Für Patienten im Krankenhaus von Novovolynsk im Westen der Ukraine ist das Geräusch der Alarmsirenen vor dem Hintergrund der militärischen Offensive im Land plötzlich zu einer alltäglichen Realität geworden. Patienten mussten aus einer modernen Einrichtung in einen Luftschutzbunker aus den 1950er Jahren mit rudimentärer Ausstattung verlegt werden, in dem bis zu 300 Menschen Platz finden.
„An nur einem Tag gingen die Alarmsirenen fünfmal los. Unsere Patienten sind meist ältere Menschen und einige von ihnen können sich nur auf Krücken fortbewegen und haben akute gesundheitliche Bedürfnisse. Sie können nicht immer wieder aufs Neue in den Bunker gebracht werden“, erklärt der Leiter des Krankenhauses, Oleh Shypelyk.
Das Krankenhaus ist mit drei Operationssälen ausgestattet. Die Notaufnahme leistet medizinische Regelversorgung und sechs Teams kümmern sich um Verwundete. Jedes Gebäude des Krankenhauses ist mit einem Generator ausgestattet, um eine kontinuierliche Stromversorgung zu gewährleisten.
Das Gesundheitspersonal bereitet sich auf eine Reihe unterschiedlicher Szenarien vor, für den Fall, dass das Krankenhaus zu einem Angriffsziel wird. „Am dringendsten brauchen wir zusätzliche Generatoren, um die Stromversorgung für die COVID-19-Station – Patienten auf dieser Station sollten von anderen Patienten getrennt versorgt werden – und die Entbindungsstation aufrechtzuerhalten – Frauen müssen weiterhin entbinden, ob gerade Krieg herrscht oder die COVID-19-Pandemie“, erklärt Herr Shypelyk.
„Darüber hinaus brauchen wir mindestens zwei Generatoren für den Bunker, denn, falls wir bombardiert werden, sind wir nicht in der Lage, die gesamte Ausrüstung in den Bunker zu transportieren. Ferner brauchen wir zusätzliche chirurgische Ausrüstung. Wenn Krankenhäuser beschossen werden, müssen wir darauf vorbereitet sein.“
„Das Gesundheitspersonal muss geschützt werden, damit sie weiterhin ihrer Arbeit nachgehen und Menschenleben retten können“, erklärt Dr. Jarno Habicht, Repräsentant der WHO in der Ukraine. „Ebenso müssen Gesundheitseinrichtungen geschützt werden und funktionsfähig, sicher und für alle, die einer grundlegenden medizinischen Versorgung bedürfen, zugänglich bleiben.“
Die Sauerstoffversorgung in der Ukraine ist indessen auf einem gefährlichen Tiefstand. Lieferwagen sind nicht in der Lage, Sauerstoffvorräte von Fabrikanlagen in Krankenhäuser im ganzen Land (einschließlich der Hauptstadt Kiew) zu transportieren.
Trotz der Herausforderungen der aktuellen Lage bemüht sich die WHO aktiv um Lösungen, um Lieferungen von Versorgungsgütern auszuweiten. Hierzu zählt voraussichtlich auch die Einfuhr von Sauerstoff (sowohl von Flüssigsauerstoff als auch von Sauerstoffflaschen) aus regionsweiten Netzwerken. Diese Lieferungen werden eine sichere Transportroute erforderlich machen, u. a. durch einen Logistikkorridor über Polen. Ferner ist die WHO darum bemüht, die Lieferung von medizinischen Geräten für die Sauerstoffversorgung und von Versorgungsgütern für die Traumabehandlung aufrechtzuerhalten.
Der Generaldirektor der WHO hat die Freigabe weiterer 3,5 Mio. US-$ aus dem Notfallfonds der WHO für gesundheitliche Notlagen (CFE) angekündigt, um dringend benötigte medizinische Versorgungsgüter anzuschaffen und zu liefern. Auch die humanitäre gesundheitsbezogene Unterstützung der WHO soll nach weiteren Bedarfsanalysen ausgeweitet werden. Damit ergänzt sie die Traumaversorgung und medizinische Hilfslieferungen, deren Bereitstellung in Gesundheitseinrichtungen die WHO bereits unterstützt.
„Wir werden die Menschen in allen Teilen der Ukraine, die von dieser Militäroffensive betroffen sind, weiterhin versorgen und unterstützen“, schließt Dr. Habicht. „Gesundheit für alle Menschen, unter allen Umständen, steht im Zentrum unserer Mission und unseres Mandats.“