Marloes Lok
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Sichere und hochwertige Pflege, die zu hoher Patientenzufriedenheit führt: die Vorteile einer Aufwertung der Rolle von Pflegekräften in den Niederlanden

3 January 2024
Pressemitteilung
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„Nurse Practitioners [spezialisierte und akademisch qualifizierte Pflegekräfte mit erweiterten Kompetenzen] kombinieren pflegerische mit medizinischen Fähigkeiten und Kenntnissen und sind so in der Lage, eine ganzheitlichere, integrierte Versorgung für ihre Patienten bereitzustellen“, erklärt Inge Rinzema, eine der über 5000 Nurse Practitioners in den Niederlanden und Vorsitzende des niederländischen Berufsverbands für Pflegefachkräfte (V&VN VS). 

Inge kümmert sich seit 2014 um ältere Erwachsene, hauptsächlich in einem Pflegeheim in der Stadt Groningen, aber auch im Rahmen von Hausbesuchen bei Menschen, die zu gebrechlich sind, um ein Gesundheitszentrum zu besuchen. Zudem berät sie örtliche Allgemeinmediziner. Im Laufe der Jahre hat Inge festgestellt, dass sich die Bedürfnisse ihrer Patienten erheblich verändert haben, was die Alterung unserer Bevölkerung widerspiegelt. 

„Früher war es viel einfacher, in ein Pflegeheim zu ziehen, aber heute muss man schon sehr, sehr gebrechlich sein und einen komplexen Bedarf an medizinischer bzw. pflegerischer Versorgung haben, bevor man dafür in Frage kommt“, sagt sie. „Infolgedessen leben immer mehr ältere Menschen mit medizinischen Problemen zu Hause, und die kommunalen Pflegedienste können mit der Nachfrage nicht Schritt halten. Aus diesem Grund ist der Einsatz von Nurse Practitioners wichtiger denn je.“

Im Pflegeheim betreut Inge 1200 Bewohner und arbeitet in einem Team von 12 Fachärzten, 10 niedergelassenen Ärzten und 7 Nurse Practitioners. Sie ist für die medizinische Behandlung und Betreuung der Bewohner verantwortlich, auch um die geistige Gesundheit und Fitness zu erhalten oder zu verbessern und soziale Aktivitäten zu fördern. 

Bei Bedarf sorgt sie auch dafür, dass die medizinischen Empfehlungen zu einer besseren Lebensqualität beitragen und letztlich den Wünschen der Bewohner entsprechen. Manchmal bedeutet dies, auf bestimmte Behandlungen zu verzichten, wobei die Bedürfnisse und die Sicherheit des Patienten immer an erster Stelle stehen. 

„Als Nurse Practitioner kann ich mehr Zeit mit meinen Patienten verbringen“, hebt Inge hervor. „Ich lerne sie sehr gut kennen und kann daher besser einschätzen, welche pflegerische Versorgung und medizinische Behandlung sie benötigen und wie ich diese in einen Behandlungsplan integrieren kann.“ 

Zu Inges Aufgaben gehören auch die Bereitstellung und Organisation von Palliativversorgung und Sterbebegleitung. Ziel der Palliativversorgung ist die Verbesserung der Lebensqualität und die Linderung von Schmerzen und anderen Symptomen. „Eines der schönsten Dinge an meinem Beruf ist, dass ich die letzte Phase des Lebens eines Patienten so gut wie möglich gestalten kann, um ihm ein würdevolles Sterben zu ermöglichen, ohne Schmerzen, ohne Probleme, ohne langes Leiden. Man hat nur einmal die Gelegenheit, dies für einen Patienten und seine Angehörigen richtig zu handhaben, und als Nurse Practitioner bin ich dazu in der Lage.“

Förderung der Akzeptanz von Nurse Practitioners

Inge ist ein gutes Beispiel für den positiven Unterschied, den Nurse Practitioners machen können, aber es hat lange gedauert, bis die Rolle auf nationaler Ebene eingeführt wurde. Das niederländische Gesundheitsministerium führte die Rolle der Nurse Practitioners 1997 als fortgeschrittene Position für Pflegekräfte ein, um besser auf die wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der Bevölkerung im ganzen Land reagieren zu können. Anschließend führte die Regierung zudem einen Hochschulabschluss ein, um das Fachwissen und die Kompetenz von Nurse Practitioners zu fördern. 

Obwohl es einen nationalen Rahmen gab, gestaltete sich dessen einheitliche Einführung im gesamten Land schwierig. Dies führte dazu, dass Patienten in einigen Regionen des Landes nicht ausreichend mit Nurse Practitioners versorgt waren.

Gründe hierfür waren u. a. Skepsis und Bedenken hinsichtlich der Patientensicherheit, vor allem, da Nurse Practitioners einige Aufgaben übernehmen, die normalerweise von Ärzten ausgeführt werden, wie die Verschreibung von Medikamenten und die Durchführung bestimmter medizinischer Behandlungen. 

Der V&VN VS schlug daher vor, einen neuen Ansatz zu verfolgen und ein landesweites Experiment in Kombination mit einem experimentellen Gesetz durchzuführen, durch das Nurse Practitioners das Recht erhielten, in ihrer erweiterten Rolle im ganzen Land zu arbeiten, allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum von fünf Jahren. Danach sollte eine umfassende Evaluierung vorgenommen werden unter Beteiligung sowohl des V&VN VS als auch der Königlichen Niederländischen Ärztekammer. 

Der daraus resultierende Bericht war positiv und zeigte, dass Nurse Practitioners tatsächlich in der Lage sind, eine sichere und qualitativ hochwertige Versorgung zu leisten, die zu einer hohen Patientenzufriedenheit führt. Der Beruf der Nurse Practitioners etablierte sich, und im September 2018 wurde ihr unabhängiges Berufsrecht gesetzlich verankert.

Auch die Arbeitsbelastung der Ärzte profitiert

Der Einsatz von Nurse Practitioners in diesen Einrichtungen hat einen großen Unterschied gemacht, wie Inges Kollege Arnold Bisschop, ein Arzt für Altenpflege, gerne einräumt. 

„Unsere Organisation war die erste in unserer Region in den Niederlanden, die mit der Beschäftigung von Nurse Practitioners begann, um die Lücke zwischen Pflegekräften und Ärzten zu schließen und ihnen einen Teil der medizinischen Versorgung zu überlassen. Dies erwies sich als eine einmalige Gelegenheit“, erinnert er sich.

„Seitdem sind Nurse Practitioners vollwertige Mitglieder des medizinischen Teams, mit eigener beruflicher Verantwortung und eigenen Patientenstationen. Wir arbeiten zusammen als Team; die Ärzte sind keine Vorgesetzten, sondern Kollegen mit unterschiedlichem Wissen und unterschiedlichen Fähigkeiten. Die klar definierten Fähigkeiten und Zuständigkeiten von Nurse Practitioners bedeuten, dass sich Ärzte und Nurse Practitioners deutlich voneinander abgrenzen und wir daher sehr gerne mit ihnen zusammenarbeiten.“ 

Arnold fasst zusammen: „Durch die Aufnahme von mehr Nurse Practitioners in unser medizinisches Team – sie machen jetzt ein Drittel des Teams aus – konnten wir unser Behandlungsspektrum erweitern und die Versorgungsqualität verbessern.“ 

Angesichts des weit verbreiteten Arbeitskräftemangels in den Ländern trotz der gestiegenen Zahl von Gesundheitsfachkräften suchen die Gesundheitssysteme in der Europäischen Region der WHO nach Lösungen, um Qualifikationen zu maximieren und zu optimieren und so den wachsenden und sich verändernden Gesundheitsbedürfnissen gerecht zu werden, einschließlich der Ungleichheiten beim Zugang zur Versorgung. Die Aufwertung der Rolle von Pflegekräften ist eine Innovation, die dazu beiträgt, Menschen für den Pflegeberuf zu motivieren und zu gewinnen und auch zu halten.

WHO/Europa hat die Bedeutung der Ausweitung der Aufgaben von Pflegekräften für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung erkannt und kürzlich ein Kurzdossier für Regierungen, Politiker und andere Entscheidungsträger veröffentlicht. Darin werden Wege zur Weiterentwicklung der Rollen definiert, die Ergebnisse dieser Entwicklung aufgezeigt und Erfahrungen aus Ländern vorgestellt, die entsprechende Programme eingeführt haben. 

Mehr Pflegekräfte halten

Während viele Länder in der Region Schwierigkeiten haben, genügend Pflegekräfte zu halten oder anzuwerben, kann die Aufwertung ihrer Rollen und Zuständigkeiten zu denen von Nurse Practitioners dazu beitragen, das Personal durch eine sinnvolle berufliche Weiterentwicklung zu motivieren. 

Inge möchte diesen Punkt besonders hervorheben: „Hier in den Niederlanden hat man mit der Bewerbung um eine Weiterbildung zum bzw. zur Nurse Practitioner die Möglichkeit, einen Master-Abschluss zu machen, der vom Staat subventioniert wird. Außerdem gewinnt man dadurch einen neuen, spannenden Beruf, der sowohl die Krankenpflege als auch die Medizin umfasst, mit allen damit verbundenen Befugnissen.“

Leider ist die Zahl der Pflegekräfte, die sich zu Nurse Practitioners ausbilden lassen können, durch die Zahl der verfügbaren subventionierten Studienplätze begrenzt. Derzeit sind dies etwa 450 pro Jahr, was bedeutet, dass die Fachhochschulen in den Niederlanden, die den Masterstudiengang Advanced Nursing anbieten, alle lange Wartelisten von Pflegekräften mit Bachelor-Abschluss haben, die ihren Beruf aufwerten wollen.

„Das ist sehr schade, denn ich glaube, dass die Gesundheitsversorgung im Allgemeinen sehr davon profitieren würde, wenn es viel mehr Nurse Practitioners gäbe“, sagt Inge. „Unsere Organisation [V&VN VS] verfolgt die Vision, dass im Jahr 2030 jeder Patient in den Niederlanden Zugang zur integrierten Pflege und Behandlung durch einen Nurse Practitioner hat.“ 

Aufwertung der Rolle von Pflegekräften in der Europäischen Region der WHO

In der gesamten Europäischen Region erweitern viele Länder die Rolle und Zuständigkeiten von Pflegekräften, u. a. durch die Einführung der Rolle der Nurse Practitioners, um Innovation in die Gesundheitssysteme zu bringen, den Zugang zur Pflege zu verbessern und bessere gesundheitliche Resultate bei gleichzeitiger Kostensenkung zu erzielen.  

Auch wenn die Art dieser neuen Rollen je nach Kontext des jeweiligen Landes variiert, so weisen sie doch in der Regel die gemeinsamen Merkmale eines erweiterten Fachwissens, der Fähigkeit, komplexe Entscheidungen zu treffen, und erweiterter Bereiche der klinischen Praxis auf.