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Beurteilung der Reaktion auf den Polio-Ausbruch in der Ukraine bringt das Land dem offiziellen Ende des Ausbruchs einen erheblichen Schritt näher

7 June 2023
Pressemitteilung
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Partnerorganisationen im Rahmen der Weltweiten Initiative zur Ausrottung der Kinderlähmung (GPEI), darunter die WHO, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und die United States Centers for Disease Control and Prevention (CDC), haben gemeinsam eine Beurteilung der allgemeinen Reaktion auf einen Ausbruch der paralytischen Poliomyelitis (Polio) in der Ukraine durchgeführt, der erstmals im Oktober 2021 entdeckt worden war. 

Die Beurteilung der Reaktion auf den Ausbruch (OBRA), die vom 23. bis 26. Mai 2023 durchgeführt wurde, hatte zum Ziel, das Risiko einer unentdeckten Übertragung des Poliovirus in der Ukraine zu beurteilen, und zwar anhand einer Überprüfung der Surveillance, der Impfmaßnahmen und der Kommunikationsaktivitäten, die im Rahmen der Reaktion auf den Ausbruch umgesetzt wurden. 

Das OBRA-Team befand, dass es trotz der erheblichen Herausforderungen für die Ergreifung von Gegenmaßnahmen und der Beeinträchtigungen des Gesundheitssystem infolge der anhaltenden Krise in der Ukraine ausreichende Evidenz gibt, um zu dem Schluss zu gelangen, dass das Poliovirus nicht unentdeckt im Land zirkuliert. Daher empfahl das Team WHO/Europa, in Betracht zu ziehen, den Ausbruch offiziell für beendet zu erklären. Der nächste Schritt wird nun darin bestehen, sicherzustellen, dass keine Polioviren von der Ukraine in die Nachbarländer eingeschleppt wurden. 

Umfassende Reaktion auf den Ausbruch

Der Ausbruch in der Ukraine begann nach der Einschleppung und anschließenden Zirkulation des vakzine-abgeleiteten Poliovirus Typ 2 (cVDPV2) in Verbindung mit einem vorherigen Ausbruch in Tadschikistan im Jahr 2021. Zwei Kinder in der Ukraine entwickelten paralytische Infektionen und 19 gesunde enge Kontaktpersonen wurden positiv auf das Virus getestet, ohne entsprechende Symptome zu entwickeln.

Seit 2002 ist die Europäische Region der WHO frei von endemischen Polioviren und feierte im Jahr 2022 20 Jahre Poliofreiheit. Selbst ein einzelner auftretender Poliofall – ob von einem Wildvirus oder einem vakzine-abgeleiteten Poliovirus ausgehend – wird jedoch bereits als Ausbruch betrachtet und löst dringende Gegenmaßnahmen aus.

Im Februar 2022 begann eine landesweite Nachimpfungskampagne mit dem Polio-Impfstoff und wurde trotz einiger Herausforderungen fortgesetzt. Eine Massenbewegung der Bevölkerung, insbesondere Frauen und Kinder, machte es erheblich schwerer, die Zielgruppe für die Polio-Impfungen zu erreichen. Gleichzeitig haben sich infolge des Krieges in der Ukraine die Prioritäten der Bevölkerung verschoben, hin zu Sicherheit und Überleben, wodurch Impfmaßnahmen deutlich an Priorität verloren. Die Zerstörung von Gesundheitseinrichtungen hat die Gegenmaßnahmen zusätzlich behindert. 

Trotz dieser Hindernisse waren mit Stand vom 7. Mai 2023 insgesamt 176 262 Impfdosen des inaktivierten Polioimpfstoffs (IPV) im Rahmen der Nachimpfungskampagne verabreicht worden.

„Die bemerkenswerte Leistung der Ukraine im Hinblick auf die Unterbindung der Polio-Übertragung inmitten des Krieges macht die unerschütterliche Entschlossenheit und Widerstandsfähigkeit der Regierung und des Gesundheitsministeriums deutlich“, erklärte Dr. Jarno Habicht, Repräsentant der WHO in der Ukraine. 

„Sie zeigt zudem den außergewöhnlichen Einsatz und die Beharrlichkeit des ukrainischen Gesundheitspersonals, das zahlreiche Herausforderungen überwinden musste, um Kinder mit Impfungen zu erreichen, die sie vor dieser zusätzlichen Bedrohung für ihr Leben schützen werden. Die erfolgreiche Umsetzung dieser hochwertigen Krankheitsüberwachung und Bereitstellung von Routineimpfungen angesichts solcher Widrigkeiten ist wahrhaft lobenswert.“

Beurteilung und Empfehlungen

Die Entscheidung, einen Polio-Ausbruch offiziell für beendet zu erklären, erfordert die Erfüllung mehrerer Kriterien, so müssen u. a. mindestens sechs aufeinanderfolgende Monate ohne Auftreten des Poliovirus im Land vergangen sein. 

Das OBRA-Team führte eine umfassende Beurteilung der Krankheitsüberwachung, Impfmaßnahmen, Impflogistik, Laborkapazitäten und Kommunikationsmaßnahmen seit Bestätigung des Ausbruchs im Oktober 2021 durch. Im Rahmen von Besuchen vor Ort in den Oblasten Kiew, Tschernihiw und Schytomyr besuchte das Team die Regionalzentren für Krankheitsbekämpfung und -prävention, regionale Kinderkrankenhäuser für Infektionskrankheiten und Polikliniken. Diese Besuche ermöglichten dem Team, die Situation vor Ort zu beurteilen und wichtige Erkenntnisse zu sammeln, um die allgemeine Beurteilung der Reaktion auf den Polio-Ausbruch zu unterstützen. 

Das Zentrum für öffentliche Gesundheit des Gesundheitsministeriums und die Regionalzentren für Krankheitsbekämpfung und -prävention in Riwne und Transkarpatien spielten eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung wertvoller Informationen zu den Gegenmaßnahmen, die auf nationaler Ebene und in den beiden Gebieten des Landes ergriffen wurden, wo die beiden Fälle aufgetreten waren.

Trotz der gewaltigen Herausforderungen und Ungewissheiten in der Ukraine infolge des anhaltenden Krieges fand das OBRA-Team keinerlei Hinweise auf eine anhaltende Übertragung von cVDPV2 in der Ukraine. Daher empfahl das OBRA-Team WHO/Europa, in Betracht zu ziehen, den Polio-Ausbruch offiziell für beendet zu erklären. 

In Anerkennung der massiven Fluchtbewegungen aus der Ukraine in die Nachbarländer forderte das Team WHO/Europa zudem auf, Informationen zur Durchführung von Impf- und Surveillance-Maßnahmen aus den Nachbarländern anzufordern, die ukrainische Flüchtlinge aufgenommen haben. Gegenwärtig prüft WHO/Europa Daten aus sieben Ländern, um das Risiko einer Ausbreitung infolge der Flüchtlingskrise zu beurteilen.

Die Reaktion auf den Polio-Ausbruch in der Ukraine wurde mit Finanzmitteln vonseiten der GPEI-Partner unterstützt, u. a. von den CDC, der Behörde der Vereinigten Staaten für internationale Entwicklung und der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung.