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Dr. Olha Kompaniiets ist nun in Polen als Ärztin tätig.
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WHO hilft ukrainischen Gesundheitsfachkräften dabei, das polnische Gesundheitssystem zu unterstützen, während sie darauf warten, nach Hause zurückzukehren

3 April 2023
Pressemitteilung
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Ukrainische Flüchtlinge leisten während ihres Aufenthalts in Polen einen wertvollen Beitrag zum nationalen Gesundheitssystem. 

Im Februar 2022 überquerten im Rahmen der größten Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg Millionen von Flüchtlingen die westliche Landesgrenze nach Polen. Über ein Jahr später hält sich in Polen nach wie vor die größte Anzahl ukrainischer Flüchtlinge auf: 1,5 Mio. wurde vorübergehender Schutz gewährt. 

Auch wenn die polnische Regierung und das polnische Volk ihre Nachbarn herzlich aufgenommen haben, hat die Situation infolge des erhöhten Bedarfs an Leistungen zu einer erheblichen Belastung für das Gesundheitssystem geführt, insbesondere mit Blick auf die Personalausstattung. 

Während viele ukrainische Gesundheitsfachkräfte das System gerne unterstützen würden, sehen sie sich großen Hindernissen gegenüber, wie etwa fehlende polnische Sprachkenntnisse und die unterschiedlichen Qualifikationen, die erforderlich sind, um im polnischen Gesundheitssystem arbeiten zu können. Um dem abzuhelfen, arbeitet die WHO eng mit dem polnischen Gesundheitsministerium zusammen und leistet Unterstützung und Orientierungshilfe, um qualifizierten ukrainischen Gesundheitsfachkräften zu ermöglichen, ihre Fähigkeiten und ihre Ausbildung im nationalen Gesundheitssystem anzuwenden. 

Dr. Olha Kompaniiets ist Nierenfachärztin, die vor dem Krieg in der Ukraine im Institut für Nierenerkrankungen in Kiew tätig war. Sie lebte zusammen mit ihrem Ehemann, ebenfalls Arzt, und ihrem 17-jährigen Sohn. Als der Krieg begann, wurde ihr Mann umgehend in die Armee eingezogen, um dort als Chirurg zu dienen. Mit ihrer 23-jährigen Tochter, die bereits in Krakau lebte, und ihrem Sohn beschloss sie, am 1. März 2022 einen Evakuierungszug zu besteigen. 

Die Reise war sehr mühsam. Als Dr. Kompaniiets in Polen ankam, stellte sie fest, dass sie zwar körperlich gesund und sicher war, dass jedoch die Belastung der Reise, ihre Sorge über die Lage in der Ukraine und die Belastung durch die Anpassung an ihre neuen Umstände Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit hatte. 

Sie nahm professionelle Hilfe von Fachkräften für psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung sowie Freiwilligen in Krakau in Anspruch, die ihr halfen, ihre Erfahrungen zu verarbeiten und sich einen neuen Bewältigungsmechanismus anzueignen, der auf die Selbstentwicklung ausgerichtet ist.

Das Programm für psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung half Dr. Kompaniiets, besser mit ihren neuen Umständen zurechtzukommen, und motivierte sie, die polnische Sprache zu lernen und die notwendigen Formalitäten zu erledigen, die erforderlich sind, um im Land als Ärztin praktizieren zu dürfen. Sie bewarb sich um eine temporäre medizinische Zulassung, die in Polen für Gesundheitsfachkräfte angeboten wird. In der Zwischenzeit begann sie, Polnisch zu lernen, und fand Arbeit als administrative Hilfskraft in einer Klinik in Limanowa, die es ihr ermöglichte, die medizinische Terminologie zu lernen.  

Den Prozess zu verstehen, um sich im polnischen Gesundheitssystem um eine temporäre medizinische Zulassung zu bewerben und die notwendigen Formalitäten zu erledigen, kann für diejenigen, die ihre medizinische Qualifikation außerhalb der Europäischen Union (EU) erworben haben, eine Herausforderung sein. Die WHO hat gemeinsam mit den polnischen Behörden eine Informations-Hotline eingerichtet, die sich an Ärzte, Zahnärzte und Pflegekräfte richtet, die ihre Qualifikationen in Ländern außerhalb der EU (einschließlich der Ukraine) erworben haben. 

Die Hotline bietet umfassende Informationen zum Erwerb einer temporären medizinischen Zulassung und unterstützt zudem ukrainische Flüchtlinge dabei, sich im Gesundheitssystem zurechtzufinden, indem sie eindeutige Anleitungen gibt, wie man in Polen Zugang zu Behandlungen und Arzneimitteln erhält. 

Darüber hinaus hat die WHO mit dem Gesundheitsministerium und dem Zentrum für die Postgraduiertenausbildung in Warschau kooperiert und einen kostenlosen Online-Kurs entwickelt, der grundlegende Informationen über das nationale Gesundheitssystem für ukrainische Ärzte und Zahnärzte vermittelt. Der Kurs ist ein wichtiges Tool, um medizinisches Fachpersonal aus der Ukraine in die Lage zu versetzen und dabei zu unterstützen, sich erfolgreich in das polnische System zu integrieren. Der Mechanismus hat sich als erfolgreich erwiesen, und die WHO entwickelt derzeit weitere Online-Kurse, um ukrainische Gesundheitsfachkräfte zu unterstützen.

Dr. Kompaniiets wurde im letzten November in die regionale Ärztekammer in Tarnów aufgenommen. Seitdem arbeitet sie neben polnischen Kollegen in der Abteilung für Innere Medizin und Nephrologie im St. Lukas-Krankenhaus der Woiwodschaft. Ihre Professionalität und ihre Erfahrungen haben das Management beeindruckt.  

Anna Czech, Direktorin von St. Lukas, erzählt: „Für uns steht das Wohlbefinden unserer Patienten an erster Stelle. Wir können bei unserem hohen Behandlungsstandard keine Zugeständnisse machen. Wir sind bei der Einstellung neuer Mitarbeiter durchaus offen, doch ist es Voraussetzung, dass die betreffende Fachkraft nicht nur mit ihrem eigenen Fachgebiet, sondern auch mit polnischen medizinischen Verfahren und der polnischen Sprache vertraut ist. Dr. Kompaniiets leistet gute Arbeit.“  

Dr. Kompaniiets hat auch von der Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit profitiert. „Ich bin wirklich sehr glücklich, dass ich nach monatelanger Warterei endlich wieder in meinem Beruf arbeiten kann. Das Leben in Polen ist sehr gut. Die Menschen hier sind sehr freundlich, und meine Zusammenarbeit mit den polnischen Ärzten und Pflegekräften läuft wirklich außergewöhnlich gut“, erklärt sie.

„Natürlich möchte ich nach Kiew zurückkehren, sobald der Krieg beendet ist. Wenn ich dorthin zurückgekehrt bin, würde ich gerne all die Menschen, die mir und meiner Familie hier in Polen in diesen schwierigen Zeiten geholfen haben, zu mir einladen“, fügt Dr. Kompaniiets hinzu und wird dabei sichtlich emotional.

Dr. Paloma Cuchi, Repräsentantin der WHO in Polen, erläutert die Vorteile dieses Projekts: „Flüchtlinge mit vorübergehendem Schutz in Polen müssen arbeiten. Wenn wir es Gesundheitsfachkräften erleichtern, in ihrem Beruf tätig zu sein, können wir damit gewährleisten, dass sie ihre Fähigkeiten nicht verlieren und weiterhin im Gesundheitswesen arbeiten. Sowohl ukrainische als auch polnische Gesundheitsfachkräfte können von einem Austausch von Wissen und Erfahrungen profitieren.“

Sie fährt fort: „Wir haben zudem festgestellt, dass ukrainische Flüchtlinge, die über nur begrenzte polnische Sprachkenntnisse verfügen, sich sehr viel wohler mit Gesundheitspersonal fühlen, das mit ihnen in ihrer eigenen Sprache kommunizieren kann. Geflüchteten Medizinern dabei zu helfen, Arbeit zu finden, bedeutet letztendlich auch, dass das ukrainische Gesundheitssystem von ihren Fähigkeiten und Erfahrungen profitieren wird, sobald sie in der Lage sind, in die Ukraine zurückzukehren und dort die nationale Infrastruktur wieder mit aufzubauen.“ 

Die Rolle der WHO bei der Reaktion auf den Krieg in der Ukraine  

Die WHO arbeitet mit Regierungen und Partnerorganisationen zusammen, um in Notfällen Gesundheitsleistungen bereitzustellen, örtliche Gesundheitsangebote zu verbessern und Flüchtlinge in die nationalen Gesundheitssysteme und -pläne einzubeziehen.