Länder der Europäischen Region bekennen sich zu behinderungsgerechten Gesundheitssystemen und Gesellschaften

14 September 2022
Pressemitteilung
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Auf der 72. Tagung des WHO-Regionalkomitees für Europa haben die 53 Länder der Europäischen Region den ersten Handlungsrahmen zur Verwirklichung eines Höchstmaßes an Gesundheit für Menschen mit Behinderungen in der Europäischen Region angenommen. 
Dieses neue Bekenntnis auf höchster politischer Ebene sieht eine Zusammenarbeit der Regierungen mit WHO/Europa vor, deren Ziel lautet, in den Gesundheitssystemen und in der Gesellschaft jegliche Barrieren für Menschen mit Behinderungen zu beseitigen. Der Handlungsrahmen soll den Ländern beim Ausbau behinderungsgerechter Gesundheitssysteme behilflich sein, die die Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen mit Behinderungen aus allen Altersgruppen und den unterschiedlichsten Umfeldern schützen und fördern.
„Wenn jede und jeder Zugang zu den benötigten Gesundheitsleistungen hat – ohne Einschränkungen –, dann kommt dies allen zugute. Der heute vereinbarte Handlungsrahmen wird zur Gestaltung des Gesundheitswesens beitragen, sodass alle, auch Menschen mit Behinderungen, mit Würde und Respekt behandelt werden und eine uneingeschränkte Teilhabe erhalten“, sagte Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa. 
Er fügte hinzu: „Er ist das Endprodukt einer lange anhaltenden strategischen Zusammenarbeit zwischen der WHO und Verbänden von Menschen mit Behinderungen mit dem Ziel, das Recht aller auf Gesundheit zu verwirklichen, und wird dazu beitragen, das Europäische Arbeitsprogramm, das Allgemeine Arbeitsprogramm der WHO und das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen umzusetzen.“  

Gesundheitssysteme müssen behinderungsgerechter gestaltet werden

Derzeit leben in Europa und Zentralasien mindestens 135 Mio. Menschen mit einer Behinderung.  Fast jeder Mensch erlebt irgendwann im Laufe seines Lebens eine (vorübergehende oder dauerhafte) Behinderung. 
Menschen mit Behinderungen sind oft verstärkt auf die Gesundheitsversorgung angewiesen, treffen aber manchmal auch auf mehr Barrieren beim Zugang zu diesen Leistungen und deren Inanspruchnahme. Deshalb bleiben ihre gesundheitlichen Bedürfnisse häufiger unerfüllt. 
Unerfüllte gesundheitliche Bedürfnisse können negative Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden haben und führen häufig zu ungünstigen Gesundheitsresultaten. Dazu gehören Sterblichkeitsraten, die über alle Altersgruppen hinweg zwei- bis dreimal so hoch sind wie beim Rest der Bevölkerung, aber auch unnötig hohe Gesundheitskosten, da Verzögerungen beim Zugang zur Gesundheitsversorgung oftmals schwierigere und kostspieligere Behandlungen zur Folge haben.  
Barrieren beim Zugang zur Gesundheitsversorgung sind häufig auf Systemfehler und Versäumnisse in der Leistungserbringung zurückzuführen. Die Länder müssen die räumlichen Barrieren abbauen, die Menschen mit Behinderungen den Zugang zu Gesundheitseinrichtungen und Gesundheitsleistungen versperren. Außerdem müssen sie Barrieren beseitigen, die den Zugang zu Informationen behindern, und eine Änderung von Einstellungen herbeiführen, die nur allzu oft zu Diskriminierung führen. 
„Niemanden zurücklassen bedeutet, Gesundheitssysteme und Gesellschaften aufzubauen, die für alle funktionieren – auch für Menschen mit Behinderungen“, erklärte Dr. Natasha Azzopardi-Muscat, Direktorin der Abteilung Gesundheitspolitik und Gesundheitssysteme der Länder bei WHO/Europa. „Die heutige Resolution ist mit ihrem hohen Anspruch ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Aufbauend auf diesem Erfolg, hoffen wir, dass die Länder weiterhin für inklusive Systeme werben, sodass alle ein Leben in Gesundheit und Wohlstand führen können.“  

Der weitere Weg

Zur Verwirklichung von Inklusion in der heutigen Gesellschaft kommt es entscheidend auf einen Paradigmenwechsel an. Die Inklusion von Menschen mit Behinderungen ist ein elementarer Bestandteil der Überwindung der drei größten Herausforderungen für Gesundheit und Wohlbefinden in allen Altersgruppen: Verwirklichung einer allgemeinen Gesundheitsversorgung; wirksame Interventionen im öffentlichen Gesundheitswesen; und Schutz der Menschen vor gesundheitlichen Notlagen. 
In dem Handlungsrahmen werden vier zentrale Grundsätze genannt, mit denen diese Ziele verwirklicht werden sollen: 
  1. Menschenrechte – Menschen mit Behinderungen müssen gleichberechtigt mit anderen die gleichen Rechte genießen; 
  2. universelle Gestaltung – Leistungen, Geräte und Produkte sowie die bauliche Umwelt im Gesundheitswesen müssen für alle Menschen zugänglich sein und von ihnen genutzt werden können; 
  3. ein Lebensverlaufansatz – das Gesundheitswesen muss den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensphasen gerecht werden; und
  4. inklusive Gesundheitssysteme – die Inklusion von Menschen mit Behinderungen muss zum festen Bestandteil sämtlicher Bereiche der nationalen Gesundheitssysteme werden.
 
Um die Stimmen von Menschen mit Behinderungen und der sie vertretenden Organisationen ins Zentrum der Entscheidungsfindung zu rücken, ist eine Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Partnern von entscheidender Bedeutung.