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Ein Licht in der Dunkelheit: Palliativversorgung in einem dänischen Hospiz

Am Weltkrebstag, dem 4. Februar 2024, stellt WHO/Europa die Palliativmedizin in den Mittelpunkt.

2 February 2024

Arresødal im Norden der Insel Seeland hat seinen Namen von dem nahe gelegenen Arresø – das dänische Wort „sø“ bedeutet See. Hier leben seit etwa 5300 v. Chr. Menschen. Zu den Entdeckungen von Archäologen gehört eine Urne von etwa 2800 v. Chr. Zwischen dem Westufer des Sees und dem Schloss haben alte Eichen die Zeit in einer Landschaft überdauert, die Dänen wahrscheinlich als hügelig bezeichnen würden, da der größte Teil des Landes als flach gilt. An den ersten Tagen des Jahres 2024 sind das Hospiz in Arresødal und sein Spielplatz mit Schnee bedeckt, der das trübe Licht des späten Nachmittags glitzern lässt.

„Alle Patienten, die zur Palliativversorgung aufgenommen werden, sind Erwachsene, aber wir haben oft Kinder hier, die die Patienten besuchen, und die machen gerne mal eine Pause und gehen auf den Spielplatz“, erklärt Rikke Maaløe, eine Anästhesistin, die das Hospiz kommissarisch leitet. In einem der vielen Wohnzimmer, die es überall im Hospiz gibt, erklärt Rikke ihre Entscheidung, von einem Krankenhaus in ein Hospiz zu wechseln.

„Als ich meine Stelle im Krankenhaus aufgab, konnten es meine Kollegen nicht fassen, dass ich in einem Hospiz arbeiten wollte. Sie stellten sich einen traurigen Ort vor, den die Patienten nur in einem Sarg verlassen, und überall weinende Angehörige. Aber um ehrlich zu sein, ist dies der Ort, an dem ich in meiner langen Karriere als Ärztin am meisten gelacht und geweint habe – mit Kollegen, Patienten und ihren Angehörigen.“

Unterstützung für die Patienten bis zum letzten Atemzug

Nach Sonnenuntergang sind die alten Bäume und das Hospiz in die eisige Dunkelheit des skandinavischen Winters gehüllt. Das einzige Licht, das leuchtet, kommt aus dem Inneren des Hospizes, wo Krankenschwester Inge Sadowsky zusammen mit ihren Kollegen die abendliche Medikamentenrunde vorbereitet. Die Medikamente für jeden Patienten werden in einem gesicherten Raum verabreicht, der rund um die Uhr für alle Pflegekräfte zugänglich ist, sodass die Patienten immer Hilfe erhalten.

„Wir versuchen, immer einen Tag nach dem anderen zu nehmen. Man könnte sogar sagen, Stunde für Stunde. Aber wir versuchen, das Beste daraus zu machen. Für mich ist es ein großes Privileg, diese Arbeit machen zu können. Den Patienten jeden Tag zu helfen, gibt meinem Leben einen Sinn“, meint Inge.

Wenn ein Patient in ein Hospiz überwiesen wird, überträgt sich damit auch die Verantwortung für die Behandlung. Die Schmerzlinderung ist ein wesentlicher Aspekt der Palliativmedizin, der häufig den Einsatz von Opioiden erfordert, und alle Ärzte im Hospiz sind befugt, ihren Patienten Opioide zu verschreiben. 

„Lebensqualität ist untrennbar mit einem schmerzfreien Leben und mit Linderung auf allen Ebenen verbunden“, sagt Inge. „Wenn wir die Opioide nicht hätten, wäre die Schmerzlinderung am Ende des Lebens, um es ganz offen zu sagen, sehr schwierig. Es kommt natürlich vor, dass Menschen unter Schmerzen leiden, die wir nicht lindern können. Nachdem ich das gesehen habe, habe ich keinen Zweifel daran, wie wichtig Opioide für die Bewältigung von Schmerzen und anderen Symptomen und für einen würdigen Tod sind.“

Pflege und Mitgefühl

Der dänische Staat definiert den Begriff „Hospiz“ als eine Einrichtung, die unheilbar kranken Menschen Palliativversorgung, Mitgefühl und Lebensqualität bietet. Die Unterbringung in einem Hospiz ist kostenlos und wird aus Steuergeldern finanziert. Neben dem Hospiz Arresødal auf Dänemarks größter Insel gibt es noch 18 weitere Hospize, die über das ganze Land verteilt sind und die insgesamt 5,9 Mio. Einwohner versorgen.

Wenn neue Patienten nach Arresødal kommen, füllen sie zusammen mit einem Mitarbeiter einen Fragebogen über Lebensqualität aus. Dies dient den Angehörigen der Gesundheitsberufe als Instrument zur Bewertung der Erfahrungen und Bedürfnisse der Patienten in der Palliativversorgung. Um die Pflege und die Dienstleistungen zu verbessern, werden die Patienten gebeten, während ihres Aufenthalts in Arresødal den Fragebogen nach Möglichkeit alle zwei Wochen auszufüllen.

Rikke und ihre Kollegen füllen Formulare aus und führen Buch über den Opioidkonsum der einzelnen Patienten; dabei vermerken sie, ob die Opioide bei der Behandlung ihrer Symptome wirksam sind.

„Wir legen keinen übermäßigen Wert darauf, wie viel Schmerzmittel wir verschreiben. Wir interessieren uns nur dafür, ob es funktioniert und ob es dem Patienten gut geht. Davon hängt ab, welche Opioide wir verschreiben und in welcher Menge. Der Schwerpunkt sollte darauf liegen, ob unsere Patienten das bekommen, was sie brauchen. Vielleicht brauchen manche zwei Tabletten, und andere 20. Es gibt da kein Richtig oder Falsch. Falsch ist, wenn eine Person, die 20 Tabletten braucht, nur zwei bekommt.“

„Das Leben ist ein Geschenk“

Doch zur Versorgung gehört mehr als die Verschreibung und Verabreichung von Medikamenten. Inge erklärt Sinn und Bedeutung von Mitgefühl und Fürsorge.

„Einer der größten Unterschiede zwischen der Arbeit hier und der in einem Krankenhaus ist, dass wir nicht darum kämpfen, den Menschen zum Überleben zu verhelfen. Wir wissen, dass sie sich im letzten Kapitel ihres Lebens befinden, und können uns daher auf die Lebensqualität konzentrieren“, sagt sie und fügt hinzu: „Wenn ich neue Patienten begrüßt und alles über die Medikamente erfahren habe, die sie einnehmen, biete ich ihnen oft ein Glas Rotwein an. Es geht darum, die Lebensqualität zu verbessern und den Patienten zu helfen, die verbleibende Zeit ihres Lebens zu genießen.“

Neben Fachärzten, Pflegekräften, Physiotherapeuten und Sozialarbeitern arbeiten in Arresødal auch 40 Freiwillige mit. Sie organisieren Konzerte für die Patienten und sorgen dafür, dass sie bei Bedarf jemanden zum Reden haben. Sie helfen sogar bei der Zubereitung des Abendessens und teilen manchmal den Tisch mit einem oder mehreren Patienten. Wenn ein Patient seinen letzten Atemzug tut, wird am Haupteingang des Hospizes eine Kerze angezündet.

„Sie soll nicht nur symbolisieren, dass ein Patient gestorben ist, sondern dient auch dazu, diese Person zu ehren und an die zu gedenken, die noch am Leben sind; sie unterstreicht, dass das Leben ein Geschenk ist“, sagt Inge, bevor sie die Kerze ausbläst und sich wieder ihrer Arbeit zuwendet, um Trost und Linderung zu spenden.