Fehlinterpretationen von Gesundheitsinformationen nehmen während Seuchenausbrüchen und in Katastrophensituationen meist zu und wirken sich oft negativ auf die psychische Gesundheit der Menschen aus, führen zu mehr Impfskepsis und können generell die Gesundheitsversorgung verzögern. So lautet das Fazit einer neuen Untersuchung der WHO.
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass sich die Auswirkungen von Infodemien und Fehlinformationen im Gesundheitsbereich durch Entwicklung rechtlicher Konzepte, Förderung von Aufklärungskampagnen, Verbesserung gesundheitsbezogener Inhalte in den Massenmedien und Verbesserung der digitalen Kompetenz und Gesundheitskompetenz der Bürger erfolgreich bekämpfen lassen.
In der systematischen Übersichtsarbeit über insgesamt 31 veröffentlichte Studien wurden Falschnachrichten, Fehlinformationen, Desinformationskampagnen und Infodemien zu Gesundheitsfragen analysiert. Dabei wurde der Begriff „Fehlinformationen“ als falsche oder ungenaue Informationen mit bewusster Täuschungsabsicht definiert, während der Begriff „Desinformation“ auch irreführende oder tendenziöse Informationen, manipulierte Argumente oder Fakten sowie Propaganda beinhaltet.
Die Autoren sammelten, verglichen und verdichteten diese Evidenz, um so Wege zur Bekämpfung der negativen Auswirkungen falscher gesundheitsbezogener Informationen auf die öffentliche Gesundheit zu ermitteln.
Die Rolle der sozialen Medien bei der Verbreitung von Fehlinformationen
„Twitter, Facebook, YouTube und Instagram spielen eine entscheidende Rolle bei der rasanten und weitreichenden Verbreitung von Informationen“, wie aus der systematischen Übersichtsarbeit hervorgeht. Zu den Auswirkungen von Fehlinformationen in den sozialen Medien gehören negative Folgen wie „eine Zunahme von Fehlinterpretationen wissenschaftlicher Erkenntnisse, eine Polarisierung des Meinungsbildes, wachsende Angst und Panik oder ein schwindender Zugang zur Gesundheitsversorgung“.
Die zunehmende Ausbreitung gesundheitsbezogener Fehlinformationen während gesundheitlicher Notlagen wird durch die leichte Zugänglichkeit von Online-Inhalten, insbesondere auf Smartphones, beschleunigt. „Während Krisen wie Seuchenausbrüchen und in Katastrophensituationen wird durch die Überproduktion von Daten aus vielerlei Quellen, die Qualität der Informationen und die Geschwindigkeit, mit der sich die neuen Informationen ausbreiten, eine Wirkung in sozialer und gesundheitlicher Hinsicht erzeugt.“
Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass die sozialen Medien während Pandemien, humanitärer Krisen und gesundheitlicher Notlagen in zunehmendem Maße Gesundheitsinformationen von unzureichender Qualität verbreiten. Sie stellen fest: „Eine derartige Verbreitung unzuverlässiger Erkenntnisse über Gesundheitsfragen leistet der Impfskepsis Vorschub und begünstigt Behandlungen, deren Wirkung nicht nachgewiesen ist.“
Bekämpfung von Fehlinformationen im Internet
Vier der in dem Papier untersuchten Studien befassten sich mit dem Anteil gesundheitlicher Fehlinformationen in den sozialen Medien und kamen zu dem Ergebnis, dass er bei Posts zum Thema Impfungen bis zu 51%, beim Thema COVID-19 bis zu 28,8% und beim Thema Pandemien bis zu 60% betrug. Von den YouTube-Videos über neue Infektionskrankheiten enthielten 20% bis 30% ungenaue oder irreführende Informationen.
Experten und Gesundheitsfachkräfte sind besonders gut in der Lage, Fehlinformationen zu widerlegen und die Nutzer auf evidenzbasierte Informationsquellen zu verweisen. Zu den Gegenmaßnahmen gehören Sensibilisierungskampagnen für Patienten und Gesundheitspersonal, Plattformen mit evidenzbasierten Daten, die Aufnahme wissenschaftlicher Erkenntnisse in gesundheitsbezogene Inhalte in den Massenmedien sowie Anstrengungen zur Verbesserung von Medien- und Gesundheitskompetenz.
„Die Förderung und Verbreitung vertrauenswürdiger Gesundheitsinformationen ist für Regierungen, Gesundheitsbehörden, Forscher und Kliniker von entscheidender Bedeutung, wenn sie gegen in den sozialen Medien verbreitete falsche oder irreführende Gesundheitsinformationen die Oberhand gewinnen wollen“, so die Autoren der Übersichtsarbeit. Ferner wird darin hervorgehoben, dass Kanäle auf den sozialen Medien auch dazu genutzt werden können, falsche oder irreführende Informationen zu widerlegen, dass aber möglicherweise weitere Untersuchungen erforderlich sind, um das beste Format für eine solche Öffentlichkeitsarbeit zu finden und zu bestimmen, welche Kanäle bei bestimmten Bevölkerungsgruppen und unter bestimmten geografischen und kulturellen Rahmenbedingungen am besten funktionieren.
Auswirkungen von Fehlinformationen im Internet auf das Gesundheitsverhalten
Die systematische Übersichtsarbeit kam zu dem Ergebnis, dass die Menschen infolge irreführender und falscher Informationen über Gesundheitsthemen in den sozialen Medien während Pandemien, gesundheitlicher Notlagen und humanitärer Krisen in psychischer, sozialer, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht unter Druck geraten.
Doch nicht alle Auswirkungen der sozialen Medien während der COVID-19-Pandemie waren negativ. So wurden in acht Studien positive Resultate berichtet, und einige Studien verwiesen darauf, dass verschiedene Plattformen in den sozialen Medien im Vergleich zu klassischen Modellen der Informationsverbreitung unter den Nutzern erhebliche Verbesserungen von Wissen und Bewusstsein, eine verbesserte Einhaltung gesundheitlicher Empfehlungen und ein günstigeres Gesundheitsverhalten bewirkt hätten.
In dem Papier wird die Rolle der sozialen Medien in Bezug auf Krisenkommunikation und -bewältigung während gesundheitlicher Notlagen anerkannt, aber auch die Notwendigkeit hervorgehoben, der Verbreitung von Fehlinformationen auf diesen Plattformen entgegenzuwirken. So seien Anstrengungen auf kommunaler, nationaler und internationaler Ebene ebenso erforderlich wie weitere Forschungsarbeiten.
„Bei künftigen Forschungsarbeiten müssen die Effektivität und Sicherheit von computergesteuerten Korrekturmaßnahmen und Eingriffen gegen Fehlinformationen, Desinformationskampagnen und Falschmeldungen zu Gesundheitsthemen untersucht und Wege zur Verbreitung gesundheitsbezogener Inhalte auf Plattformen der sozialen Medien ohne verzerrende Nachrichtenübermittlung konzipiert werden.“
Das neue Papier mit dem Titel „Infodemien und Fehlinformationen im Gesundheitsbereich: eine systematische Übersichtsarbeit“ wird im Nachrichtenbrief der Weltgesundheitsorganisation veröffentlicht.