Viatcheslav Grankov, von Beruf Arzt, war über 15 Jahre lang als Mediziner und Gesundheitsmanager tätig, als er beschloss, noch einen Master-Abschluss im Fach Öffentliche Gesundheit zu machen. Diese Entscheidung führte ihn in die malerische Kleinstadt Lund in Südschweden. Nach einigen Windungen und Wendungen nahm er 2016 eine Position im WHO-Länderbüro in Minsk (Belarus) als national angeworbener Fachreferent für den Bereich übertragbare Krankheiten an, wo er sich schwerpunktmäßig mit HIV, Virushepatitis und Tuberkulose befasst. In seiner Freizeit veranstaltet er Dinnerparties nach allen Regeln der Etikette oder fügt seiner beeindruckenden heimischen Bibliothek ein weiteres Buch hinzu.
Wie sind Sie zur WHO gekommen?
Im Jahr 2015 habe ich ein Praktikum beim WHO-Regionalbüro für Europa in Kopenhagen gemacht, während ich an der Universität Lund meinen Master machte. Das Regionalbüro war über die Øresund-Brücke, die Schweden mit Dänemark verbindet, schnell mit dem Zug erreichbar. Ich habe dort sehr viel über die Arbeit der WHO gelernt und viele Fachkräfte kennengelernt. Das hat mich wirklich inspiriert. Kurz vor meinem Abschluss habe ich mich auf eine Stelle bei der WHO als national angeworbener Fachreferent im Länderbüro in Belarus beworben. Ich habe das Auswahlverfahren durchlaufen und habe die Stelle bekommen! Ich arbeite nun seit fünf Jahren im Länderbüro und habe meine Entscheidung nie bereut. Ich bin sehr stolz, Teil der WHO sein, und das sage ich, ohne überheblich klingen zu wollen. Ich liebe meinen Job und gehe ganz in der Arbeit, die wir leisten, und in der Vision und den Werten der WHO auf.
Wie wirkt sich Ihre Arbeit auf andere aus?
Wenn man im medizinischen Bereich tätig ist, kann man natürlich im Leben einzelner Patienten viel Positives bewegen, was äußerst befriedigend ist. Doch an einem bestimmten Punkt kam ich zu dem Schluss, dass es noch so viele andere Faktoren im Bereich der öffentlichen Gesundheit gibt, die von großer Bedeutung sind. Wie das Gesundheitssystem organisiert ist, wie es funktioniert, wie es finanziert wird, wie die Leistungserbringung abläuft usw. All diese Faktoren haben Einfluss darauf, inwiefern Ärzte in der Lage sind, ihre Arbeit zu leisten, wie auch auf die Patientenversorgung und das Leben der Familien von Patienten. Als Beschäftigter im öffentlichen Gesundheitswesen hat meine Arbeit auf breiterer Ebene – also auf nationaler, regionsweiter und globaler Ebene – Auswirkungen auf Bevölkerungen und sorgt bei so vielen Menschen für positive Veränderungen.
Nennen Sie uns ein Beispiel.
Vor nicht allzu langer Zeit war die antiretrovirale Therapie für HIV-Patienten keineswegs allgemeingültige Praxis in Belarus, das heißt, nur wenige Menschen hatten Zugang zu dieser Behandlung. Dann wurde ein neues Konzept in Belarus eingeführt, in Einklang mit den Empfehlungen der WHO bezüglich der Behandlung aller bedürftigen Patienten – und diese Änderung bedeutete, dass plötzlich Tausende Zugang zu dieser Therapie erhielten. Das ist es, was ich meinte, als ich von einer größeren Wirkung sprach. Und die Behandlung von HIV-Patienten ist nur ein Beispiel von vielen. Seit einigen Jahren schon bieten wir für Menschen mit Hepatitis C eine kostenlose, staatlich finanzierte Behandlung an. Diese Krankheit kann zu schweren Leberschäden führen, doch mit einer dreimonatigen Behandlung kann sie vollständig geheilt werden, was den Patienten ermöglicht, die Krankheit komplett hinter sich zu lassen. Dank eines entsprechenden Handlungskonzepts wurden seit 2018 über 10 000 Menschen erfolgreich behandelt, das heißt, sie laufen nicht länger Gefahr, Leberzirrhose oder Leberkrebs zu entwickeln oder die Krankheit auf andere zu übertragen. Momente wie dieser sind sehr wichtig. Und es geht nicht allein um den Zugang zu einer Behandlung, sondern auch um das Bestreben, dass Patienten Zugang zur bestmöglichen Behandlung erhalten.
Wir haben bereits über eine bessere Gesundheit für andere Menschen gesprochen, doch was ist mit Ihnen? Wie halten Sie sich gesund?
Es lässt sich wohl schwer vermeiden, sich der Empfehlungen, die wir bei der WHO ausgeben, auch selbst bewusst zu sein. Obst, Gemüse, eine ausgewogene Ernährung, Sport ... und ich habe nie in meinem Leben geraucht oder gar eine Zigarette probiert. Ich hatte einfach nie Verlangen danach. Ich versuche, nachts ausreichend und erholsam in einem abgedunkelten Schlafzimmer zu schlafen. Dies sind natürlich sehr grundlegende, nahezu langweilige Tipps. Und ich bin zwar kein Läufer, aber ich genieße es, Spaziergänge zu machen. Und seit einiger Zeit ist mir aufgefallen, dass ich offenbar sehr schnell gehe. Meine Familie und Freunde beschweren sich oft bei mir und fragen mich, warum ich so schnell gehe, ich solle doch langsamer machen. Es war mir nicht einmal bewusst. Ich habe kürzlich etwas sehr Interessantes zu diesem Thema gelesen – offenbar gibt es Studien, die besagen, dass die Gangart eines Menschen sehr viel über seine Persönlichkeit aussagt. Schnelle Geher gelten offenbar als extrovertiert, gewissenhaft und abenteuerlustig. Ich habe wirklich keine Ahnung, ob das stimmt, aber ich finde es lustig und es trifft in jedem Fall auf mich zu.
Womit laden Sie Ihre Akkus für Ihr schnelles Gehen wieder auf?
Neben Aktivitäten, die einem Kraft geben und Sinn stiften, geht es im Leben auch darum, Dinge zu tun, die einem Freude bereiten, und darum, positiv zu bleiben und für jeden Tag dankbar zu sein. Das klingt nach großen, großspurigen Worten, aber wenn man seine Tage mit bejahendem, positivem Denken anreichert, hat dies wirklich Auswirkungen auf die eigene Einstellung. Ich versuche, dies aktiv jeden Tag zu tun. Die englische Redensart „stop to smell the roses“ hat großen symbolischen Wert: es geht darum, sich einen Moment Zeit zum Innehalten zu nehmen und sich der schönen Dinge im Leben bewusst zu sein.
Zudem habe ich zwei große Leidenschaften: Lesen und die Ausrichtung von Dinnerparties. Letztere hat während der Pandemie natürlich enorm gelitten. Ich habe eine sehr umfangreiche Bibliothek zu Hause. Ich sammele schon mein ganzes Leben lang Bücher – auf Englisch, Französisch, Russisch und Belarussisch, alles ab dem 17. Jahrhundert – und ich hoffe, dass ich irgendwann die Zeit finden werde, sie zu katalogisieren. In gewisser Weise ist es wie eine Obsession, aber andererseits ist es ja nicht schädlich. Und meine Bibliothek ist auch für meine zweite Leidenschaft sehr nützlich: Dinnerparties. Ich liebe es, den Tisch nach allen Regeln der Etikette zu decken, edles Porzellan und Besteck, edle Gläser und Namensschilder zu verwenden, mehrere Gänge aufzutischen – das ganze Programm. Es ist viel Arbeit, aber es macht eine Menge Spaß. Mein Lieblingsgericht, das ich sehr häufig zubereite, ist Waldpilzsuppe. Es ist vorzüglich und schmeckt sowohl Fleischessern als auch Vegetariern. Für meine Dinnerparties wähle ich normalerweise ein Motto aus den Büchern in meiner Bibliothek aus, stelle einige von ihnen thematisch passend aus und bereite ein Quiz vor, das als Gesprächsgrundlage dient.
Das wirft zwei naheliegende Fragen auf: Erstens, welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Es heißt „Lady in Waiting“ von Anne Glenconner – ein Buch, von dem wohl niemand erwartet hat, dass es ein Bestseller wird. Sie war Prinzessin Margarets Hofdame. Es ist eine außergewöhnliche Geschichte über ihr Leben, die britische Königsfamilie, aber auch über ihre persönlichen Schicksale. Sie hatte kein gewöhnliches Leben und hat unglaubliche Dinge erlebt. Es war auch sehr interessant, viele gesundheitsbezogene Themen in diesem Buch zu entdecken, etwa HIV, Hepatitis C, Drogensucht, Methadon-Substitution, psychische Gesundheitsprobleme... Das Buch war absolut faszinierend und ich konnte es nicht zur Seite legen.
Und die zweite Frage: Wen würden Sie zu einer Ihrer Dinnerparties zu einer Diskussion einladen?
Ich würde sagen Barack Obama. Ich finde seine Persönlichkeit, wie auch die seiner Frau Michelle, sehr beeindruckend. Ich würde sie beide einladen. Sie erscheinen sehr nahbar und ich glaube, es wäre sehr leicht, sich mit ihnen zu unterhalten, trotz ihrer Berühmtheit. Ich teile ihre Vision und unterstütze ihre ehrliches, offenes Bemühen, Probleme anzugehen wie Diskriminierung, Ungleichheit, Zugang zum öffentlichen Gesundheitswesen für alle Menschen... Ich glaube, wir hätten uns viel zu sagen.
Fakten – WHO-Länderbüro in Belarus
- Zahl der Mitarbeiter: 7
- In Betrieb seit: 1994
- Wichtigste Schwerpunktbereiche: Bekämpfung von COVID-19, nichtübertragbare Krankheiten und Risikofaktoren, etwa Tabak- und Salzkonsum, übertragbare Krankheiten, etwa HIV, Virushepatitis und Tuberkulose, antimikrobielle Resistenz, Impfmaßnahmen, Zugang zu unentbehrlichen Arzneimitteln, Impfstoffen, Diagnostika und Geräten, digitale Gesundheit, Krebsvorsorge, psychische Gesundheit, Gesundheitssysteme, primäre Gesundheitsversorgung
- In Belarus wurden zwei Erhebungen im Rahmen des STEPwise-Konzepts der WHO für die Surveillance (STEPS) zur Prävalenz der wichtigsten Risikofaktoren für nichtübertragbare Krankheiten durchgeführt (2016 und 2020).
- Belarus wurde 2016 mit dem WHO-Zertifikat für die Eliminierung der Mutter-Kind-Übertragung von HIV und Syphilis ausgezeichnet und hat diesen Status seitdem aufrechterhalten.
- 2019 wurde in Belarus das erste WHO-Kooperationszentrum des Landes – das erste WHO-Kooperationszentrum, das sich mit neuen Tuberkulose-Arzneimitteln befasst –eingeweiht und offiziell eröffnet.