WHO / Arete / Maxime Fossat
The new digital registry shares information on cancer cases among all hospitals and places where a cancer patient can have treatment.
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Daten prägen die Ansichten der Menschen zu Krebs in Kirgisistan

15 February 2023
Pressemitteilung
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Eine große Herausforderung für Gesundheitsexperten in Kirgisistan besteht darin, den weitverbreiteten Glauben zu widerlegen, dass Krebs eine unheilbare Krankheit darstellt. In einem Land, in dem die Überlebensraten bei Krebs historisch gesehen immer sehr niedrig waren, können Daten auf wirksame Weise genutzt werden, um zu zeigen, inwiefern Präventionsmaßnahmen, Früherkennung und der Zugang zu Behandlungen Menschenleben retten und verlängern können.  

Sieben Jahre nach der Einrichtung des kirgisischen Krebsregisters sprechen wir mit deren Leiterin, Dr. Elena Ten, darüber, wie Daten die Denkweisen der Menschen verändern können. Dr. Ten ist, seitdem sie an einem vom Internationalen Krebsforschungszentrum (IARC) der WHO organisierten Sommerseminar zu nationalen Krebsregistern teilgenommen hat, eine starke Befürworterin von Investitionen in die Erfassung und Analyse von Krebsdaten in ihrem Land. 

„Durch eine ordnungsgemäße Überwachung der Krebsfälle in der Bevölkerung mithilfe hochwertiger Daten können wir ein besseres Verständnis über die tatsächliche Belastung durch Krebs entwickeln und die Wirkung politischer Veränderungen aufzeigen“, beharrt sie.  

Stärkung nationaler Handlungskonzepte

Seit 2015 liefert das kirgisische Krebsregister wichtige Informationen über Krebsfälle in drei Verwaltungsgebieten des Landes, darunter auch das größte, das Gebiet Tschüi. 

„Das Register dient als Überwachungsinstrument und als Datenknotenpunkt und ermöglicht uns die Erfassung und Analyse von Informationen zu sämtlichen Krebsfällen bei Erwachsenen und Kindern in einer elektronischen Datenbank. Wir erfassen zu jedem Fall Informationen zu Krankheitsstadien sowie Anzahl und Art von Behandlungen, von der Diagnose bis hin zum Tod oder Überleben“, erläutert Dr. Ten. 

„Unsere Aufgabe besteht darin, das Gesundheitsministerium mit den Ergebnissen der epidemiologischen Krebsüberwachung zu versorgen, welche zusammengefasste Daten zur Anzahl der Fälle, zu Krebsstadien und Überlebensraten von Krebspatienten sowie Informationen zur Wirksamkeit von Maßnahmen zur Krebsprävention in allen Landesteilen umfasst.“ 

In dieser Hinsicht unterscheidet sich ein bevölkerungsbasiertes Krebsregister von einem krankenhausbasierten Krebsregister, das von Ärzten für die Behandlung, das Krankheitsmanagement und die Weiterverfolgung einzelner Patienten und von der Krankenhausleitung für die Planung, Überwachung und Evaluation der Ergebnisse konkreter Maßnahmen, wie etwa der Einführung neuer Technologien, genutzt wird. Daten aus einem bevölkerungsbasierten Krebsregister können dazu genutzt werden, nationale Handlungskonzepte für die Krebsprävention, -früherkennung und -behandlung zu gestalten und zu stärken, und bilden daher das Rückgrat eines nationalen Programms für die Krebsbekämpfung. 

Kooperation und Veränderung

„Ziel des Registers ist es, hochwertige Daten zu liefern, die in die Planung sämtlicher Leistungen einfließen. Das ist kein einfaches Verfahren und bedeutet die Änderung alter Arbeitsmethoden, von der Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Vervollständigung der Datensätze bis hin zur Beimessung eines höheren Stellenwertes für Berichte, die durch gute Daten gestützt sind“, führt Dr. Ten fort. 

„Jedes Jahr stellen wir nun unsere Ergebnisse medizinischen und wissenschaftlichen Verbänden vor, beschreiben, was auf der Bevölkerungsebene erfolgt ist, und zeigen auf, warum es wichtig ist, die Qualität unserer Daten kontinuierlich zu verbessern. Schon jetzt hilft das Register, Ungleichheiten im Hinblick auf Krebserkrankungen zu messen und Investitionsentscheidungen für eine größere Wirkung zu beeinflussen. Die langfristigen Trends bei Krebserkrankungen werden in den kommenden Jahren zunehmend offenkundig werden“, bemerkt sie. 

Das kirgisische Gesundheitsministerium beschloss im Anschluss an eine gemeinsame Mission von WHO/Europa, der Internationalen Atomenergie-Organisation und dem IARC im Jahr 2015, das bevölkerungsbasierte Krebsregister einzurichten und zu finanzieren. Das Ministerium beschloss, das Register in zwei wissenschaftlichen Einrichtungen anzusiedeln – dem Wissenschafts- und Produktionszentrum für präventive Medizin und dem Nationalen Zentrum für Onkologie und Hämatologie. Diese Entscheidung führte zu einer neuen und wichtigen Kooperation zwischen Einrichtungen der klinischen und öffentlichen Gesundheit. 2017, 2018 und 2019 wurden Folgemissionen der WHO durchgeführt, um die Entwicklung des Registers weiter zu unterstützen. 

Das neue digitale Register ersetzte ein altes papiergestütztes Meldesystem, das seit 1953 genutzt worden war. In dem alten System waren lediglich Onkologen verpflichtet, Krebsfälle zu melden. Jetzt müssen alle Krankenhäuser und jede Einrichtung, in der die Diagnose „bösartiges Neoplasma“ bestätigt werden oder in der ein Krebspatient behandelt werden kann, entsprechende Daten an das Krebsregister melden. 

Identifizierung von Lücken und Ungleichheiten

Eine der zentralen Stärken des kirgisischen Krebsregisters besteht darin, dass es Daten zu Krebsfällen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen erfasst und analysiert. Krebs bei Kindern kann weitgehend nicht verhindert werden und Vorsorgeuntersuchungen sind weitgehend ungeeignet. Es ist unerlässlich, den Verlauf der Fälle zu verfolgen, damit Früherkennungs- und Behandlungsangebote dort bereitgestellt werden können, wo sie gebraucht werden. 

Es besteht der Verdacht einer Untererfassung der Krebsmortalität bei Kindern in Kirgisistan, vermutlich aufgrund von Verzögerungen bei der Meldung des Todes eines Kindes durch die Familie. Dies wurde durch einen Abgleich von im Krebsregister enthaltenen Daten mit Daten des ersten im Land eingerichteten Hospiz für Kinder festgestellt. Die Daten des Krebsregisters lassen auch erkennen, dass an Krebs erkrankte Mädchen im Vergleich zu Jungen zu selten diagnostiziert werden. Diagnosen werden deutlich häufiger für Menschen im erwerbsfähigen Alter als für Kinder und ältere Menschen gestellt, und die Diagnostik und Behandlung für Krebspatienten ist nach wie vor weitgehend auf Großstädte beschränkt. 

Neben der Bereitstellung von Daten dienen die Veröffentlichungen des Krebsregisters auch als ein Instrument für die Überzeugungsarbeit. Im Jahr 2021 wurde der Staatshaushalt für Krebs infolge umfassender Überzeugungsarbeit vonseiten der Zivilgesellschaft, in erster Linie vorangetrieben durch Verbände von Krebspatienten, erhöht. Das kirgisische Krebsregister ist Teil eines starken Netzwerks derartiger Register in der Europäischen Region, die eng zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen.  

Führungsstärke und politischer Wille 

Neben der Erfassung und Analyse von Daten sind Dr. Ten und das Team des Registers auch stark in das mit Unterstützung der WHO ausgearbeitete Nationale Programm für die Krebsbekämpfung eingebunden. „Wir, das Personal des Krebsregisters, machen auf vorrangige Handlungsfelder aufmerksam, in denen es auf Grundlage der Daten des Registers Verbesserungen bei der Krebsbekämpfung bedarf“, erklärt Dr. Ten. „Seit der Einrichtung des Registers haben sich diese vorrangigen Handlungsfelder weiterentwickelt. Wir müssen weiterhin der Krebsbehandlung Beachtung schenken, aber wir müssen auch über Prävention und Früherkennung nachdenken.“ 

Dr. Nino Berdzuli, Direktorin der Abteilung Gesundheitsprogramme der Länder bei WHO/Europa, lobt Kirgisistan für seine anhaltende Unterstützung des Krebsregisters. „Wenn es gutes Fachpersonal gibt, das die Notwendigkeit von Krebsregistern versteht, dann ist politischer Wille der einzige andere Erfolgsfaktor. Kirgisistan hat bei der Ermöglichung dieser Arbeit große Führungsstärke bewiesen.“  

„Die nächste große Herausforderung für das Nationale Programm für die Krebsbekämpfung wird darin bestehen, den Zugang zur grundlegenden Diagnostik und Behandlung für Krebspatienten zu verbessern, damit die Menschen voll an ein Leben nach dem Krebs glauben können“, führt sie fort.