Aisling Harmon
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Den Beitrag von Frauen ins rechte Licht rücken: Würdigung ihrer Rolle in der informellen Pflege

8 March 2024
Pressemitteilung
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„Während der Pandemie waren wir eine unsichtbare Front, aber eigentlich waren wir auch vorher schon unsichtbar und sind es auch jetzt noch“, sagt Aisling Harmon, eine engagierte pflegende Angehörige, die seit 20 Jahren ihre beiden Eltern pflegt.

„Als ich die Pflege meiner Eltern übernahm, hätte ich nie erwartet, dass ich diese Rolle 20 Jahre lang übernehmen würde, obwohl ich sehr froh bin, dass ich es getan habe“, sagt Aisling.

Aisling wurde im Jahr 2000 zur pflegenden Angehörigen als ihr Vater nach einem Schlaganfall ständige Pflege brauchte. Wie es das Schicksal wollte, wurde bei ihrer Mutter, die zunächst die primäre Pflegeperson war, 2002 eine seltene Form der Leukämie diagnostiziert, so dass sie selbst pflegebedürftig wurde. 2004 wurde bei ihrem Vater eine vaskuläre Demenz und 2006 die Alzheimer-Krankheit diagnostiziert. Daraufhin zog Aisling vom Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland nach Irland, um die Versorgungslücke für ihre Eltern zu schließen.

„2014 kam mein Vater in ein Pflegeheim; er lebte weitere drei Jahre und wurde 84 Jahre alt“, erzählt sie.

Aislings Mutter erkrankte 2013 an Parkinson und 2019 an Demenz. „Die Zeit nach der Pandemie zwischen 2022 und 2023 war eine harte Zeit für meine Mutter, und ich wollte am Ende ihres Lebens bei ihr sein.“

Aislings Situation ist kein Einzelfall. Jede Woche pflegen rund 32 Mio. Frauen in allen Ländern der Europäischen Union ein Familienmitglied, einen Freund oder einen Nachbarn. In den Ländern der Europäischen Union machen Frauen 52–66 % aller informellen Pflegekräfte aus und leisten im Durchschnitt 17 Stunden Pflegearbeit pro Woche.

Fehlende Unterstützung für informelle Pflegekräfte

Da informelle Pflegekräfte wie Aisling Lücken beim Zugang zu Pflege und Unterstützung schließen müssen, übernehmen sie viele unterschiedliche Rollen. „Man wird zum Sozialarbeiter, zum Physiotherapeuten und zum Ergotherapeuten“, erklärt sie. Dies geht mit zahlreichen Herausforderungen einher, die von emotionalen und körperlichen bis hin zu sozialen und finanziellen Aspekten reichen und die Pflegenden oft unvorbereitet treffen. Dadurch werden die Pflegenden unter kumulativen Druck gesetzt, da ihnen nur begrenzte Unterstützung und Informationen zur Verfügung stehen, um sich im Bereich der Pflege zurechtzufinden.

„Das hatte erhebliche Auswirkungen auf meine körperliche und geistige Gesundheit. Pflegende Angehörige erhalten nur wenig Unterstützung“, berichtet Aisling.

Bei informellen Pflegekräften ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie unter psychischen Problemen leiden, bereits um 20 % höher als bei nicht Pflegenden. Diese Situation ist bei Frauen noch verschärft, da sie in der Regel pro Woche ein höheres Maß an Pflege leisten und ihre Rolle als Pflegekraft mit anderen Aspekten ihres Lebens, wie bezahlter Arbeit und Kinderbetreuung, in Einklang bringen müssen. Insbesondere die Pflege über einen längeren Zeitraum kann die Gesundheit und das Wohlbefinden der Pflegenden nachhaltig beeinträchtigen, was auch nach Beendigung der Pflegetätigkeit anhalten kann.

Anerkennung informeller Pflegekräfte als Teil des in der häuslichen Pflege tätigen Personals

Die Stunden, die Frauen für die Pflege aufwenden, bleiben oft verborgen und unbeachtet, da sie ihre bezahlte Arbeit, ihre Freizeit und Ruhezeiten gegen die Pflegearbeit eintauschen.

„Ich denke, dass viele informelle Pflegekräfte sich nicht als Pflegekräfte identifizieren oder sich nicht bewusst sind, welchen Beitrag sie leisten“, erklärt Aisling. Allein in der Europäischen Union leisten informelle Pflegekräfte jährlich 39 Mrd. Stunden an Pflege. Um diese Pflegearbeit durch formelle Dienste zu ersetzen, wären 19,5 Mio. zusätzliche Vollzeitkräfte erforderlich. Bei weiblichen Pflegekräften ist die Wahrscheinlichkeit weitaus größer, dass sie ihre bezahlte Arbeitszeit reduzieren oder ganz aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, um Pflegearbeit zu leisten. Dies geschieht oft ohne finanzielle Unterstützung, Rentengutschriften, Krankheitsurlaub oder Einkommen als Ausgleich für die Ausfallstunden. Auf längere Sicht können informelle Pflegekräfte dadurch einem Armutsrisiko ausgesetzt sein, insbesondere wenn es keine ausreichenden Konzepte für die soziale Absicherung gibt.

„Es kommt vor, dass man neben der Arbeit durchschnittlich 51–52 Stunden pro Woche für die Pflege aufwendet. Manchmal, wenn es an anderen Dienstleistern fehlt, können es bis zu 120 Stunden pro Woche sein. Das ist eine echte Herausforderung, die ich nicht einkalkuliert hatte“, sagt sie.

Darüber hinaus geht der Beitrag, den Frauen durch informelle Pflegearbeit leisten, über den rein wirtschaftlichen Wert hinaus. Aisling hebt die enorme Rolle hervor, die Pflegende bei der Unterstützung der Genesung von Familienmitgliedern spielen, aber auch bei der Gewährleistung von Würde und Lebens- wie auch Sterbequalität. Frauen bringen Mitgefühl und Empathie in ihre Pflegeaufgaben ein und tragen dazu bei, eine Kultur der Liebe, Solidarität und Unterstützung in Familien und Gemeinschaften zu fördern.

Es bedarf politischer Maßnahmen, um den immensen Beitrag pflegender Frauen anzuerkennen und zu würdigen und sie in ihrer Rolle als Pflegekraft zu unterstützen und zu stärken. Zu den Maßnahmen, die dazu beitragen können, dies zu erreichen, zählen Investitionen in die finanzielle Gleichstellung und Unterstützung für die psychische Gesundheit, die Verbesserung des Zugangs zu Informationen, die Förderung flexibler Arbeitsregelungen und die Einbindung der informellen Pflege in gemeindenahe Dienste und Pflegekräfte.

„Ohne informelle Pflegekräfte würde das Gesundheitssystem zusammenbrechen“, fügt sie hinzu. Für die Nachhaltigkeit der Pflegesysteme, die Anerkennung des immensen Beitrags, den Frauen leisten, und die Förderung gesunder, liebevoller Gemeinschaften müssen wir in die Unterstützung, den Schutz und die Stärkung der informellen Pflegekräfte investieren.

Unterstützung der Länder durch die WHO

WHO/Europa arbeitet eng mit europäischen und nationalen Pflegeorganisationen zusammen, um das Bewusstsein für den Unterstützungsbedarf informeller Pflegekräfte zu schärfen und den Austausch von Wissen und bewährten Praktiken zwischen den Ländern und Regionen Europas zu erleichtern. WHO/Europa erkennt den wachsenden Bedarf an Unterstützung und Informationen für informelle Pflegekräfte an und entwickelt derzeit einen offen zugänglichen Schulungskurs, der speziell auf diese zugeschnitten ist. Darüber hinaus unterstützt WHO/Europa die Länder bei der Verbesserung der Koordination zwischen formellen und informellen Pflegekräften und stellt sicher, dass die Perspektive von Pflegekräften in Konzepte zur Messung der Pflegequalität und zur Bewertung von Langzeitpflegeleistungen einbezogen wird.