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Pfleger Yunus (links) und sein Kollege in der kleinen Gesundheitseinrichtung in Karakul
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Pfleger Yunus (links) bespricht die Lagerung von Impfstoffen mit dem WHO-Mitarbeiter Anvar Nazurdinov (rechts)
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Das Dorf Karakul, eines der entlegensten Dörfer in ganz Tadschikistan
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Jurte im weiten Murghab-Tal. Der Großteil der hier lebenden Bevölkerung sind Nomaden
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Dr. Abdimanap
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Mutter und Tochter warten auf eine Masern- und Röteln-Impfung in der Einrichtung für die primäre Gesundheitsversorgung in Murghab
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Dr. Abdimanap zeigt eine Karte, die genutzt wird, um die nomadische Bevölkerung zu orten, damit mobile Gesundheitsteams Kinder erreichen können, die noch nicht geimpft wurden
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Holzofen mit Teekanne in Dr. Abdimanaps Büro
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Bereitstellung einer Gesundheitsversorgung bei -45 °C: Tadschikistans Helden auf dem zweithöchsten Plateau der Erde

11 September 2023
Pressemitteilung
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Abgelegenheit, extreme Witterungsbedingungen, schlechte Straßenverhältnisse und fast völlige Isolation vom Rest der Welt. Dies ist für die Bewohner des Murghab-Plateaus, dem zweithöchsten Plateau der Erde im Osten Tadschikistans, Realität. Im Winter fällt die Temperatur in der Stadt Murghab auf -45 °C, in anderen Teilen der Region sogar auf -60 °C. Für Gesundheitsfachkräfte ist es nicht leicht, unter diesen Bedingungen eine Gesundheitsversorgung anzubieten, insbesondere, da viele Medizinstudenten beschließen, nach Abschluss ihres Studiums nicht in ihre Heimatregion zurückzukehren. Diejenigen, die nach Murghab zurückkehren, erweisen sich jedoch als einige der engagiertesten Gesundheitsfachkräfte, die man sich vorstellen kann.

Im Rahmen einer landesweiten Kampagne für zusätzliche Impfmaßnahmen, bei der insbesondere mit dem Impfstoff für Masern und Röteln Impflücken geschlossen und ein anhaltender Masernausbruch im Land gestoppt werden sollen, hatte ein Team der WHO, das zu Besuch in Murghab war, Gelegenheit, mit zwei Gesundheitsfachkräften zu sprechen, die für die Umsetzung der Kampagne sorgen. Der Pfleger Yunus und der Arzt Abdimanap dienen ihren Gemeinschaften jeden Tag, und das in einer Höhe von fast 4000 Metern über dem Meeresspiegel. Dies ist ihre Geschichte.

Pfleger Yunus aus dem Dorf Karakul im Bezirk Murghab

Der Pfleger Yunus serviert jedem seiner Gäste eine Schüssel Kurut, einem getrockneten Joghurtprodukt, das aus Yak-Milch hergestellt wird. Gastfreundlichkeit ist überaus wichtig in der lokalen Kultur, und während er völlig ruhig erscheint, verraten seine Augen eine gewisse Nervosität. Immerhin ist die kleine Siedlung, wo er sein ganzes bisheriges Leben verbracht hat, einer der abgelegensten Orte im gesamten Land, und er hatte nicht erwartet, seinen Nachmittagstee und sein Mittagessen mit einem Team von WHO-Experten einzunehmen... 

Den Besuch zu planen, war nicht einfach: um das Dorf Karakul von der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe aus zu erreichen, war das WHO-Team drei Tage lang auf äußerst anspruchsvollen Straßen unterwegs. Nachdem er seinen Gästen Tee ausgeschänkt hat, lehnt sich Yunus auf seinem Taptschan, einem traditionellen erhöhten Möbelstück, das mit leichten Steppdecken bedeckt ist und auf dem das Nachmittagsmahl serviert wird, zurück. Die Unterhaltung kommt in Gang und Yunus beginnt sich langsam zu entspannen. 

Auf einer Höhe von 3900 Metern kann es in Karakul kalt werden. Sehr kalt. Starke Windböen machen eine warme Jacke erforderlich, auch in den Sommermonaten. Im Dorf leben 762 Menschen, doch im Sommer ist das Dorf nahezu menschenleer. Die Dorfbewohner sind Nomaden und ziehen in dem weiten Tal umher, um ihre Viehherden zu weiden und sich auf den bevorstehenden harten Winter vorzubereiten.

Nach dem Mittagessen begleitet Yunus die Besucher der WHO in die kleine Gesundheitseinrichtung im Zentrum der kleinen Stadt, die er zusammen mit einer anderen Pflegekraft leitet. Bevor er seine Gäste von der WHO herumführt, zieht Yunus seine Berufsbekleidung an, knöpft sorgfältig die blaue Jacke zu und setzt den frisch gepressten blauen Uniformhut gerade auf seinen Kopf.

Die zwei Räume der Einrichtung enthalten den Großteil der wesentlichen Ausstattung, die Yunus bei seiner Arbeit braucht. Tische für die Untersuchung der Patienten, eine Waage, ein mobiles Handwaschbecken, eine Sehtesttafel und ein Kühlschrank, in dem Yunus die Fläschchen mit dem Masern- und Rötelnimpfstoff lagert, die vor Kurzem für die Impfkampagne geliefert wurden. 

Yunus und das Team der WHO besprechen die landesweite Impfkampagne, die auch Murghab erreicht hat. Stolz erklärt Yunus, dass alle Kleinkinder im Dorf bereits gegen Masern und Röteln geimpft wurden, ganz in Einklang mit dem nationalen Impfplan. Nun müssen noch diejenigen, die in noch entlegeneren Gebieten leben, erreicht werden. Diese Aufgabe ist nicht so einfach wie sie klingt: Yunus überquert regelmäßig das unwegsame Gelände mit dem Fahrrad oder dem Auto, um jene zu versorgen, die in Jurten und kleinen Häusern in anderen entlegenen Teilen des Bezirks leben, und um Kinder zu erreichen, die bisher noch keinen Impfschutz erhalten haben.

„Es ist schwierig hier während der Wintermonate“, erzählt Yunus. „Es ist kalt und der Wind macht es umso schwieriger, nach draußen zu gehen. Aber das müssen wir. Und zwar nicht nur wegen Impfungen – die Menschen werden im Winter öfter krank, und manchmal rufen sie uns in der Nacht an. Wir sind die einzigen, die sie anrufen können, und wir müssen ihnen rund um die Uhr helfen. Es ist ein harter Job, aber es war mein Kindheitstraum, eine Ausbildung im medizinischen Bereich zu machen. Ich wusste immer, dass ich in das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, zurückkehren würde. Es ist meine Pflicht, den Menschen aus Karakul zu dienen.“

Dr. Abdimanap, Leiter der Einrichtung für die primäre Gesundheitsversorgung in der Stadt Murghab

Eine verzierte Teekanne wird auf einem kleinen Holzofen in Dr. Abdimanaps Büro warmgehalten. Es ist Sommer, daher wird der Holzofen in erster Linie für den Tee genutzt. Im Winter jedoch ist der Ofen unverzichtbar, um das Büro zu heizen. Draußen vor dem Büro weint ein Säugling. Der Flur ist mit Eltern, Großeltern und kleinen Kindern gefüllt. Sie alle sind in die Einrichtung für die primäre Gesundheitsversorgung in Murghab gekommen, um ihre Kinder gegen Masern und Röteln impfen zu lassen. Geduldig gibt er seinem Gesundheitspersonal Anweisungen, um den großen Patientenandrang zu bewältigen, jeweils eine Familie nach der anderen.

Dr. Abdimanap hat in Duschanbe studiert, um Chirurg zu werden, musste aber nach ein paar Jahren in seine Heimatstadt Murghab zurückkehren, um seine Familie zu unterstützen. Er lebt nun in der Stadt Murghab, die mit ihren 6000 Einwohnern die größte Siedlung im östlichen Teil der Region Berg-Badachschan in Tadschikistan ist. Die Bedingungen sind hart. Im Winter ist die Hauptstraße oft tagelang blockiert, sodass Murghab von der Außenwelt abgeschnitten ist. Die Temperatur kann in Murghab auf -45 °C sinken; in einigen der nahegelegenen Dörfer, in denen Dr. Abdimanap arbeitet, kann es sogar noch kälter werden.

Nach einer allgemeinen Untersuchung werden die Kinder in der Einrichtung mit ihren Eltern zur Impfung hereingebeten. Aus persönlicher Erfahrung weiß Dr. Abdimanap um die Bedeutung von Impfungen. „Diese Impfkampagne ist von entscheidender Bedeutung. Ich selbst bin als Kind an den Masern erkrankt. Ich war nicht geimpft und wurde sehr krank. Deshalb will ich alle Kinder in Murghab vor Krankheiten schützen, die sich so leicht verhindern lassen.“ 

Dr. Abdimanap erzählt, dass einige Leute in Murghab Bedenken bezüglich Impfungen haben, die von einer Angst vor Nebenwirkungen bis hin zu Aberglauben oder religiösen Überzeugungen reichen, und dass diese Bedenken Familien manchmal davon abhalten, zu Routineimpfungen zu kommen. Das Gesundheitspersonal ist nach Kräften darum bemüht, den Nutzen von Impfungen zu erläutern und das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen, und sie arbeiten auch eng mit örtlichen religiösen Führern zusammen, um Fehlinformationen entgegenzuwirken. Mit gutem Beispiel voranzugehen, ist eine weitere wichtige Strategie, wie Dr. Abdimanap erläutert. „Ich habe selbst vier Kinder. Und ich habe jedes einzelne von ihnen geimpft. Das hat der Gemeinschaft gezeigt, dass man uns vertrauen kann und wir hier sind, um sie zu schützen.“

Die Bedingungen in Murghab haben sich erheblich verbessert, seit Dr. Abdimanap vor rund 15 Jahren zurückkehrt ist. Damals musste er zunächst noch ohne Strom arbeiten. Die Einrichtung für die primäre Gesundheitsversorgung ist in gutem Zustand und ermöglicht es dem Arzt und seinem Personal, der gesamten Bevölkerung von Murghab unentbehrliche Gesundheitsleistungen anzubieten. Diese umfassen auch Impfmaßnahmen, trotz der geografischen Herausforderungen. „Die Menschen hier sind Nomaden und können sich sehr weit von unserer Stadt entfernt aufhalten. Doch wir wissen immer genau, wo sie sind – in welcher Schlucht –, und wir bleiben mit ihnen in engem Kontakt. Wir überwinden die geografischen Barrieren mit Hilfe von mobilen Truppen. Manchmal reisen sie bis zu 70 km weit, um nur eine Handvoll Kinder zu impfen.“

Die Arbeit auf dem Murghab-Plateau ist nicht nur ein Job, sie ist eine Mission.