Das IARC ist die spezialisierte Krebsforschungseinrichtung der WHO, deren Hauptauftrag darin besteht, Forschungsarbeiten für eine wirksame Krebsprävention durchzuführen. Im Monographieprogramm des IARC wird das Potenzial von Stoffen, Krebs zu verursachen, identifiziert und bewertet.
1988 wurden alkoholische Getränke als Karzinogen der Gruppe 1 eingestuft, d. h. es ist hinreichend belegt, dass sie beim Menschen Krebs verursachen. Das vom World Cancer Research Fund und vom American Institute for Cancer Research durchgeführte Projekt zur kontinuierlichen Aktualisierung stuft die kausale Evidenz für die Assoziation zwischen Alkoholkonsum und der Entstehung von Krebs als sehr stark ein.
Auf der Grundlage dieser überzeugenden wissenschaftlichen Belege kommt der vom IARC koordinierte Europäische Kodex zur Krebsbekämpfung zu einer klaren Empfehlung an die Bürger Europas in Bezug auf die Verhinderung alkoholbedingter Krebserkrankungen: „Begrenzen Sie bei alkoholischen Getränken jeder Art die Menge Ihres Konsums. Aus Sicht der Krebsprävention ist ein Verzicht auf Alkohol vorzuziehen.“
Für folgende Krebserkrankungen ist eine kausale Verknüpfung mit Alkoholkonsum belegt: Mundhöhle, Rachen, Kehlkopf, Speiseröhre, Dickdarm, Leber und weibliche Brust.
Insgesamt ist Alkohol für eine erhebliche Prävalenz von Krebserkrankungen verantwortlich. Weltweit waren im Jahr 2020 Schätzungen zufolge mehr als 740 000 (95 % Unsicherheitsintervall: 558 500 bis 951 200) Krebsfälle auf Alkoholkonsum zurückzuführen. Dies entspricht 4,1 % (95 % Unsicherheitsintervall: 3,1 bis 5,3 %) aller neuen Krebsfälle. Fast ein Viertel aller durch Alkoholkonsum verursachten Krebserkrankungen weltweit entfallen auf Europa.
Es besteht eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Alkoholkonsum und der Inzidenz von Krebs: Je mehr Alkohol konsumiert wird, desto höher ist das Risiko, an Krebs zu erkranken. Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand gibt es keinen Schwellenwert, ab dem sich die krebserregenden Wirkungen des Alkohols im menschlichen Körper zu manifestieren beginnen.
Es gibt auch eindeutige Beweise für ein erhöhtes Krebsrisiko bei leichtem oder mäßigem Alkoholkonsum. Somit lässt sich im Hinblick auf Krebserkrankungen keine unbedenkliche Menge an Alkoholkonsum bestimmen.
In Anbetracht der Tatsache, dass alkoholische Getränke für mehrere Krebsarten als krebserregend erkannt wurden und dass selbst leichter Alkoholkonsum ein erhöhtes Krebsrisiko mit sich bringt, sollten die nachstehenden Schlussfolgerungen für Europas Plan gegen den Krebs und damit verbundene Initiativen in Betracht gezogen werden.
- Der Beitrag des Alkoholkonsums zur Krebsinzidenz und -mortalität muss eindeutig anerkannt werden, ohne dass einschränkende oder irreführende Adjektive wie „schädlicher“ oder „starker“ Alkoholkonsum oder „verantwortungsbewusstes Trinken“ verwendet werden.
- Es sollten Maßnahmen ergriffen werden, um die Öffentlichkeit eindeutig über diese Gefahr zu informieren, die in der Allgemeinbevölkerung nicht sehr bekannt ist, u. a. durch Durchsetzung der Verbreitung der Empfehlungen des Europäischen Kodex zur Krebsbekämpfung. Sowohl in dem von WHO/Europa entworfenen Handlungsrahmen für die Alkoholpolitik in der Europäischen Region (2022–2025) als auch in dem Globalen Alkohol-Aktionsplan der WHO (2022–2030) wird die Verwendung von Warnhinweisen auf den Verpackungen alkoholischer Getränke empfohlen, um die Öffentlichkeit über die gesundheitlichen Folgen des Alkoholkonsums zu informieren.