WHO / Ministry of Social Affairs of Estonia
© Credits

Förderung des Stillens und der Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben für Eltern in Estland: Flexibilität ist entscheidend

1 August 2023
Pressemitteilung
Reading time:
Die in Estland erzielten Fortschritte bei der Unterstützung von erwerbstätigen Eltern mit Säuglingen ist ein inspirierendes Beispiel dafür, wie sich im Hinblick auf die chancengleiche Aufteilung der Fürsorgeverantwortung zwischen Müttern und Vätern ein Gleichgewicht erzielen und gleichzeitig das ausschließliche Stillen Neugeborener während der ersten sechs Lebensmonate fördern lässt. Im Rahmen der Weltstillwoche beleuchtet WHO/Europa das System der Elternbeihilfe in Estland, das Frauen beim Stillen am Arbeitsplatz unterstützt.

Stillen in der heutigen, oft hektischen Zeit

Stillen gewährleistet den besten Start ins Leben. Muttermilch ist das ideale Nahrungsmittel für Säuglinge und gewährleistet das Wachstum und die Entwicklung des Kindes. Zudem senkt sie das Risiko des Kindes, im späteren Leben an Adipositas und anderen nichtübertragbaren Krankheiten zu erkranken. Ausschließliches Stillen in den ersten sechs Lebensmonaten eines Kindes und die Fortsetzung des Stillens neben angemessener Zufütterung für bis zu zwei Jahre und darüber hinaus hat langfristige positive Auswirkungen auf Säugling und Mutter.

„Mütter bei der Rückkehr ins Arbeitsleben und der Fortsetzung des Stillens zu unterstützen, ist entscheidend für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Mutter und Kind. Arbeitgeber, Politiker und die Gesellschaft insgesamt spielen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung, dem Schutz und der Förderung des Stillens“, erklärte Dr. Kremlin Wickramasinghe, Regionalbeauftragter für Ernährung, Bewegung und Adipositas bei WHO/Europa.

Estland ist eines der Länder in der Europäischen Region der WHO, das über gute Praktiken verfügt und eindeutige, einfache Regeln für die Unterstützung von Müttern bei der Fortsetzung des Stillens im Job entwickelt hat, und dient damit als ermutigendes Beispiel für andere Länder.

Unterstützung des Stillens am Arbeitsplatz – das estnische Modell

In Estland bietet das Gesundheitssystem erhebliche Unterstützung für das Stillen, um so die Gesundheit und Entwicklung von Säuglingen zu fördern. Stillende Mütter erhalten grundlegende Hilfe und Anleitung durch Beratungsgruppen, Schulungen und den Zugang zu Spezialisten.

Arbeitsstätten verfolgen darüber hinaus einen unterstützenden Ansatz für das Stillen, bieten flexible Arbeitszeiten und erleichtern das Abpumpen und die Lagerung von Muttermilch. Arbeitgeber werden dazu ermutigt, ein still-freundliches Umfeld zu schaffen.

Am Arbeitsplatz haben Mütter, die ins Arbeitsleben zurückkehren, bevor ihr Kind 1,5 Jahre alt ist, ein Anrecht auf zusätzliche Pausen für das Stillen. Diese Pausen, die jeweils bis zu 30 Minuten lang sein dürfen, können alle drei Stunden in Anspruch genommen und auch für das Ansammeln von Muttermilch genutzt werden. Bei Bedarf können die Pausen zu Hause oder an einem angemessenen Ort in Anspruch genommen werden. Für Mütter, die zwei oder mehr Kinder im Alter von bis zu 1,5 Jahren stillen, müssen Pausen von mindestens einer Stunde gewährt werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass diese Pausen als Teil der Arbeitszeit angesehen und vom aktuellen Sozialrecht unterstützt werden, das zwischen 2018 und 2022 umfassend aktualisiert wurde.

Zur weiteren Förderung des Stillens hat das Ministerium für Soziales den Estnischen Ausschuss für die Förderung des Stillens einberufen, der entsprechende Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung koordiniert. Mehrere Krankenhäuser haben sich ferner der Initiative Babyfreundliches Krankenhaus angeschlossen, die von der WHO und dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) ins Leben gerufen wurde, um das Stillen zu schützen und zu fördern und ein unterstützendes Umfeld für stillende Mütter zu schaffen.

Im Jahr 2021 konnten 69 % der Säuglinge im Alter von sechs Monaten und 33 % der Kleinkinder im Alter von einem Jahr von den förderlichen Vorteilen des partiellen oder ausschließlichen Stillens profitieren.

Estlands System der Elternbeihilfe: Flexibilität für Mütter und Väter

Die Förderung des Stillens ist ein integraler Bestandteil des umfassenden estnischen Systems der Elternbeihilfe, das auch Mutterschafts-, Vaterschafts- sowie gemeinsamen Elternurlaub umfasst, die sich zusammengenommen auf 605 Tage summieren. Einige der zentralen Merkmale dieses Systems:
  • Mutterschaftsgeld und -urlaub werden für erwerbstätige Mütter ab 70 Tage vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin gewährt.
  • Väter haben Anspruch auf Elternurlaub von bis zu 30 Arbeitstagen, der durch ein Elterngeld ergänzt wird.
  • Das Konzept des gemeinsamen Elterngeldes ist eine flexible Option, die es den Eltern ermöglicht, selbst zu entscheiden, wer das Elterngeld erhält. Väter haben nun Anspruch auf Elterngeld, sobald das Kind 31 Tage alt ist, wodurch ihre stärkere Einbindung in die Kinderfürsorge gefördert werden soll. Das gemeinsame Elterngeld kann unter beiden Elternteilen aufgeteilt werden, bis das Kind das dritte Lebensjahr vollendet hat.
„Durch dieses großzügige System des Elternurlaubs und die jüngsten Reformen ermutigt Estland beide Elternteile dazu, sich aktiv in die Fürsorgeverantwortung einzubringen. Dies erhöht nicht nur die Einbindung der Väter, sondern schafft zudem mehr Möglichkeiten für Mütter, ihr Arbeits- und Familienleben miteinander zu vereinbaren“, erklärte Kadri Raid, verantwortlich für den Bereich Familienpolitik im estnischen Ministerium für Soziales.

Deutliche Verbesserungen, wie etwa die Möglichkeit, während der Beziehung von Elterngeld ein Einkommen zu verdienen, und die Einführung des Elternurlaubs, haben zu einer höheren Beschäftigungsquote bei Frauen mit Kindern im Alter unter zwei Jahren und einem erheblichen Anstieg der Zahl der Väter geführt, die Elternurlaub in Anspruch nehmen (die aktuelle Rate liegt bei 17 %).

Blick nach vorn: WHO/Europas Zukunftsvision für das Jahr 2030

Das für die Sonderinitiative für nichtübertragbare Krankheiten und Innovation zuständige Team bei WHO/Europa ist entschlossen, das Stillen in der Europäischen Region als ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit zur allmählichen Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung und der Zielvorgaben für den Bereich nichtübertragbare Krankheiten bis 2030 zu unterstützen, zu schützen und zu fördern.

Während die Europäische Region im Hinblick auf die Förderung des Stillens weiterhin vor einigen Herausforderungen steht, zeigen die Erfahrungen Estlands, dass politische Maßnahmen zu erheblichen Verbesserungen führen können. Durch die Annahme flexibler Systeme für die Elternbeihilfe und die Schaffung unterstützender Umfelder für das Stillen am Arbeitsplatz können die Länder zum Wohlbefinden von Eltern und Kindern gleichermaßen beitragen.