Gemeinsame Erklärung der Europäischen Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Stella Kyriakides, des WHO-Regionaldirektors für Europa, Dr. Hans Henri P. Kluge, und der Direktorin des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, Dr. Andrea Ammon
In der Europäischen Region hat die saisonale Grippeepidemie 2022–2023 begonnen, während gleichzeitig die Besorgnis über die Zunahme der Fälle von respiratorischen Synzytial-Viren (RSV) wächst und die Bedrohung durch COVID-19 fortbesteht.
Die Europäische Region verzeichnet derzeit eine zunehmende Zirkulation von Influenza und RSV. Zusammen mit COVID-19 dürften diese Viren in diesem Winter starke Auswirkungen auf unsere Gesundheitssysteme und auf die Bevölkerung haben. Dies verdeutlicht, wie wichtig es ist, dass sich besonders gefährdete Gruppen gegen Grippe und COVID-19 impfen lassen und dass alle sich selbst und andere vor Infektionen schützen.
Schon jetzt zirkulieren Influenzaviren (Typen A und B) in verschiedenen Teilen der Europäischen Region. Influenza-A-Viren zirkulieren in allen Altersgruppen und vor allem unter Kindern im Schulalter, führen jedoch gewöhnlich bei älteren Menschen und chronisch Kranken zu schweren Krankheitsverläufen.
Seit Oktober steigt die Zahl der Krankenhauseinweisungen aufgrund von Influenza. Fast die Hälfte der gemeldeten Krankenhauseinweisungen aufgrund von Influenza entfallen auf die Altersgruppe über 55 Jahre.
In 23 Ländern, die Daten über schwere akute Atemwegsinfektionen (SARI) melden, wurden die eingewiesenen Patienten überwiegend (85 %) mit Viren des Typs B diagnostiziert, wobei Kinder unter vier Jahren am häufigsten betroffen waren.
Auch RSV sind seit Oktober auf dem Vormarsch: so melden inzwischen etwa 20 Länder und Gebiete eine Intensivierung der RSV-Aktivität.
Die Fall- und Todesfallraten und die Einweisungen in Krankenhäuser oder auf Intensivstationen aufgrund von COVID-19 liegen aktuell im Vergleich zu den vergangenen zwölf Monaten auf einem niedrigen Niveau, doch dies könnte sich bei Auftauchen neuer Varianten ändern, und die Krankheit stellt weiterhin eine Belastung für die Gesundheitssysteme dar.
Angesichts der anhaltenden Folgen der COVID-19-Pandemie sowie der Zirkulation und gesundheitlichen Folgen anderer respiratorischer Erreger lässt sich der Verlauf der aktuellen Wintersaison nur schwer vorhersagen.
Deshalb dürfen wir nicht in Selbstgefälligkeit verfallen. Vielmehr müssen wir in der gesamten Europäischen Region unsere Impfprogramme und Vorsorgemaßnahmen ausweiten. Das Gebot, die Gesundheit unserer Bevölkerung – und insbesondere der gefährdetsten Gruppen – zu schützen, ist so dringend wie eh und je.
Wir ermutigen weiterhin die anfälligsten Gruppen – ältere Menschen, Schwangere, Menschen mit Vorerkrankungen wie Herzkrankheit und Gesundheitsfachkräfte –, sich gegen saisonale Influenza und COVID-19 impfen zu lassen.
Wir können es gar nicht genug hervorheben: Impfungen retten Menschenleben. Sie verringern die Wahrscheinlichkeit einer Infektion und auch das Risiko schwerer Verläufe bei einer Infektion mit COVID-19 und saisonaler Influenza.
Persönliche Schutzmaßnahmen tragen zur Abwehr aller respiratorischen Viren bei: saisonale Grippe, COVID-19 und RSV. Wir appellieren weiterhin dringend an alle, sich durch einfache, aber wirksame Maßnahmen zu schützen: regelmäßiges Händewaschen, Tragen gutsitzender Atemschutzmasken, insbesondere in überfüllten geschlossenen Räumlichkeiten mit unzureichender Belüftung, und Fernhalten von anderen Menschen im Falle einer Atemwegserkrankung.
Außerdem ist es für die Länder wichtig, nicht nur SARS-CoV-2 im Auge zu behalten, sondern auch die Ausbreitung von Influenza und RSV und ihren Einfluss auf Menschen und Gesundheitssysteme. Die Weitergabe dieser Ergebnisse an WHO/Europa und das ECDC trägt zu einem besseren Verständnis der Wirkung mehrerer respiratorischer Viren bei, die gleichzeitig weit im Umlauf sind, aber auch zur weiteren Stärkung unserer Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen.
Wir empfehlen auch Klinikern, für die am stärksten gefährdeten Gruppen eine frühzeitige antivirale Behandlung und Prophylaxe gegen Influenza, RSV und COVID-19 gemäß nationalen Leitlinien in Erwägung zu ziehen, um schwere Krankheitsverläufe zu verhindern und die Belastung für die Gesundheitssysteme zu reduzieren.
Wir können die Herausforderungen dieses Winters nur bewältigen, wenn wir vorbereitet sind, wachsam bleiben und weiter auf bewährte Maßnahmen setzen.
Hintergrundinformationen:
WHO/Europa hat strategische Empfehlungen zum Schutz der gefährdetsten Gruppen vor respiratorischen Viren wie SARS-CoV-2, Influenza und RSV für den Herbst und Winter veröffentlicht. Um den Ländern bei der Vorbereitung ihrer Reaktion auf die zu erwartende Zunahme der Fälle von COVID-19 und Influenza behilflich zu sein, hat die Europäische Kommission auch eine Mitteilung über die Vorbereitungen auf die Herbst- und Wintersaison 2022–2023 veröffentlicht.
In der Europäischen Region wird eine Grippeepidemie ausgerufen, wenn die Zahl der Grippefälle in zwei aufeinander folgenden Wochen höher ist als in der Ausgangssituation bzw. in den Sommermonaten (über 10 % der Patienten mit Atemwegssymptomen, die zu ausgewählten Ärzten gehen und mit einer Grippeinfektion diagnostiziert werden).
Nach dieser Definition begann die Epidemie 2022–2023 in der Woche vom 7. November und wurde in der Woche vom 21. November ausgerufen.
Durchschnittlich erkranken pro Jahr weltweit 5 % bis 15 % der Bevölkerung an Influenza, und gibt es 3 bis 5 Mio. Fälle mit einem schweren Krankheitsverlauf sowie rund 650 000 Todesfälle. Von Letzteren entfallen durchschnittlich etwa 70 000 Fälle auf die Europäische Region der WHO.
RSV ist ein saisonales Virus, das jährlich in Europa auftritt und seinen Höhepunkt meist in den Herbst-, Winter- und Frühjahrsmonaten (Oktober bis April) hat und eine führende Ursache von akuten Infektionen der unteren Atemwege bei Säuglingen und Kleinkindern ist.
Zu den häufigsten Symptomen des RSV gehören Schnupfen, verringerter Appetit, Husten, Niesen, Fieber und Keuchen. Die meisten RSV-Infektionen sind nach einer oder zwei Wochen überstanden, doch kann RSV auch schwere Infektionen wie Bronchiolitis, eine Entzündung der kleinen Atemwege in den Lungen, sowie Lungenentzündungen hervorrufen.
Obwohl RSV-Infektionen für die meisten Kinder fast unvermeidlich sind, sollten doch besondere Anstrengungen unternommen werden, um Frühgeborene und Kinder unter sechs Monaten zu schützen, insbesondere solche mit Lungen- und Herzerkrankungen. Darüber hinaus sind Kleinkinder, die während der COVID-19-Pandemie nicht mit RSV in Kontakt kamen, nun einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt.
Es gibt zugelassene Therapeutika gegen eine schwere RSV-Infektion, und an der Entwicklung von Impfstoffen wird geforscht.