Die Rolle medizinischer Notfallteams bei der gesundheitsbezogenen Reaktion auf den Krieg in der Ukraine

2 June 2022
Pressemitteilung
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Medizinische Notfallteams (EMT) sind eine wichtige Komponente des globalen Gesundheitspersonals. Sie liefern zusätzliche Notfallkapazitäten und Sachkenntnis für die Länder in Reaktion auf Katastrophen und gesundheitliche Notlagen. Die sich aus Ärzten, Pflegekräften, Rettungssanitätern und anderen Gesundheitsfachkräften aus aller Welt zusammensetzenden Teams können schnell eingesetzt werden, um Patienten während Krankheitsausbrüchen oder plötzlich eintretenden Krisensituationen – und jetzt vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine – zu helfen. 

„Die ersten EMT wurden in den ersten Wochen nach der Invasion in die Ukraine und ihre Nachbarländer entsandt“, erläutert Oleg Storozhenko, Ansprechperson für EMT bei WHO/Europa. „Sie wurden in Gesundheitseinrichtungen in Flüchtlingszentren, Einrichtungen der primären Gesundheitsversorgung und Gesundheitsministerien eingebunden. In meiner gesamten Karriere habe ich noch nie eine solch geschlossene und starke Interessenbekundung von EMT-Mitgliedern erlebt, die sich freiwillig für einen Einsatz zur Hilfe der Menschen in der Ukraine melden.“

Ein wesentliches Merkmal von EMT ist ihre Eigenständigkeit – alle Teammitglieder sind vollständig ausgebildet, verfügen über für die jeweilige Situation angemessene Fähigkeiten und bringen ihre eigene Ausrüstung und ihre eigenen Versorgungsgüter mit, um eine zusätzliche Belastung der ohnehin schon stark belasteten nationalen Gesundheitssysteme der Länder zu verhindern, in denen sie eingesetzt werden. 

Zeugen aus der Ukraine und der Republik Moldau


Prof. Johan von Schreeb leitet das Forschungszentrum für Gesundheitsversorgung in Krisensituationen, ein Kooperationszentrum der WHO, und erläutert, inwiefern die EMT die vorhandenen Gesundheitsangebote in der Ukraine ergänzen. „Die Initiative für Medizinische Notfallteams wurde nach dem Erdbeben in Haiti im Jahr 2010 ins Leben gerufen. Mittlerweile ist daraus ein qualitätsgesichertes und koordiniertes weltweites System geworden, ähnlich einer Notrufnummer, die betroffene Länder anrufen können, um bei Bedarf zusätzliche klinische Notfallkapazitäten zu erhalten. Vor dem Krieg verfügte die Ukraine über ein gut funktionierendes Gesundheitssystem, mit vielen gut ausgebildeten Ärzten, doch das System steht aufgrund der steigenden Zahl an Menschen mit komplexen Verletzungen, den Schäden an und den Angriffen auf Gesundheitseinrichtungen, eingeschränkten Versorgungslinien sowie der Vertreibung von Millionen von Menschen unter enormem Druck. Dies bedeutet, dass zusätzliche Unterstützung von EMT erforderlich ist. Sie spielen eine zentrale Rolle, um die Lücken im Gesundheitssystem zu füllen und beim Aufbau ukrainischer Kapazitäten in Reaktion auf diesen Krieg zu helfen.“
 
Dr. Olivier Hagon ist Leiter des spezialisierten EMT für Mütter und Kinder, das von der Humanitären Hilfe der Schweiz entsandt wurde, um das Gesundheitssystem der Republik Moldau zu unterstützen. „Für einen Teil unseres Einsatzes sind wir im Kongresszentrum MoldExpo stationiert, das in eine provisorische Unterkunft für bis zu 450 Flüchtlinge aus der Ukraine umgebaut wurde“, erläutert er. „Wir bieten Gesundheitsleistungen für Mütter, Schwangere und stillende Frauen. Darüber hinaus behandeln wir Kinder, die häufig an Gastroenteritis und Lungeninfektionen leiden. Durch unseren Einsatz hier entlasten wir das nationale Gesundheitssystem und versetzen die Ärzte und Pflegekräfte in der Republik Moldau somit in die Lage, in die Krankenhäuser zurückzukehren, in denen sie ebenfalls gebraucht werden. Zudem spielen wir eine wichtige Rolle beim Kapazitätsaufbau, schulen lokale Medizinstudenten und bringen unsere Fachkenntnisse durch die Ausbildung am Arbeitsplatz ein. Dafür besteht nicht nur gegenwärtig ein Bedarf, sondern es trägt auch dazu bei, dass sie nach dem Ende des Krieges in der Wiederaufbauphase eine aktive Rolle einnehmen können.“ 

Von Anfang Juni an plant das Globale Netzwerk zur Warnung und Reaktion bei Krankheitsausbrüchen (GOARN) die Entsendung eines mobilen Laboratoriums für den Soforteinsatz in die Republik Moldau, um die nationalen Behandlungszentren und EMT bei der Reaktion auf die gegenwärtige Krise zu unterstützen. Das Labor wird die Behandlungszentren mit grundlegender klinischer Diagnostik unterstützen und auf Anfrage Kapazitäten für die Diagnose von Krankheitserregern, von denen das gesamte Gebiet betroffen ist (wie Masern, Polio und COVID-19), bereitstellen.

Die Rolle der WHO in der EMT-Initiative


Die WHO leitet und koordiniert die EMT-Initiative auf der globalen Ebene, wobei mehr als die Hälfte des EMT-Personals in der Europäischen Region der WHO im Einsatz ist. 

Bei gesundheitsbezogenen Krisen unterstützt die WHO die Gesundheitsministerien der betroffenen Länder bei der Koordination der Ankunft, Registrierung, Lizensierung, Aufnahme und Aufgabenzuteilung der EMT, sowie bei ihrer Integration in die bestehenden Gesundheitssysteme, um beim Aufbau nationaler Kapazitäten für die Notfallvorsorge und  reaktion zu helfen.