Als Sozialarbeiterin in der dänischen Kommune Holbæk hat Ayse mit Menschen mit Behinderungen zu tun. Aufgrund einer Beeinträchtigung ihres Hörvermögens hat Ayse selbst eine Behinderung und bedient sich bei ihrer Arbeit manchmal einer Dolmetscherin – was ihrer Tätigkeit eine einzigartige Perspektive verleiht.
Wiederaufbau zum Besseren: Menschen mit Behinderungen in der Berufswelt
Als Sozialarbeiterin in der dänischen Kommune Holbæk hat Ayse mit Menschen mit Behinderungen zu tun. Aufgrund einer Beeinträchtigung ihres Hörvermögens hat Ayse selbst eine Behinderung und bedient sich bei ihrer Arbeit manchmal eines Dolmetschers – was ihrer Tätigkeit eine einzigartige Perspektive verleiht.
Auf die Frage nach Arbeitsumfeldern, Problemen bei der Einstellung und Normen für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen antwortet sie: „Ich hatte es bei Bewerbungen manchmal schwer, es war mühselig, und ich kenne andere Menschen mit Behinderungen, die ähnliche Probleme haben.“
„Ich musste sieben Monate kämpfen, um eine Stelle als Sozialarbeiterin zu bekommen. Ich hatte einige Vorstellungsgespräche, und man hielt mich für ausreichend qualifiziert, aber fand es schwer, meine Behinderung zu akzeptieren, weil ich mit einer persönlichen Assistentin komme, einer Gebärden-Dolmetscherin. Sie hielten die Beschäftigung einer Dolmetscherin am Arbeitsplatz für problematisch. Arbeitgeber wissen einfach nicht genug über Behinderungen wie meine.“
„Dabei ist es überhaupt kein Problem, eine Person mit einer Behinderung zu beschäftigen. In Dänemark gibt es Kompensationsmaßnahmen, die dafür sorgen, dass Arbeitgeber, die Personen mit Behinderungen wie mich beschäftigen, keine zusätzlichen Kosten tragen müssen. Beispielsweise kann ich zur Unterstützung meiner Arbeit 20 Stunden pro Woche einen Dolmetscher in Anspruch nehmen, der vom Staat bezahlt wird.“
„Ungeachtet einer Behinderung sind die Kommunen verpflichtet, am Arbeitsplatz möglichst günstige Bedingungen für uns zu schaffen. Arbeitgeber und Kollegen sollten ausreichend über die Hindernisse für uns Bescheid wissen, um auf uns vorbereitet zu sein, und darüber wachen, wie wir mit unseren neuen Aufgaben fertig werden.“
Eine neue Perspektive
Ayse hat das Gefühl, dass ihre Behinderung ihr manchmal einen besseren Draht zu ihren Klienten verschafft und dass sie manche der Herausforderungen und Barrieren versteht, vor denen sie stehen. Sie wünscht sich, dass dies von ihrem Arbeitgeber als eine Stärke anerkannt wird. „Wenn wir keine Chance erhalten, ist es völlig hoffnungslos, aber wenn doch, können wir zeigen, was wir können, dass wir trotz der Behinderung unseren Aufgaben gewachsen sind und genauso gute Arbeit leisten können wie Menschen ohne Behinderungen.“
Sie ist voll des Lobes für ihren Arbeitgeber, ihre Vorgesetzte und ihre Kollegen, von denen sie sich in ihrer Rolle angenommen fühlt, und dieser soziale Aspekt ist ihr auch sehr wichtig: „Die Leute, mit denen ich arbeite, haben mich sehr gut behandelt. Manchmal schreiben sie mir eine kurze Notiz, worüber sie gesprochen haben, und sie fragen mich oft, ob ich an bestimmten Aktivitäten teilnehmen will, sodass ich mich sehr gut aufgenommen fühle.“
Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen
Am heutigen Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen lautet das Thema „Wiederaufbau zum Besseren: auf dem Weg zu einer inklusiven, zugänglichen und nachhaltigen Welt nach COVID-19“.
Menschen mit Behinderungen haben während der COVID-19-Pandemie unverhältnismäßig gelitten und waren oft nicht in der Lage, sich die benötigte Hilfe zu verschaffen. Dies kann Auswirkungen auf ihr Alltagsleben haben, einschließlich ihrer Fähigkeit, ihrem Beruf nachzugehen, wenn die nötige Unterstützung fehlt.
Ein wichtiger Aspekt des Wiederaufbaus zum Besseren nach COVID-19 besteht darin, es Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen, ohne Angst vor Diskriminierung zu arbeiten, und die Berufswelt so inklusiv und unterstützend wie möglich zu gestalten.
Ausbau inklusiver Arbeitsumfelder
Die WHO hat vor Kurzem ein neues Konzept für den Umgang mit Behinderungen veröffentlicht, durch das gewährleistet werden soll, dass Menschen mit Behinderungen einbezogen werden und sich innerhalb der WHO entfalten können. Es gilt für Bedienstete der WHO auf allen Ebenen und soll die Organisation für Menschen mit Behinderungen inklusiver gestalten und als primärer Rahmen für die Umsetzung der Strategie der Vereinten Nationen zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen dienen. Das WHO-Regionalbüro für Europa wird im kommenden Jahr mit der durchgehenden Umsetzung des Konzeptes beginnen.
Das Europäische Arbeitsprogramm (EPW) – „Gemeinsam für mehr Gesundheit in Europa“ sieht auch eine Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Akteuren vor. Vor Kurzem traf der WHO-Regionaldirektor für Europa, Dr. Hans Henri P. Kluge, zu einem virtuellen Gespräch mit Vertretern des European Disability Forum zusammen.
Der Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen auf gleichberechtigten Zugang zu den benötigten Gesundheitsleistungen spiegelt sich deutlich in den drei zentralen Prioritäten des EPW wider: Gewährleistung des Rechts auf einen allgemeinen Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung, ohne finanzielle Härten befürchten zu müssen; Schutz vor gesundheitlichen Notlagen; und Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden.
Eine Chance für alle
Auf die Frage nach dem obersten Gebot für einen Arbeitgeber in Bezug auf Inklusivität hat Ayse eine ganz einfache Antwort: „Das Wichtigste ist, dass sie Menschen mit Behinderungen eine Chance geben, für sie zu arbeiten.“
„Wir haben die nötigen Fähigkeiten, um in diesem Bereich zu arbeiten, aber wir bekommen nie wirklich eine Chance. Das ist das größte Problem für mich. Meine Vorgesetzte und meine Kollegen, die Menschen, mit denen ich arbeite, sehen mich nicht als Person mit Behinderung, aber sie müssen bei der Zusammenarbeit mit mir erst die Erfahrung machen, dass das mit einer Dolmetscherin sehr gut funktioniert.“
„Wo fangen wir an? Wir müssen die Gelegenheit erhalten, unsere Fähigkeiten und Qualifikationen in der Praxis anzuwenden. Also ist das Wesentliche für mich, dass man uns eine Chance gibt. So können wir uns entwickeln – sowohl in unseren beruflichen Fähigkeiten als auch in sozialer Hinsicht.“