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Wie lassen sich die Folgen der COVID-19-Pandemie auf die Gesundheit von Wanderarbeitnehmern verringern?

12 November 2020
Pressemitteilung
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Die neuen vorläufigen Leitlinien der WHO enthalten nützliche Informationen zu der Frage, was Mitgliedstaaten, Gesundheitsbehörden und Arbeitgeber zum Schutz von Wanderarbeitnehmern vor COVID-19 und seinen Folgen tun können. Dabei wird auch der wesentliche Beitrag von Wanderarbeitnehmern in der Europäischen Region der WHO zur Gesellschaft ihrer Gastländer hervorgehoben und die Frage beantwortet, wie sich Vorsorge-, Reaktions- und Wiederaufbaumaßnahmen in Bezug auf COVID-19 auf die Gesundheit von Wanderarbeitnehmern auswirken.

COVID-19 hat direkten und indirekten Einfluss auf die Gesundheit von Wanderarbeitnehmern

Die COVID-19-Pandemie und die zur Eindämmung der inländischen und grenzüberschreitenden Ausbreitung der Krankheit ergriffenen Maßnahmen haben die Arbeitsmärkte und die Mobilität der Bevölkerung stark beeinträchtigt; dies hat negative Auswirkungen auf die Gesundheit und die Existenzgrundlagen vieler Wanderarbeitnehmer.

„Wanderarbeitnehmer in der Europäischen Region der WHO sind im Gesundheits- und Verkehrswesen, am Bau, in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelindustrie oft an vorderster Linie eingesetzt. Während der COVID-19-Pandemie haben sie in hohem Maße zu den Gesellschaften und Volkswirtschaften ihrer Gastländer beigetragen. Diese vorläufigen Leitlinien verdeutlichen die speziellen Herausforderungen für diese Gruppen, die ganzheitliche Wirtschafts-, Sozial- und Beschäftigungskonzepte erfordern“, erklärte Dr. Gundo Aurel Weiler, Leiter der Abteilung Länderunterstützung und Notlagen.

Wanderarbeitnehmer sind häufig in zeitlich befristeten, informellen oder ungeschützten Beschäftigungsverhältnissen, die sie während der COVID-19-Pandemie besonders anfällig für Arbeitsplatzverlust und Lohnkürzungen machen. Oft wohnen und arbeiten sie auch auf engstem Raum, wo sie nicht den nötigen Abstand halten können, was ihre Gefährdung in Bezug auf eine Ansteckung mit COVID-19 noch erhöht.

Viele, vor allem Migranten ohne Papiere oder Beschäftigte im informellen Sektor (auch „Schattenwirtschaft“ genannt), haben Probleme mit ihren Arbeitsgenehmigungen und Visa und nur begrenzten oder gar keinen Zugang zu:

  • Gesundheitsversorgung und persönlicher Schutzausrüstung;
  • Krankengeld, Arbeitslosengeld und Sozialleistungen; oder
  • sprachlich und kulturell angemessene gesundheitsrelevante Informationen über ihre Rechte und über Infektionsschutzvorschriften.

Handeln oder Untätigkeit in einem Land hat weitreichende Konsequenzen

In den Leitlinien wird erläutert, wie Wanderarbeitnehmer oft unverhältnismäßig stark unter Reisebeschränkungen und Grenzvorschriften leiden. Denn Wanderarbeitnehmer stecken gewissermaßen in einer Zwickmühle: ihr Zugang zu wirtschaftlichen Chancen und sozialer Unterstützung in den Gastländern ist begrenzt oder fehlt gänzlich, doch wenn sie gehen, drohen Geldstrafen, Schulden oder zusätzliche Gesundheitsrisiken für sie selbst und ihre Gemeinschaften nach ihrer Rückkehr.

Wenn eine Rückkehr gelingt, drohen wiederum Arbeitslosigkeit, eine soziale Gegenreaktion und Stigmatisierung wegen vermeintlicher Verbreitung von COVID-19 oder des Ausfalls von Remissen, die für viele Familien und Gemeinschaften eine Lebensader darstellen.

Bereichsübergreifende Koordination auf kommunaler, nationaler, regionsweiter und globaler Ebene dringend erforderlich

„Wenn wir sowohl die Gesundheit der Wanderarbeitnehmer als auch die der Bevölkerung in den Gast- und Herkunftsländern verbessern wollen, brauchen wir einen energischen, kooperativen, ressortübergreifenden und grenzüberschreitenden Ansatz in allen unseren Mitgliedstaaten. Diese neuen vorläufigen Leitlinien beinhalten praktische Empfehlungen, die zur Bewältigung der Herausforderungen für Wanderarbeitnehmer und zur Milderung der negativen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beitragen können“, sagte Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa.

Zu den Grundsatzempfehlungen für die Mitgliedstaaten gehören:

  • Zusammenarbeit zwischen Entsende-, Durchgangs- und Aufnahmeländern;
  • Einhaltung der Leitlinien der WHO für Quarantäne und Selbstisolierung;
  • Einbeziehung von Wanderarbeitnehmern in Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 sowie den anschließenden Wiederaufbau;
  • aktive Verhinderung der Stigmatisierung und Diskriminierung von Wanderarbeitnehmern und rückkehrenden Migranten; und
  • Förderung sprachlich und kulturell angemessener Informationen über COVID-19 unter Wanderarbeitnehmern sowie an Grenzübergangsstellen.

Das WHO-Regionalbüro für Europa appelliert an Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände:

  • durch Entwicklung von Präventionsstrategien und -plänen für COVID-19 die Sicherheit und Gesundheit von Wanderarbeitnehmern zu schützen; und
  • Wanderarbeitnehmer über Infektionsschutzmaßnahmen sowie ihr Recht auf Zugang zur Gesundheitsversorgung aufzuklären.

Schließlich werden in den vorläufigen Leitlinien auch folgende Maßnahmen für Gesundheitsbehörden und Gesundheitsfachkräfte genannt:

  • Erhebung und Meldung von nach Migrationsstatus und Beschäftigung aufgeschlüsselten Daten zur Verbesserung des Verständnisses der Auswirkungen der Pandemie auf Wanderarbeitnehmer; und
  • Aufklärung des Gesundheitspersonals über migrantensensible Ansätze, bei denen die unterschiedlichen Empfindlichkeiten von Wanderarbeitnehmern berücksichtigt werden.

Die COVID-19-Pandemie hat die besondere Anfälligkeit von Wanderarbeitnehmern sowie deren Auswirkungen auf ihr Wohlbefinden unabhängig von ihrem Rechtsstatus oder ihrem wirtschaftlichen Beitrag zum Wohlstand einer Gesellschaft deutlich erkennen lassen. Durch einen auf Menschenrechte gestützten Ansatz auf allen Ebenen der Bekämpfung von COVID-19 können die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass niemand zurückgelassen und die Gesundheit aller geschützt wird.