Das WHO-Regionalbüro für Europa ist den Ländern dabei behilflich, Erblindung und Sehbehinderungen bei Menschen mit Diabetes zu verhindern. Der am 14. November begangene Weltdiabetestag 2020 leitet eine Themenwoche in der Europäischen Region der WHO ein, die sich mit der Prävention von Erblindung und Sehbehinderungen bei Menschen mit Diabetes befasst.
Etwa 64 Mio. Menschen – rund 7% der Bevölkerung der Europäischen Region – leiden an Diabetes, und fast ein Drittel von ihnen weist eine Sehbehinderung oder Erblindung auf, die auf eine Erkrankung namens diabetische Retinopathie zurückzuführen ist. Mit einer Vorsorgeuntersuchung auf diabetische Retinopathie lassen sich stärker gefährdete Patienten identifizieren, sodass ihnen eine frühzeitige Behandlung oder ein rechtzeitiger Eingriff angeboten werden kann.
In der gesamten Europäischen Region bauen die Länder ihre Vorsorgeuntersuchungsprogramme für diabetische Retinopathie auf oder aus, wie aus drei Fallstudien hervorgeht. Am 18. November 2020 wird das Regionalbüro ein Webinar für politische Entscheidungsträger, leitende Kliniker und Verantwortliche im öffentlichen Gesundheitswesen veranstalten, auf dem ein neuer Leitfaden präsentiert wird.
Er trägt den Titel „Vorsorgeuntersuchungen auf diabetische Retinopathie: ein kurzer Leitfaden“ und ist ein operationelles Handbuch zur Gestaltung eines wirksamen und systematischen Vorsorgeuntersuchungsprogramms für diabetische Retinopathie. Die diabetische Retinopathie ist eine Erkrankung, die durch einen erhöhten Blutzuckerspiegel entsteht, der zu einer Schädigung der Blutgefäße in der Netzhaut führt und Sehbehinderungen und Erblindung zur Folge haben kann.
Diese Erkrankung ist weit verbreitet. Hochwertige, allgemein zugängliche und systematische Vorsorgeuntersuchungen sind eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass alle Diabetespatienten erreicht werden, bevor ihr Sehvermögen leidet.
„Wir wissen, dass diabetische Retinopathie eine häufige Ursache verhinderbarer Sehbehinderungen und Erblindungen in den Ländern der Europäischen Region ist“, erklärte Dr. Jill Farrington. „Wir ermutigen die Länder dazu, ein neues Vorsorgeuntersuchungsprogramm für diabetische Retinopathie einzuführen oder ihren bisherigen Ansatz zu überprüfen und zu optimieren. Sorgfältig konzipierte Vorsorgeuntersuchungsprogramme sind kosteneffektiv und können Tausende Menschen mit Diabetes vor Sehbehinderungen bewahren.“
Gegenwärtig bietet sich ein sehr uneinheitliches Bild. So haben viele Länder bereits Augenuntersuchungen für Menschen mit Diabetes in irgendeiner Form eingeführt, doch sind diese oftmals nicht systematisch organisiert und sehen keinen Untersuchungspfad für alle Betroffenen vor; zudem sind sie nicht ausreichend finanziell ausgestattet. Die wirksamste Untersuchungsmethode ist eine digitale Retinalaufnahme, doch wenn diese nicht bezahlbar ist, können einschlägig ausgebildete Fachärzte die Patienten auch mit anderen Verfahren untersuchen. Viele Länder verfügen nicht einmal über eine Liste oder ein Register der Personen mit Diabetes, sodass wohl manche nicht zur Vorsorgeuntersuchung eingeladen werden. Manchmal sind die Systeme fragmentiert, und es gibt keinen festgelegten Untersuchungspfad. Deshalb fallen sogar in Ländern mit hohem Volkseinkommen Menschen mit Diabetes durch das Netz aus Hausärzten, Endokrinologen, Diabetologen, Augenärzten und Krankenhäusern auf verschiedenen Ebenen und an verschiedenen Orten.
Vorsorgeuntersuchungen funktionieren. Sie weisen frühzeitig auf Veränderungen im Auge hin, sodass eine Behandlung als Teil des Untersuchungspfades noch wirksam sein kann. Die Verhinderung bzw. Verlangsamung des Fortschreitens der diabetischen Retinopathie hängt von einer guten Einstellung des Diabetes ab, zu der auch eine Aufklärung der Patienten, eine Unterstützung der Selbstbewältigung und die Erleichterung der Kontrolle von Blutzucker, Blutdruck und Blutfetten durch eine gesunde Lebensweise und angemessene Behandlung gehören. Bei Retinopathie in einem fortgeschrittenen Stadium kann eine Behandlung mit Laser und, falls vorhanden, mit intraokularen Injektionen erfolgen.
Der Leitfaden
In dem Leitfaden werden politische Entscheidungsträger, Verantwortliche im öffentlichen Gesundheitswesen und leitende Kliniker dabei unterstützt, ihren bisherigen Ansatz bei der Vorsorgeuntersuchung auf diabetische Retinopathie kritisch zu überprüfen, und dazu aufgefordert, unabhängig von ihrer gegenwärtigen Position Maßnahmen zur Verbesserung ihres Ansatzes zu ergreifen und solche Vorsorgeuntersuchungen wirksamer zu gestalten und systematisch und letztendlich chancengleich für alle Menschen mit Diabetes einzuführen.
In dem Leitfaden werden die Grundsätze und wesentlichen Hintergrundinformationen in Bezug auf Vorsorgeuntersuchungen, die Gestaltung eines wirksamen Vorsorgeuntersuchungsprogramms, die Entwicklung einer Optimierungsstrategie mit entsprechenden Ressourcen und Infrastrukturen und die Gestaltung eines Modells, die Stärkung des Pfades, den Betrieb eines leistungsfähigen Programms, die Gewährleistung eines chancengleichen Zugangs, die Steuerung des Veränderungsprozesses und die Bestimmung des zu untersuchenden Personenkreises erläutert. Ferner werden Fragen zu Themen wie Diagnose, dem zu untersuchenden Personenkreis, der Art der zu verwendenden Tests, dem zuständigen Personal, den einzuhaltenden Protokollen, dem Ort der Untersuchung und der zu verwendenden Technologie, aber auch zu den Aspekten Organisationsführung, Finanzierung, Nachverfolgung und Berichterstattung beantwortet. Außerdem werden gemeinsame Szenarien für die Länder und konkrete Beispiele für bewährte Praktiken dargestellt.