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Von der Hebammenausbildung in die Praxis – wo Politik auf die Realität stößt

5 May 2023
Pressemitteilung
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An einem warmen Augustmorgen in Istanbul brachte Ezgi mit Hilfe eines Teams von erfahrenen Hebammen und Ärzten ihren Sohn zur Welt. Der Neugeborene war eines von 1,2 Mio. Babys, die in jenem Jahr in der Türkei geboren wurden. 

Während der Schwangerschaft, der Entbindung und der Zeit nach der Geburt erhielt Ezgi wertvolle Unterstützung von einer erfahrenen Hebamme, die sie über mehrere Monate begleitete. Sie klärte Ezgi über ihre Optionen für die Entbindung auf, vermittelte ihr Techniken zur Schmerzbewältigung, unterstützte sie bei ihren Entscheidungen – z. B. für einen Haut-zu-Haut-Kontakt mit ihrem Baby unmittelbar nach der Geburt – und half ihr beim Stillen. 

Für die Hebamme waren Ezgis emotionale Bedürfnisse genauso wichtig wie die Bedürfnisse des Babys. Auch nachdem Ezgi aus dem Krankenhaus entlassen wurde, leistete die Hebamme weiterhin Unterstützung, was für Ezgi, die zum ersten Mal Mutter wurde, unglaublich wichtig war. 

Ezgis Geschichte ist ein Beleg dafür, wie wichtig gut ausgebildete und kompetente Hebammen für das körperliche und seelische Wohlbefinden von Mutter und Kind sind. Diese Geschichte ist kein Einzelfall: Frauen in der gesamten Europäischen Region der WHO machen ähnliche Erfahrungen, wenn sie von Hebammen betreut werden. Es ist erwiesen, dass die Tätigkeit von Hebammen, wenn sie von gut ausgebildeten und nach strengen Regeln zugelassenen Fachkräften geleistet wird, mit einer verbesserten Versorgungsqualität und einer raschen und dauerhaften Senkung der Mütter- und Neugeborenensterblichkeit einhergeht.

Förderung der Hebammenausbildung

Die Qualität der Ausbildung der Hebammen ist entscheidend dafür, dass diese über das Wissen, die Fähigkeiten und die Kompetenz verfügen, die für eine sichere und wirksame Betreuung von Frauen und Neugeborenen während der Entbindung erforderlich sind. 

Um eine qualitativ hochwertige Hebammenausbildung zu gewährleisten, bedarf es etablierter und akkreditierter Ausbildungsprogramme für Hebammen, die internationalen Standards entsprechen. Die Hebammen sollten auch die Möglichkeit zur beruflichen Fortbildung und Weiterentwicklung haben, um ihre Kenntnisse und Fähigkeiten stets auf dem neuesten Stand zu halten.

Als assoziierte Professorin am Fachbereich Hebammenwesen der Cumhuriyet-Universität und in ihrer Arbeit beim Internationalen Hebammenverband engagiert sich Burcu Yurtsal für die Förderung des Berufsstandes durch Bildung – eine der vier politischen Prioritäten für das Gesundheits- und Pflegepersonal weltweit und auch in der Europäischen Region. Der Welleneffekt, den die Arbeit von Hebammen auf die Bevölkerung und die nationalen Gesundheitssysteme hat, ist für Burcu die Motivation, die ihrer Arbeit einen Sinn gibt und Hoffnung für die Zukunft weckt. 

„Wenn ich sehe, wie fleißig und enthusiastisch meine Hebammenschülerinnen sind, bin ich zuversichtlich, dass sie in Zukunft einmal den Bedürfnissen der Frauen gerecht werden können. Aber wir dürfen nicht da Halt machen. Wir müssen nach Spitzenleistungen in der Bildung streben und uns jeden Tag verbessern. Mit unseren Bildungsabschlüssen an der Universität sind wir entschlossen, unsere künftigen Hebammen entsprechend den Bedürfnissen der Frauen in unserem Land auszubilden“, erklärt sie.

Burcu fügt hinzu: „Meine Vision ist, dass in Zukunft alle Frauen in der Türkei die Möglichkeit haben, ihr Baby mit Unterstützung durch eine Hebamme zur Welt zu bringen, und dass unkomplizierte Geburten weniger medikalisiert werden.

Investitionen in eine Hebammenausbildung, die internationalen Anforderungen entspricht, sind ein kosteneffizienter Weg, um die Gesundheit von Müttern und Neugeborenen zu verbessern und gleichzeitig die Gesundheitssysteme zu entlasten, indem der Bedarf an unnötigen und kostspieligen Eingriffen verringert wird. 

Um den internationalen Standards zu entsprechen, muss die Hebammenausbildung umfangreiche praktische Erfahrungen beinhalten, einschließlich der Durchführung einer großen Anzahl von pränatalen Untersuchungen und der Betreuung von mindestens 20 schwangeren Frauen während ihrer gesamten Schwangerschaft. Die Absolventinnen sollten auch in der Lage sein, bei komplizierten Geburten und Neugeborenen, die eine besondere Betreuung benötigen, zu helfen. 

Bewältigung des Mangels an Hebammen in der Europäischen Region

Die COVID-19-Pandemie hat neue Möglichkeiten für die Ausbildung und Leistungserbringung im Hebammenwesen geschaffen. Um den Zugang zur Ausbildung zu verbessern und die Qualität der von Hebammen erbrachten Leistungen zu steigern, müssen diese Möglichkeiten, einschließlich innovativer digitaler Technologien, unbedingt genutzt werden.

Doch in Teilen der Europäischen Region ist es schwierig, ausreichend Hebammen auszubilden, um den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden. Aus dem von WHO/Europa erstellten Flaggschiffbericht „Gesundheits- und Pflegepersonal in Europa – Zeit zu handeln“ geht hervor, dass der Hebammenberuf in der Europäischen Region in den vergangenen Jahren die geringsten Zuwächse erzielt hat. 

Um diese Herausforderung zu bewältigen, sind Investitionen erforderlich, um die Zahl der Absolventinnen im Hebammenwesen zu erhöhen, die Ausbildung von Lehrkräften zu erleichtern und bildungspolitische Maßnahmen zu ergreifen, die den Einsatz und den Verbleib in ländlichen und entlegenen Regionen gewährleisten.

Jede Frau sollte bei der Geburt in besten Händen sein, so wie Ezgi es erlebt hat. Jetzt ist es an der Zeit zu handeln – durch Investitionen in die Hebammenausbildung, damit jede Frau Zugang zu der Betreuung und Unterstützung erhält, die sie in einem der wichtigsten Momente ihres Lebens braucht.