Die Tabakindustrie versucht, erhitzte Tabakprodukte (heated tobacco products – HTP) und elektronische Nikotinabgabesysteme (electronic nicotine delivery systems – ENDS) als weniger schadhafte und sicherere Alternativen zu konventionellen Zigaretten zu vermarkten. In Wirklichkeit sind diese Produkte jedoch nicht harmlos. HTP sind Tabakerzeugnisse und können Nutzer tatsächlich größeren Mengen bestimmter Giftstoffe aussetzen als das herkömmliche Rauchen. ENDS enthalten Nikotin – eine Substanz mit hoher Suchtwirkung – und andere giftige Chemikalien.
Die Grenzen zwischen diesen Produkten werden von der Tabakindustrie rigoros verwischt, um Nutzer zu verwirren und den Gebrauch von HTP und ENDS zu verharmlosen und zu normalisieren, insbesondere unter jungen Menschen. In Reaktion darauf hat die WHO eine Reihe kurzer Videos entwickelt, die eine ausdrucksstarke Einführung in die Schädlichkeit dieser Produkte vermitteln und eindeutig zwischen ihnen unterscheiden. Zudem enthalten sie Anhaltspunkte darüber, wie sich HTP und ENDS regulieren lassen. Ziel der Videos ist es zu informieren, damit jeder ein nikotin- und tabakfreies Leben genießen kann.
Bewusste Versuche der Tabakindustrie, die Verbraucher bezüglich HTP und ENDS zu verwirren
Der bewusste Versuch, hinsichtlich der Kategorien dieser Produkte Verwirrung zu schaffen, bereitet für die allgemeine Öffentlichkeit wie auch die Regulierungsbehörden große Schwierigkeiten. HTP unterscheiden sich von ENDS. HTP erhitzen den Tabak, um aerosolhaltiges Nikotin zu erzeugen. Dabei handelt es sich nicht um so genannte Vape-Produkte, wie sie die Industrie oftmals bezeichnet. ENDS erhitzen eine nikotinhaltige Flüssigkeit. Diese enthält jedoch keinen Tabak. Elektronische Abgabesysteme, die angeblich kein Nikotin enthalten, werden als elektronische nikotinfreie Abgabesysteme (electronic non-nicotine delivery systems – ENNDS) bezeichnet.
Es ist wichtig zu unterstreichen, dass HTP Tabakerzeugnisse darstellen, d. h. sie bergen unterschiedliche Gesundheitsrisiken. Wann immer es zweckmäßig ist, vermarkten Tabakunternehmen HTP jedoch als elektronische Produkte „ähnlich wie ENDS“, um so von weniger strengen Vorschriften zu profitieren. Umgekehrt werden HTP in Ländern, in denen ENDS verboten sind, als Tabakprodukte vermarktet, die nicht in die verbotene Kategorie fallen.
Es bedarf einer genauen Unterscheidung von Produkten, um sowohl die von ihrem Gebrauch ausgehenden Gefahren als auch die unterschiedlichen erforderlichen Regulierungen zu verstehen. So werden ENDS etwa oft in Ergänzung zum Zigarettenrauchen verwendet, d. h. Raucher werden zu doppelten Nutzern, anstatt ein Produkt gegen das andere auszutauschen. Dies ist insbesondere in rauchfreien Umgebungen der Fall, wo die Nutzung von ENDS nicht verboten ist.
In einigen Ländern rauchen bis zu 70% der erwachsenen ENDS-Nutzer gegenwärtig zusätzlich Zigaretten. Die doppelte Nutzung kann schädlicher sein als die Nutzung nur eines Produkts – sie erhält die Abhängigkeit aufrecht und kann das Risiko für Atemwegserkrankungen erhöhen.
Regulierung erforderlich, um den Absatz neuartiger Tabak- und Nikotinprodukte unter Jugendlichen zu verhindern
Daten aus Ländern, die die E-Zigaretten-Nutzung überwachen, zeigen, dass ihre Prävalenz unter jungen Menschen in der Europäischen Region der WHO mit alarmierender Geschwindigkeit steigt. So stieg die Prävalenz unter jungen Menschen zwischen 2014 und 2018 in Italien von 8,4% auf 17,5% und zwischen 2011 und 2019 in Lettland von 9,1% auf 18,0%.
Die von WHO/Europa produzierten Videos geben einen kurzen Überblick darüber, was Politik und Regulierungsbehörden unternehmen können, um den Trend zur verstärkten Nutzung von HTP und ENDS einzudämmen. Gemäß den Leitlinien der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs reichen derartige Ansätze von einem Verbot von Aromen, die für Kinder ansprechend sind, über ein Verbot der Nutzung dieser Produkte in Innenräumen, wo auch Rauchen verboten ist, bis hin zu einem Verkaufsverbot an Minderjährige.
Die Tabakindustrie behauptet oft, dass HTP und ENDS Rauchern die Rauchentwöhnung erleichtern. Die Evidenz zur möglichen Rolle, die ENDS beim dauerhaften Rauchverzicht spielen könnten, ist jedoch nach wie vor nicht eindeutig. Bislang ist der wirksamste Ansatz für den dauerhaften Rauchverzicht nach wie vor eine Nikotinersatztherapie oder nikotinfreie Therapien. Was HTP angeht, sind diese nicht zuträglich, um Rauchern bei der Entwöhnung zu helfen, da sie selbst Tabakprodukte darstellen.
Darüber hinaus besteht die Befürchtung, dass ENDS als Einstieg in das konventionelle Rauchen dienen können. Eine jüngst durchgeführte systematische weltweite Untersuchung stellte fest, dass Kinder und Jugendliche, die ENDS nutzen – selbst versuchsweise –, mehr als doppelt so häufig später Zigaretten rauchen. Die Verhinderung einer Aufnahme der HTP- und ENDS-Nutzung ist daher eine entscheidende Strategie, um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen vor neuartigen Produkten sowie dem traditionellen Rauchen zu schützen.
„Mit diesen Videos verbreiten wir sehr eindeutige Botschaften für die Öffentlichkeit und für Politiker, um Verwirrung zu vermeiden und Maßnahmen auf Ebene der Länder zu beschleunigen“, erklärt Dr. Kremlin Wickramasinghe, kommissarischer Leiter des Europäischen Büros der WHO für die Prävention und Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten.
„Wir haben in unserer Region gute Beispiele von Ländern, die umfassende Konzepte zur Eindämmung des Tabakgebrauchs einführen und umsetzen und deren Anwendungsbereich auch auf neuartige Produkte, einschließlich HTP und ENDS, ausweiten. Es ist höchste Zeit, diese bewährten Praktiken zu verbreiten und sie auch mit anderen Mitgliedstaaten zu teilen.“