Auf der 72. Tagung des WHO-Regionalkomitees für Europa haben 53 Länder Aktionspläne zur Beendigung einer Reihe von Krankheiten, zur wirksameren Bewältigung neu entstehender Notlagen und zur Einführung neuer Lösungsansätze
und Technologien zur Verbesserung der Gesundheit verabschiedet.
Nach zwei aufeinander folgenden Tagungen seiner wichtigsten jährlichen Veranstaltung in virtueller Form inmitten der Pandemie hielt WHO/Europa die 72. Tagung des Regionalkomitees (RC72) vom 12. bis 14. September 2022 in Israel ab. Neben den 53 Mitgliedstaaten
aus Europa und Zentralasien waren auch eine Reihe von Partnerorganisationen eingeladen. Insgesamt kamen für das RC72 etwa 500 Teilnehmer nach Tel Aviv, und weitere 200 waren online zugeschaltet. Die Ergebnisse waren beeindruckend.
So nahmen die Delegierten Blaupausen für eine wirksamere Bekämpfung und letztlich Beendigung mehrerer weiterhin problematischer Krankheiten an, darunter Gebärmutterhalskrebs, Tuberkulose, Virushepatitis sowie HIV/Aids und andere sexuell
übertragbare Infektionen.
Um die Verwirklichung des Gebots, niemanden zurückzulassen, voranzutreiben, nahmen die Länder erstmals einen Handlungsrahmen zur Verwirklichung eines Höchstmaßes an Gesundheit für die geschätzt 135 Mio. Menschen mit Behinderungen
in der Europäischen Region der WHO an.
Ferner nahmen die Delegierten einen Handlungsrahmen zur Verringerung der alkoholbedingten Schäden in der Europäischen Region an, wo täglich 2500 Menschen aufgrund alkoholbedingter Erkrankungen sterben – mehr als in jeder anderen Region
der WHO.
Nicht zuletzt stimmten die Mitgliedstaaten offiziell den Aktionsplänen für zwei der Flaggschiff-Initiativen von WHO/Europa – digitale Gesundheit und verhaltensbezogene und kulturelle Erkenntnisse (BCI) – zu, die beide das Potenzial
haben, die Art der Gestaltung, Umsetzung und Evaluation von Gesundheitskonzepten und -programmen von Grund auf zu verändern.
„Wir treiben all diese Themen und Pläne seit geraumer Zeit entschlossen voran, trotz der Herausforderungen und der Folgen der Pandemie“, erklärte Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa.
„Die Handlungsrahmen und Aktionspläne, die auf dem RC72 erörtert und angenommen wurden, sind ehrgeizig und vorausschauend, aber doch praktisch. Sie bieten unseren Mitgliedstaaten klare Fahrpläne mit klar festgelegten Etappenzielen,
die mehr Gesundheit für alle mit sich bringen. Doch damit diese Pläne Erfolg haben, brauchen wir gesundheitliche Führungskompetenz, Gesundheitsressourcen und – ganz entscheidend – den nötigen politischen Willen.“
Zu den wichtigsten Themen auf dem RC72 gehörte die Frage, wie die Vorbereitung und Reaktion auf gesundheitliche Notlagen aussehen soll, zumal die Pandemie noch bei Weitem nicht überstanden ist. Eine Sitzung speziell zum Thema Post-COVID-Syndrom
oder Long COVID befasste sich mit effektiven Partnerschaften mit Interessengruppen wie Long COVID Europe. WHO/Europa präsentierte die Modellrechnung seines Partners, des Institute for Health Metrics and Evaluation, wonach in der Europäischen
Region geschätzt mindestens 17 Mio. Menschen mit Long COVID leben.
Ein weiteres Alarmsignal war die Veröffentlichung des bahnbrechenden Berichts der Europäischen Region mit dem Titel „Gesundheits- und Pflegepersonal in Europa – Zeit zu handeln“. Da sich 40% der Ärzte dem Rentenalter nähern
und es langjährige Versäumnisse bei Investitionen in Gehälter und Karrierechancen des Gesundheitspersonals gibt, und da viele Leistungserbringer nach fast drei Jahren Pandemie vor einem schweren Burnout stehen, enthält der Bericht
einen eindringlichen Appell an die Länder, strategisch zu planen und schnell zu handeln, um eine potenzielle Katastrophe für die Gesundheit abzuwenden.
„Die Pandemie und andere gleichzeitig bestehende Notlagen haben die Fähigkeit vieler Länder zur Aufrechterhaltung der gesundheitlichen Grundversorgung gefährdet, etwa bei Impfungen für Kinder und bei Krebsvorsorgeuntersuchungen“,
erklärte Dr. Kluge.
„Wir müssen akzeptieren, dass immer häufigere und oft einander überschneidende Krisen zur neuen Normalität geworden sind, wie COVID-19, Affenpocken und Polio gezeigt haben. Deshalb brauchen wir jetzt einen zweigleisigen Ansatz
im Gesundheitsbereich: Während wir uns auf Notlagen vorbereiten, müssen wir auch in reguläre, alltägliche Programme und Angebote der gesundheitlichen Grundversorgung investieren. Das eine darf nicht für das andere geopfert
werden.“
Obwohl die drei Tage des RC72 mit Debatten über gesundheitliche Herausforderungen für die Europäische Region durchsetzt waren, endete die Tagung doch mit einer optimistischen Note, nachdem die Länder einem gestärkten Mechanismus
für eine engere Zusammenarbeit zwischen WHO/Europa und den Mitgliedstaaten zugestimmt hatten.
Bei der Annahme dieses Mechanismus lobten die Mitgliedstaaten den Beitrag von WHO/Europa und den WHO-Länderbüros zu ihrer Unterstützung während der Pandemie, die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem ukrainischen Gesundheitssystem
während des nunmehr fast siebenmonatigen Krieges und das Angebot fachlicher Hilfe an die Länder durch Aktionspläne und Handlungsrahmen für übertragbare wie nichtübertragbare Krankheiten.
„Dies war das erste als Präsenzveranstaltung abgehaltene Regionalkomitee seit meinem Amtsantritt als Regionaldirektor Anfang 2020, als COVID-19 sich gerade auf seinen gnadenlosen Marsch machte“, sagte Dr. Kluge.
Er fügte hinzu: „WHO/Europa dankt Israel für die großartige Ausrichtung des RC72. Wir gratulieren Israel zu seinem Bekenntnis zu Gesundheit für alle, das sich nicht nur an seinen Erfolgen bei der Bewältigung von COVID-19
zeigt, sondern auch an seinen Anstrengungen zur Inklusion vulnerabler Gruppen wie der LGBTQI+-Community in eine allgemeine Gesundheitsversorgung und an seinen Fortschritten im Bereich der digitalen Gesundheit zeigt – mit der Ankündigung
eines neuen globalen Zentrums für digitale Gesundheit durch Präsident Herzog und Gesundheitsminister Horowitz auf dem RC72, eine Institution, mit der WHO/Europa gerne partnerschaftlich zusammenarbeiten wird.“
Dr. Kluges Fazit lautete: „Für uns alle hier bei WHO/Europa war das RC72 ein echter Energieschub, der uns beflügelt und inspiriert, mehr zu tun, um Gesundheit und Wohlbefinden von fast einer Milliarde Menschen in Europa und Zentralasien
zu fördern.“
Pressekontakt
Wenn Sie weitere Informationen über die Ergebnisse des RC72 oder ein Interview mit Dr. Kluge oder Experten von WHO/Europa wünschen, bitten wir Sie, sich an Herrn Roy Wadia (rwadia@who.int)
zu wenden.