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A mother joyfully embraces her newborn, celebrating a safe delivery at Maternity Hospital #1 in Bishkek, Kyrgyzstan.
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Erklärung – Das Leben einer jeden Mutter zählt

Erklärung von Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa, anlässlich des Weltgesundheitstages

7 April 2025
Aussage
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7. April 2025

Alle Mütter verdienen es, dass sie Leben schenken können, ohne ihr eigenes Leben zu riskieren. Dennoch verlieren weltweit jeden Tag mehr als 700 Frauen ihr Leben infolge vermeidbarer Komplikationen während der Schwangerschaft. Am diesjährigen Weltgesundheitstag (7. April) wollen wir unser Mitgefühl in die Tat umsetzen und Müttern und Neugeborenen auf der ganzen Welt einen gesunden Start und eine hoffnungsvolle Zukunft ermöglichen.

Zur Europäischen Region der WHO gehören 53 Mitgliedstaaten in Europa und Zentralasien, einschließlich der Kaukasusregion, sowie die Türkei und Israel. Die Europäische Region, in der fast eine Milliarde Menschen leben, hat mit 11 Todesfällen pro 100 000 Lebendgeburten die niedrigste Müttersterblichkeitsrate (MSR) von allen WHO-Regionen. Dies zeugt von den unermüdlichen Bemühungen aller Beteiligten – von der Politik über das Gesundheitswesen und die Wissenschaft bis hin zu humanitären Organisationen und der Zivilgesellschaft – in den vergangenen 25 Jahren. Gemeinsam haben wir die Müttersterblichkeitsrate in der Europäischen Region seit 2000 um 56 % gesenkt. 

Doch unter der Oberfläche zeigt sich ein komplizierteres Bild. Trotz des niedrigen regionsweiten Durchschnitts ist der Rückgang der Müttersterblichkeit nicht gleichmäßig verteilt. Vielmehr bestehen zwischen den einzelnen Ländern und Teilregionen nach wie vor erhebliche Unterschiede, die auf anhaltende Ungleichheiten und fehlende Investitionen oder mangelnden Zugang zu hochwertigen Gesundheitsangeboten für Mütter hindeuten. 

In 15 von 53 Ländern der Europäischen Region – also in etwas mehr als einem Viertel – liegt die MSR über dem regionsweiten Durchschnitt. Darüber hinaus wurde in neun dieser Länder zwischen 2020 und 2023, inmitten der COVID-19-Pandemie, ein Anstieg der MSR verzeichnet. In mehr als einem Dutzend anderen Ländern stagnierten die Fortschritte, wobei 14 von 53 Mitgliedstaaten – mehr als ein Viertel – zwischen 2020 und 2023 keine Verbesserung der MSR erreichen konnten. Diese Unterschiede behindern die Fortschritte unserer Region bei der Verwirklichung der weltweit vereinbarten Ziele zur Senkung der Müttersterblichkeit bis 2030, die als Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen bekannt sind. 

Zwar ist jedes Land anders und braucht daher maßgeschneiderte Lösungen, doch gibt es drei übergreifende Maßnahmen, die dazu beitragen werden, die Müttersterblichkeit allgemein zu senken. Erstens kommt es entscheidend auf eine allgemeine Gesundheitsversorgung an, die den Zugang zu umfassenden Gesundheitsangeboten für Mütter einschließt und auch psychologische Unterstützung für werdende und neue Mütter umfassen sollte. Zweitens kann durch Investitionen in Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagnen sichergestellt werden, dass Mütter und ihre Familien über Ernährung, Geburtsvorbereitung und nachgeburtliche Versorgung Bescheid wissen. Schließlich wird der Ausbau der geburtshilflichen Notfallversorgung sicherstellen, dass das Leben einer Mutter (und das ihres Kindes) gerettet werden kann, wenn Komplikationen auftreten und die Zeit drängt. 

Aus den neuesten Daten geht hervor, dass nord- und westeuropäische Länder wie Finnland, Deutschland, die Niederlande, Norwegen und Schweden mit 1 bis 5 Todesfällen pro 100 000 Lebendgeburten zu den Ländern mit der niedrigsten MMR in der Europäischen Region gehören. Der Grund dafür ist, dass werdende und neue Mütter in diesen Ländern einen breiten Zugang zu einer allgemeinen Gesundheitsversorgung haben, die eine umfassende Versorgung von Müttern, eine qualifizierte Geburtshilfe mit einer von Hebammen geleiteten Betreuung, leistungsfähige Systeme für die geburtshilfliche Notfallversorgung, geringe sozioökonomische Ungleichheiten und eine weitreichende Gleichstellungspolitik beinhaltet. Es ist wichtig, dass diese Länder ihre Erfahrungen und bewährten Verfahren mit anderen teilen. 

Dagegen weist Südeuropa in Bezug auf die Müttersterblichkeit uneinheitliche Trends auf. Länder wie Griechenland, Italien, Portugal und Spanien haben generell eine niedrige MMR, erleben aber teilweise eine Stagnation oder sogar einen leichten Anstieg. Dies lässt sich auf die zunehmenden gesundheitlichen Ungleichheiten in der Migrantenbevölkerung und die Einschränkungen bei der Finanzierung des Gesundheitswesens zurückführen. 

Die Daten aus den Ländern Osteuropas und des Westbalkans zeigen eine überdurchschnittlich hohe MSR und ungleichmäßige Fortschritte. Dennoch ist die MSR in diesem Teil der Europäischen Region in den letzten 25 Jahren um 75 % gesunken, und das muss anerkannt und gefeiert werden. Unter allen Ländern sticht ein Land, Belarus, besonders hervor. Es ist einer von nur zwei Mitgliedstaaten in der gesamten Europäischen Region mit einer MSR von nur 1 Todesfall pro 100 000 Lebendgeburten. 

Schließlich haben die Länder Zentralasiens enorme Fortschritte bei der Senkung der Müttersterblichkeit erzielt und seit 2000 einen Rückgang um 57 % verzeichnet, obwohl die MSR immer noch bei bis zu 42 Todesfällen pro 100 000 Lebendgeburten liegt. Dabei sticht Kasachstan hervor, da es die MMR in den letzten 25 Jahren um herausragende 83 % reduzieren konnte.

Die Europäische Region hat bei der Senkung der Müttersterblichkeit wahrhaft bedeutsame Fortschritte erzielt, doch auf dem Weg zur Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2030 bestehen noch erhebliche Defizite. Niemand darf in Selbstzufriedenheit verfallen, auch nicht die Länder, die derzeit gut abschneiden. Durch strategische Investitionen, stärkere Handlungskonzepte und den Wissensaustausch zwischen den Ländern kann unsere Region dem Ziel einer Beendigung der vermeidbaren Todesfälle bei Müttern näher kommen. Mit etwas mehr als 1000 Todesfällen pro Jahr liegt unsere Region bereits weltweit an erster Stelle, aber auch nur ein vermeidbarer Müttersterblichkeitsfall ist schon einer zu viel, denn jede Mutter hat ein Recht auf eine sichere Geburt, unabhängig davon, wer sie ist oder wo sie lebt.