Nahezu zwei Drittel der Erwachsenen und jedes dritte Kind in der Europäischen Region der WHO sind übergewichtig oder adipös, und diese Raten steigen. Der neue Sachstandsbericht Adipositas 2022 der Europäischen Region der WHO warnt vor den ernsthaften Gesundheitsrisiken, die mit den steigenden Adipositasraten einhergehen. Adipositas zählt zu den wichtigsten Determinanten von Tod und Behinderung in der Region und die Krankheit gilt als Ursache für 13 verschiedene Krebsarten. Daher bedarf es einer Behandlung und Kontrolle durch multidisziplinäre Teams.
„Adipositas kennt keine Grenzen. In Europa und Zentralasien wird kein einziges Land die globale Zielvorgabe der WHO für nichtübertragbare Krankheiten einer Unterbindung des Anstiegs der Adipositasraten verwirklichen“, erklärte Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO Regionaldirektor für Europa. „Die Länder in unserer Region sind alle sehr unterschiedlich, doch jedes einzelne von ihnen hat zu einem gewissen Grad mit Herausforderungen zu kämpfen. Durch die Schaffung befähigenderer Umfelder, die Förderung von Investitionen und Innovation im Gesundheitsbereich und die Entwicklung starker und widerstandsfähiger Gesundheitssysteme können wir eine Kursänderung im Hinblick auf Adipositas in der Region erreichen.“
Adipositas könnte das Rauchen als Hauptrisikofaktor für vermeidbare Krebsarten ablösen
Übergewicht und Adipositas stehen an vierter Stelle der Risikofaktoren für einen tödlichen Ausgang, direkt nach Bluthochdruck, ernährungsbedingten Risiken und Tabakkonsum. Adipositas ist eine komplexe multifaktorielle Krankheit, die ein Risiko für die Gesundheit darstellt. Sie wird mit zahlreichen nichtübertragbaren Krankheiten assoziiert, darunter Herz Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes und Krebs.
Für einige Länder in der Europäischen Region gehen Prognosen davon aus, dass Adipositas in den kommenden Jahrzehnten Rauchen als Hauptrisikofaktor für vermeidbare Krebsarten ablösen wird.
Darüber hinaus hebt der Bericht hervor, dass Adipositas eine Krankheit ist, nicht nur ein reiner Risikofaktor, und dass sie einer besonderen Behandlung und Kontrolle bedarf.
Europäische Region der WHO: Tendenzen bei Übergewicht und Adipositas
Dem Bericht zufolge ist die Prävalenz von Adipositas bei Erwachsenen in der Europäischen Region höher als in anderen Regionen der WHO, mit Ausnahme der Region Gesamtamerika. Die jüngsten Daten zeigen, dass Übergewicht und Adipositas weltweit jedes Jahr für über 1,3 Mio. Todesfälle verantwortlich sind. Doch selbst diese Zahlen könnten zu niedrig angesetzt sein.
In der Europäischen Region haben Übergewicht und Adipositas epidemische Ausmaße angenommen, wobei die Prävalenzraten bei Männern höher sind (63%) als bei Frauen (54%). In Ländern mit höherem Volkseinkommen sind die Raten zudem oft höher.
Die höchsten Raten bei Übergewicht wie auch Adipositas verzeichnen Länder des Mittelmeerraums und Osteuropas. Ungleichheiten bei der Bildung sind weitverbreitet, wobei Menschen mit niedrigerem Bildungsgrad eine höhere Prävalenz von Adipositas aufweisen.
COVID-19 und das Adipositas-Problem
Die COVID-19-Pandemie hat Adipositas zu einem noch drängenderen Problem gemacht. Patienten mit Adipositas erleiden häufiger Komplikationen infolge des Virus und sterben häufiger an einer COVID-19-Infektion, und viele dieser Patienten hatten mit Beeinträchtigungen beim Zugang zu Angeboten für die Kontrolle von Adipositas zu kämpfen.
Ferner deuten vorläufige Daten darauf hin, dass die Menschen während der aktuellen Pandemie häufiger Risikofaktoren für Adipositas ausgesetzt waren, etwa durch die Zunahme von sitzenden Tätigkeiten und dem Verzehr ungesunder Nahrungsmittel.
Schaffung gesundheitsförderlicher Umfelder: Grundsatzempfehlungen der WHO
„Adipositas wird durch die Umwelt beeinflusst, daher ist es wichtig, dieses Problem vor dem Hintergrund des gesamten Lebensverlaufs zu betrachten. So wirken sich etwa digitale Umfelder, einschließlich der Vermarktung ungesunder Nahrungsmittel und Getränke, auf das Leben von Kindern und Jugendlichen aus“, erklärte Dr. Kremlin Wickramasinghe, kommissarischer Leiter des Europäischen Büros der WHO für die Prävention und Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten, das den Sachstandsbericht Adipositas 2022 der Europäischen Region der WHO erstellt hat.
„Wir haben im Laufe der Zeit gelernt, dass ein einzelnes Handlungskonzept nicht ausreichend ist. Um als Land oder Region Erfolg zu haben, brauchen wir ein umfassendes Interventionspaket. Kein einziges Land ist imstande, all diese Handlungskonzepte zur gleichen Zeit einzuführen. Es ist wichtig, zwei oder drei Konzepte zu priorisieren und umgehend umzusetzen und gleichzeitig über einen umsetzbaren Plan zu verfügen, um die restlichen Interventionen einzuführen“, fügte Dr. Wickramasinghe hinzu. „Die Beschränkung der Vermarktung ungesunder Nahrungsmittel an Kinder, die Besteuerung von gezuckerten Getränken und die Verbesserung der Maßnahmen der Gesundheitssysteme zur Kontrolle von Adipositas zählen gegenwärtig zu den am aktivsten diskutierten Politikbereichen in der Europäischen Region der WHO.“