„Patienten sollten an der Gestaltung digitaler Gesundheits-Apps mitwirken“: Polinas Geschichte über die Bekämpfung von Krankheit durch Innovation

9 February 2022
Pressemitteilung
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Polina Pchelnikova, die im Finanzsektor beschäftigt war, wurde während eines Aufenthalts in Hong Kong zum Abschluss ihrer Doktorarbeit mit rheumatoider Arthritis diagnostiziert und musste für die Behandlung in die Russische Föderation zurückkehren. Durch ihren Kampf zur Bewältigung der Krankheit konnte Polina Erkenntnisse und Erfahrungen gewinnen, die es ihr ermöglichten, nicht nur die Krankheit zu überwinden, sondern auch jenen Patienten in Russland Gehör zu verschaffen, die mit Hilfe digitaler Technologien ihr Leben verbessern können. 

Polina, die sich inzwischen aktiv für gemeinnützige Organisationen einsetzt, die Patienten aus dem In- und Ausland zusammenbringen, berichtet von ihren Überlegungen zur Nutzung von Online-Tools für Patienten mit nichtübertragbaren Krankheiten.

Lösungen für ein besseres Leben

„Ich persönlich spreche nicht nur mit meinem Arzt online, sondern nutze auch mobile Apps und Taschenrechner, um meine körperliche Verfassung und die Einnahme von Medikamenten zu kontrollieren und online auf meine digitale Patientenakte zuzugreifen“, sagt Polina.

Für Patienten mit rheumatoider Arthritis können digitale Lösungen sehr nützlich sein. Diese entzündliche Gelenkerkrankung, die meist an Händen, Handgelenken und Knien auftritt, führt oft zu starken Schmerzen und einem Verlust an Lebensqualität. Doch bei richtiger Medikamentierung und mit Tools, die es den Patienten ermöglichen, ihre Gesundheitsindikatoren zu kontrollieren, kann die Krankheit wirksam unter Kontrolle gebracht werden, sodass die Patienten ein erfülltes Leben führen können.

„Dabei muss man sich im Klaren darüber sein, dass digitale Tools persönliche Termine in der Arztpraxis nicht vollständig ersetzen können. Es gibt verschiedene medizinische Indikationen [Symptome oder Erkrankungen, die eine bestimmte medizinische Behandlung empfehlenswert machen] und Kontraindikationen [Symptome oder Erkrankungen, die eine Behandlung riskant machen] für eine Fernversorgung. Manche Fälle lassen sich mit Hilfe digitaler Tools effektiv behandeln, andere sind dafür einfach nicht geeignet“, fügt Polina hinzu.

Innovativ heißt nicht immer wirksam

Polina erzählt von ihren persönlichen Erfahrungen: Wenn sich ihre Erkrankung in der Remissionsphase befindet, ist es sehr nützlich, den Gesundheitszustand mittels mobiler Apps zu überprüfen. Doch wenn die Entzündungen zurückkommen, reichen digitale Technologien allein nicht mehr aus.

„In solchen Phasen kann ich mich wegen der Schmerzen nicht normal bewegen und muss meine Behandlung verändern, sodass der behandelnde Arzt die Wahl hat: entweder einen direkten Termin mit mir vereinbaren, weil es nicht möglich ist, die Behandlung online zu ändern, oder anhand der vorliegenden digitalen Informationen Empfehlungen abgeben. Solche Situationen sind immer verwirrend. Es wäre toll, wenn die Ärzte konkrete, von den Gesundheitsbehörden genehmigte Leitlinien hätten“, erklärt sie.

Digitale Technologien sind im Gesundheitswesen der Länder der Europäischen Region der WHO noch relatives Neuland.

Als Polina 2010 ihre Diagnose erhielt, kannte sie keine effektiven digitalen Tools für Patienten mit rheumatoider Arthritis. Vier Jahre nach ihrer Diagnose fand sie schließlich die erste App speziell für ihre Erkrankung und lud sie sich herunter. Damals gab es nur englischsprachige Versionen, und es dauerte noch einige Zeit, bis die Technologie auch für russischsprachige Patienten vollständig lokalisiert wurde.

Beseitigung von Ungleichheiten im digitalen Bereich

Polina ist sich der nach wie vor mangelnden Kompetenz in Bezug auf digitale Tools bewusst – nicht nur unter Patienten, sondern auch in den Gesundheitsberufen. Das hat auch mit einem Mangel an Vertrauen in innovative Lösungen seitens der Allgemeinheit zu tun. 

„Mein Opa hätte keinen Zugang zu gesundheitsverbessernden Lösungen, wenn ich ihm nicht erklärt hätte, wie diese Tools funktionieren. Es gibt noch fast keine zuverlässigen Informationsquellen über digitale Angebote für Patienten, und die Ärzte zögern oft, ihren Patienten die neuen digitalen Möglichkeiten zu erklären.“

In diesem Zusammenhang ist Gesundheitskompetenz eng mit Datensicherheit und mit dem Zugang zu digitalen Tools verknüpft. Bei der Auswahl eines digitalen Tools sollten die Patienten sich im Klaren darüber sein, wie ihre Gesundheitsdaten verwendet und gespeichert werden, sodass sie der Technologie vertrauen können.

„Ich glaube, die größte Gefahr besteht darin, dass solche Technologien die Kluft im Gesundheitsbereich noch vergrößern könnten. Für diejenigen, die digitale Tools nutzen können, wird sich der Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung nur verbessern. Aber für Menschen, die diesen Zugang nicht haben, gäbe es dann noch weniger Möglichkeiten, sich Zugang zu professionellen Gesundheitsleistungen zu verschaffen“, fügte sie hinzu.

Mit dieser Problematik setzt sich auch das Europäische Arbeitsprogramm 2020–2025 auseinander. Darin wird nicht nur eine grundlegende digitale Umgestaltung im Gesundheitsbereich propagiert, sondern auch der Abbau gesundheitlicher Ungleichheiten in allen Ländern der Europäischen Region der WHO.

Erfahrungen von Patienten als Grundlage für Innovationen im Gesundheitsbereich

Digitale Tools machen es natürlich deutlich einfacher, einen Arzt um Rat zu fragen oder sich aktuelle Informationen über eine Therapie zu beschaffen. Die Patienten können Fahrzeit sparen und dennoch Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen. Für den Staat können digitale Tools Kostenersparnisse bei bestimmten Gesundheitsleistungen bringen.

Polina hofft, dass in Zukunft Patienten an der Gestaltung digitaler Tools für die Bewältigung und Behandlung von Krankheiten mitwirken können. Ohne die tatsächliche Erfahrung eines Lebens mit der Krankheit können selbst die hochkarätigsten Gesundheits- und Computerexperten keine vertrauenswürdige Gesundheitstechnologie schaffen, die Akzeptabilität, Benutzerfreundlichkeit, Effektivität und Sicherheit miteinander verbindet