Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms am 6. Juni 2023 hat weitreichende Verwüstungen angerichtet und menschliches Leid verursacht. Die Folgen für die Wasser- und Sanitärversorgung sowie die Abwassersysteme ebenso wie für die Gesundheitsversorgung sind nicht zu unterschätzen.
Infolge der schweren Überschwemmungen flussabwärts wurden Tausende Menschen vertrieben und wichtige Infrastruktur zerstört, darunter Straßen, Stromleitungen, landwirtschaftliche Nutzflächen, Gesundheitseinrichtungen und Privathäuser. Allein die Umweltschäden zu beheben, könnte Jahre dauern, angesichts potenziell gefährlicher landwirtschaftlicher Chemikalien, die in das Grundwasser sickern. Überschwemmungen in einem hochindustrialisierten Gebiet bergen das Risiko einer Freisetzung zusätzlicher Chemikalien ins Wasser, mit schweren Folgen für Menschen und Tiere auf Jahre hinaus. Darüber hinaus könnten die Überschwemmungen dazu geführt haben, dass nicht detonierte Minen aus dem Boden gelöst oder weggeschwemmt wurden.
Der Kachowkaer Stausee diente zahlreichen großen Städten in den Bezirken Dnipropetrowsk und Saporischschja sowie vielen Kleinstädten und Siedlungen als wichtige Wasserquelle. Durch die Zerstörung des Staudamms wurde die Wasserversorgung an diesen Orten unterbrochen oder verunreinigt, wovon auch Haushalte, kommunale Netze und landwirtschaftliche Bewässerungssysteme in Cherson und auf der Krim betroffen sind. Einige Gebiete sind ohne Strom oder Trinkwasser. Krankenhäuser sind zwar weiterhin offen und bieten Gesundheitsleistungen an, doch ist die Zugänglichkeit angesichts der schweren Überschwemmungen ein großes Problem.
Zusammen mit Partnerorganisationen ist die WHO mit Hochdruck um die humanitäre Reaktion in den betroffenen Gebieten bemüht, um auf die unmittelbaren und anhaltenden gesundheitlichen Bedürfnisse der Menschen einzugehen. Auf kurze Sicht besteht ein erhebliches Risiko der Ausbreitung von wasserbedingten Krankheiten, wie Cholera und Typhus, sowie von durch Nagetiere übertragenen Krankheiten, wie Leptospirose und Tularämie. Auf mittlere bis lange Sicht ist die WHO besorgt über die dauerhaften Folgen für die körperliche und psychische Gesundheit der betroffenen Gemeinschaften, die durch die Überschwemmungen verursachten Umweltschäden sowie die Schäden an Gesundheitseinrichtungen, durch die der Zugang zu Angeboten der grundlegenden medizinischen wie auch der fachärztlichen Versorgung (wie etwa Dialyse und Krebsversorgung) erschwert werden könnte.
Die Reaktion der WHO
In den von der Katastrophe betroffenen Gebieten unterstützt die WHO die ukrainischen Gesundheitsbehörden und Gesundheitsfachkräfte bei der Eindämmung der gesundheitlichen Folgen der Überschwemmungen. Dies umfasst die Lieferung unentbehrlicher Arzneimittel an Krankenhäuser, die die betroffene Bevölkerung versorgen, Krankheitsüberwachung und eine rasche Beurteilung der psychischen Bedürfnisse und anderer sich abzeichnender Bedürfnisse.
Bei der schnellen Reaktion der WHO stehen folgende fünf vorrangige Bereiche im Mittelpunkt:
- Prävention und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten: Zusammen mit den örtlichen Gesundheitsbehörden verstärkt die WHO die Überwachung wasserbedingter Krankheiten wie Cholera, Legionellose und E.Coli-Infektionen, indem sie Situationsanalysen und schnelle Risikobewertungen durchführt, entsprechende Testkits für Labore bereitstellt und die Medien überwacht, um rasch Warnmeldungen zu Problemen bei der Wasserqualität aufgreifen zu können. Bislang wurden keine Cholera-Fälle gemeldet. Im Rahmen ihrer anhaltenden Anstrengungen zur Bekämpfung möglicher Gesundheitsrisiken hatte die WHO der Region Cherson sowie ihren Nachbarregionen im April und Mai 2023 Cholera-Kits zur Verfügung gestellt. Diese präventive Unterstützung kann eingesetzt werden, um einzelne Krankheitsfälle im Falle ihres Auftretens umgehend einzudämmen.
- Direkte Unterstützung im Bereich psychische Gesundheit: Teams der WHO beurteilen die psychischen Bedürfnisse der Menschen und werden auf Grundlage der gesammelten Daten entsprechende Empfehlungen ausarbeiten.
- Versorgung nichtübertragbarer und chronischer Krankheiten: In Kooperation mit Partnerorganisationen der Vereinten Nationen ist die WHO aktiv an gemeinsamen Konvois beteiligt, um grundlegende Unterstützung zu leisten. Bislang wurden genügend Arzneimittel und medizinische Produkte verteilt, um nichtübertragbare Krankheiten (darunter Krebs, Diabetes und Herzkrankheiten) bei 3000 Menschen zu behandeln. In den kommenden Tagen sollen zusätzliche Versorgungsgüter geliefert werden, um den Zugang zu Gesundheitsleistungen zu verbessern, insbesondere für jene mit chronischen nichtübertragbaren Krankheiten.
- Risikokommunikation und Bürgerbeteiligung: Die WHO hat Informationen darüber geteilt, wie sich die Bevölkerung bei Überschwemmungen schützen kann. Gemeinsam mit dem ukrainischen Gesundheitsministerium hat die WHO Material zu akuten Infektionen wie Cholera und Botulismus, zur Wasseraufbereitung und zur Lebensmittelsicherheit entwickelt.
- Koordination zwischen Partnern: In der Ukraine ist die WHO die federführende Instanz in der Schwerpunktgruppe Gesundheit. Die Schwerpunktgruppe Gesundheit ist in der Oblast Cherson durch 24 Partnerorganisationen vertreten – darunter drei Organisationen der Vereinten Nationen –, die in 90 Siedlungen aktiv sind. Gemeinsam führen sie Gesundheitsinterventionen durch, etwa unter Nutzung mobiler Teams, u. a. für Tuberkulose und HIV, psychische Erkrankungen und nichtübertragbare Krankheiten.
Darüber hinaus stehen von der WHO unterstützte medizinische Notfallteams bereit, die gemeinsam mit dem ukrainischen Gesundheitsministerium und dem Zentrum für medizinische Notfallversorgung und Katastrophenmedizin betrieben werden, um Zivilisten bei einer Vielzahl dringender medizinischer Bedürfnisse zu helfen.
Die WHO und ihre Partner bei den Vereinten Nationen werden die ukrainischen Behörden auch weiterhin bei der Überwachung sämtlicher potenzieller Umweltrisiken unterstützen, darunter chemische wie auch nukleare Gefahren.
Schutzmaßnahmen
Flutwasser und stehendes Wasser bergen erhebliche Risiken für die menschliche Gesundheit. Ertrinken, Verletzungen und Unterkühlung sind unmittelbare gesundheitliche Risiken bei Überschwemmungen, doch ein breiteres Spektrum von Risiken umfasst alles von Tierbissen über wasser- und lebensmittelbedingte Krankheiten bis hin zu psychischen Gesundheitsproblemen.
Die WHO ist gemeinsam mit den ukrainischen Gesundheitsbehörden und Partnerorganisationen darum bemüht, die betroffene Bevölkerung mit Gesundheitsinformationen und Empfehlungen zu versorgen, wie sie sich nach den Überschwemmungen schützen können, u. a. darüber wie man:
- Ertrinken, Verletzungen und Unterkühlung verhindert;
- Tierbisse und von Nagetieren und Stechmücken übertragene Krankheiten verhindert bzw. behandelt;
- medizinische Hilfe in Anspruch nimmt;
- die Sicherheit von Wasser und Nahrungsmitteln gewährleistet;
- mit toten Tieren umgeht;
- sicher nach Hause zurückkehrt;
- vertrauenswürdige Informationen und Beratungsquellen findet.
Umfassende Gesundheitshinweise darüber, wie man seine Gesundheit bei Überschwemmungen schützt, finden Sie hier.
Vor dem Hintergrund des aktuellen Krieges in der Ukraine wird den Menschen zudem geraten, sich Objekten, die ihnen unbekannt sind oder die wie Minen oder Munition aussehen, nicht zu nähern und diese nicht anzufassen. Durch die Überschwemmungen können Minen und nicht detonierte Munition aus dem Boden gelöst und weggeschwemmt werden und spontan explodieren.
Die WHO wird die Situation, einschließlich der gesundheitlichen Bedürfnisse der Bevölkerung, auch weiterhin regelmäßig beobachten.