Änderungen im Hinblick auf ihre bewährten Schmerzmittel vorgenommen werden, selbst wenn diese Änderungen der Optimierung ihrer Behandlung dienen sollen“, fügt Liliana hinzu.
Sie ist eine der Gesundheitsfachkräfte, die in der Republik Moldau eine Weiterbildung in der Palliativversorgung auf der Grundlage der von der WHO empfohlenen Praktiken erhalten haben. Sie ist der Meinung, dass die emotionale Komponente das heikelste Element ist, wenn es um die wirksame Behandlung von Schmerzen geht.
„Ärzte müssen sehr vorsichtig sein, wenn sie ihren Patienten die Einnahme von Opioiden vorschlagen. Das Stigma, das diesen Medikamenten anhaftet, kann sowohl bei Patienten als auch bei Ärzten Ängste und Sorgen auslösen. Für diejenigen, die gerade erst anfangen, den Einsatz von Opioiden zu beherrschen, kann der Prozess Ängste und sogar ein Gefühl der Gefahr hervorrufen“, fügt Liliana hinzu.
Eindeutige Vorteile starker Opioide
Starke Opioide rufen oft Ängste und negative Assoziationen hervor, die nur schwer zu überwinden sind – obwohl es eindeutige Evidenz dafür gibt, dass Opioide anwendungssicher sind und effizient wirken. Bei richtiger Anwendung helfen starke Opioide nicht nur bei der Behandlung von Schmerzen und anderen lästigen Symptomen, sondern machen nachweislich auch weniger süchtig als Tabak oder Schlaftabletten. Studien zeigen, dass starke Opioide das Leben nicht verkürzen und auch bei langfristiger Einnahme weiterhin Schmerzen wirksam behandeln.
Genau das war bei Lilianas Patientin der Fall. Als die Frau begann, die richtigen Medikamente zur richtigen Zeit und in der richtigen Dosis einzunehmen, wurden ihre Schmerzen gelindert. Ihr Appetit kehrte zurück, sie begann wieder gut zu schlafen und ihre Lebensqualität verbesserte sich.
Schmerzen sollten immer behandelt werden
Für Liliana zeigt diese Geschichte deutlich, wie wichtig die Palliativversorgung ist. Der Ansatz ist patientenorientiert und konzentriert sich in erster Linie auf das Wohlbefinden und die Verbesserung der Lebensqualität von Menschen, die an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leiden.
„Die Palliativversorgung ist ein aktiver Pflegeansatz, der darauf abzielt, die Lebensqualität der Patienten, ihrer Familien und von Betreuungspersonen zu verbessern. Bei der Palliativversorgung geht es nicht um den Tod, sondern um ein gutes Leben bis zum Tod. Sie kann und sollte zusammen mit einer kurativen Behandlung angeboten werden“, erklärt Dr. Julie Ling, Geschäftsführerin der European Association of Palliative Care.
„Palliativversorgung ist nicht nur für Menschen mit Krebs gedacht. Sie befasst sich mit Leid, das durch jegliche schwere Gesundheitsprobleme bedingt ist. Die Palliativversorgung betrachtet den Patienten als Ganzes und geht auf die Symptome ein, seien sie körperlicher, psychologischer, sozialer oder spiritueller Art.“
Die Palliativversorgung in der Republik Moldau entwickelt sich, aber es gibt noch viel ungedeckten Bedarf. Trotz der Einführung des ersten Protokolls für die Behandlung krebsbedingter Schmerzen im Jahr 2010 ist der Zugang zu Opioiden und deren Einsatz nach wie vor sehr begrenzt. Viele Gesundheitsfachkräfte haben noch immer Bedenken bezüglich ihres Einsatzes.
„Für mich persönlich war es am schwierigsten, mit der Anwendung von Pflastern auf Opioidbasis zu beginnen. Sie sind zwar eine wirksame Schmerztherapie, aber sie funktionieren ganz anders als die Injektionen, die in der Republik Moldau seit vielen Jahren verwendet werden“, sagt Liliana. „Ich bin den Patienten dankbar für das Vertrauen, das sie in mein Wissen und meine Erfahrung mit der Verschreibung starker Opioide gegen ihre Schmerzen haben. Es ist sehr befriedigend zu sehen, dass ihre Schmerzen unter Kontrolle sind, denn das bedeutet, dass sie eine bessere Lebensqualität genießen können.“