Das in der Region Taschkent angesiedelte Kinderhospiz Taskin (usbekisch für „Trost“) stellt einen echten Meilenstein in der Entwicklung der wichtigen Angebote der Palliativversorgung in Usbekistan dar. Die Kenntnis und das Verständnis der Palliativversorgung für Kinder sind in den Gesundheitsberufen wie auch in der Öffentlichkeit nur beschränkt vorhanden; dies möchte Dr. Rustambek Norbaev, Chefarzt in dem Hospiz Taskin, ändern. Er bemüht sich energisch darum, seine eigenen Fähigkeiten als Palliativfacharzt in der Pädiatrie weiterzuentwickeln und die Kompetenzbildung innerhalb der Gesundheitsberufe voranzutreiben.
„Zwei Erlebnisse haben mich auf diesen Weg gebracht“, erklärt Dr. Norbaev. „Das erste waren die Vorlesungen von Dr. Ziyaev Yahyo über Hospiz- und Palliativversorgung, an denen ich als junger Medizinstudent teilnahm. Er ist nach wie vor ein wichtiger Mentor für mich, und ich schätze mich glücklich, inzwischen mit ihm zusammenarbeiten zu dürfen. Das zweite Erlebnis war, als ich 2019 auf einer nationalen Tagung der Globalen Initiative der WHO zur Bekämpfung von Krebs im Kindesalter in Taschkent Fachärzte für die Palliativversorgung von Kindern vom weltweit renommierten St. Jude Children’s Research Hospital kennenlernte. Sie haben mich dazu inspiriert, mich diesem Spezialgebiet zu widmen.“
Usbekistan verfügt bei der Bevölkerung von über 35 Millionen landesweit über nur 200 Betten für die Palliativversorgung von Erwachsenen, doch diese sind ausschließlich für Krebspatienten bestimmt. Es ist schwierig, den Gesamtbedarf an Palliativversorgung in der Bevölkerung abzuschätzen, doch nach Daten des Internationalen Krebsforschungszentrums der WHO (IARC) wurde die Inzidenz von Krebs in der Altersgruppe unter 15 Jahren in Usbekistan 2022 auf 10,7 Fälle je 100 000 Einwohner geschätzt. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit einer weiteren Ausdehnung der Palliativversorgung von Kindern.
Palliativversorgung von Kindern
Aktuell sind in dem Hospiz 20 junge Menschen mit Krebs sowie ihre Eltern untergebracht. In der Einrichtung sind vier Ärzte, sieben Pflegekräfte, zwei Psychologen, ein Sozialarbeiter, sechs Nachwuchskräfte und ein Therapiehund namens Lisa tätig. Jedes Zimmer ist von einem Kind und einem Elternteil belegt und mit Bad, Fernsehen, Telefon, Kühlschrank, Klimaanlage, Heizung und Internetzugang ausgestattet. Die Kinder haben Zugang zu einem Kunstraum, wo sie an Mal- und Töpferkursen teilnehmen können.
Junge Menschen aus dem ganzen Land können ohne Überweisung einziehen. Das einzige Erfordernis ist ein Krankenhausentlassungsbrief jüngeren Datums, aus dem die Diagnose einer fortgeschrittenen Krebserkrankung hervorgeht. Alle Leistungen für stationäre Patienten und ihre Angehörigen sind kostenlos.
Dr. Norbaev erklärt: „Wir sorgen für Schmerzlinderung, Medikamente gegen Übelkeit und Ernährungsberatung für unsere Hospizpatienten, und wir leisten auch psychosoziale Hilfe für die Patienten und ihre Eltern. Normalerweise beträgt die Aufenthaltsdauer zehn Tage, doch je nach Situation können Patienten auch bis an ihr Lebensende in dem Hospiz bleiben. Je nach Verfügbarkeit von Betten können wir auch Ruhepausen für Patienten mit einer hochdosierten Chemotherapie oder Schmerzlinderung für Patienten mit chronischem Schmerzsyndrom anbieten.“
Wie in anderen Ländern in Osteuropa und Zentralasien ist auch in Usbekistan der Zugang zu Palliativmedikamenten und insbesondere zu starken Opioiden nach wie vor stets eine logistische und juristische Herausforderung. Zur Injektion stehen Opioide zur Verfügung, während flüssiges Morphin alle vier Stunden verabreicht werden muss. Dagegen sind Formulierungen mit verzögerter Abgabe nicht verfügbar. Für die Verschreibung von Opioiden sind Onkologen auf der Bezirksebene zuständig, doch Probleme bei der Beschaffung und Versorgung führen manchmal zu einer Diskrepanz zwischen dem Bedarf der Patienten und der aktuellen Verfügbarkeit.
Neben dem begrenzten Zugang zu starken Opioiden ist eine weitere ernste Herausforderung für Dr. Norbaev und die Beschäftigten in der Palliativversorgung der Umgang mit der inhärenten Angst und Unwissenheit der Angehörigen der Gesundheitsberufe sowie der Kinder und ihrer Eltern im Hinblick auf die Verschreibung und Verabreichung von starken Opioiden. Viele behandelnde Ärzte und Onkologen verstehen nicht, wie Palliativversorgung funktioniert, welchen Nutzen sie hat und wann sie beginnen sollte.
Dr. Norbaev sieht hier dringenden Handlungsbedarf: „Erstens brauchen wir Schulungen für Ärzte und Gesundheitspersonal der mittleren Ebene. Wir müssen dafür sorgen, dass Onkologen keine Angst davor haben, Patienten in ein Hospiz zu überweisen. Und wir müssen uns mit den Bedenken der Eltern auseinandersetzen, damit sie verstehen, dass Palliativversorgung in den meisten Fällen das Leben nicht verkürzt, sondern es sogar verlängern kann. Sie müssen Bescheid wissen, damit sie die richtige Entscheidung für ihre kranken Kinder treffen können.“
Dr. Norbaev ist ein überzeugter Verfechter des Rechts auf Zugang zur Palliativversorgung und erkennt deren Wert für die Verbesserung der Versorgungsqualität für Patienten und ihre Angehörigen:
„Das Recht auf eine hochwertige Palliativversorgung ist ein grundlegendes Menschenrecht. Die Palliativversorgung ist ein integraler Bestandteil der Medizin. Die Ausbildung einer Kohorte von Palliativfachärzten wird insgesamt zu einer Verbesserung der medizinischen Versorgung beitragen. Die Palliativversorgung als Disziplin dient primär der Verbesserung der Lebensqualität der Patienten. Und sie vermittelt den Ärzten die Fähigkeit, schwierige Gespräche mit Familien und Patienten zu führen.“
Klare Lösungen
Bei der Einbettung einer hochwertigen Palliativversorgung in die Gesundheitssysteme mit dem Ziel einer Palliativversorgung für alle Kinder, die sie benötigen, gilt es eine Vielzahl von Herausforderungen zu überwinden, etwa den unzureichenden Zugang zu unentbehrlichen Arzneimitteln.
Auch wenn es immer noch erheblichen Handlungsbedarf gibt, so sind doch in der gesamten Europäischen Region Fortschritte in der Palliativversorgung für Kinder zu verzeichnen. So wurde viel für die Entwicklung von Leitlinien für die Schmerzlinderung bei Kindern und Erwachsenen getan, und nun gilt es, dafür zu sorgen, dass diese von den Gesundheitsberufen durchgehend angewendet werden.
Der aktuelle Standort des Kinderhospizes in der Nähe von Taschkent ist noch nicht sein endgültiger Sitz; vielmehr ist eine Verlegung von dem Gelände der ehemaligen COVID-19-Klinik an denselben Standort wie das geplante Hospiz für Erwachsene vorgesehen. Dort soll ein zentrales nationales Hospiz entstehen, das auch für die Schulung des Personals und für die Organisation einer landesweiten integrierten Palliativversorgung zuständig ist.
Die Arbeit der WHO im Bereich der Palliativversorgung in Usbekistan
Das Team für Krebsbekämpfung bei WHO/Europa unterstützt die Konzeptentwicklung und berät die gesamte Europäische Region der WHO fachlich und methodisch in Bezug auf die Stärkung der Gesundheitsversorgung für eine Verbesserung von Diagnose, Behandlung und Ergebnissen bei Krebsfällen im Kindesalter. Usbekistan gehört zu den Schwerpunktländern der Globalen Initiative der WHO zur Bekämpfung von Krebs im Kindesalter. Zusammen mit dem WHO-Länderbüro in Usbekistan und dem Team des Referats Palliativversorgung bei WHO/Europa strebt das Team eine Verbesserung von Zugänglichkeit und Qualität der Palliativversorgung für Kinder und Erwachsene in dem Land an.