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Die Hindernisse verstehen, mit denen ukrainische Flüchtlinge in Rumänien konfrontiert sind

17 January 2023
Pressemitteilung
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Der Krieg in der Ukraine, der im Februar 2023 bereits seit einem Jahr wütet, hat zur größten Bevölkerungsbewegung in der Europäischen Region seit dem Zweiten Weltkrieg geführt. Millionen sind vor den Feindseligkeiten geflüchtet und mussten ihr Leben und ihre Existenzen zurücklassen. Die Regierungen der Nachbarländer hießen die Menschen aus der Ukraine umgehend willkommen und boten ihnen eine Vielzahl an Leistungen an – wobei Gesundheit dabei eine zentrale Rolle einnahm.

„Wir waren fest davon überzeugt, den vor dem Krieg geflüchteten Menschen den Zugang zu Gesundheitsleistungen zu ermöglichen, und das taten wir dann auch ohne zu zögern“, erklärte Mădălina Turza, Staatsrätin und Strategische Koordinatorin für humanitäre Flüchtlingshilfe in der Kanzlei des rumänischen Ministerpräsidenten, wo im Januar 2023 insgesamt 107 000 im Land befindliche Flüchtlinge registriert wurden.

Die Bereitstellung von Gesundheitsleistungen für einen solch großen Menschenstrom in solch kurzer Zeit ist ein gewaltiges Unterfangen. Um die ergriffenen Maßnahmen kontinuierlich zu verbessern und zu verfeinern, ist es von zentraler Bedeutung, mit den Flüchtlingen selbst ins Gespräch zu kommen, um so die Barrieren zu verstehen, mit denen sie konfrontiert sind.

Bei umfassenden gesundheitlichen Notlagen ist dies jedoch keine leichte Aufgabe, wie Heather Papowitz, Vorfallmanagerin der WHO für die Notlage in der Ukraine, erläutert: „Während einer Krise ist es oft sehr schwierig, die Perspektiven jener Menschen, denen wir versuchen zu helfen, vollständig zu verstehen und ihnen gerecht zu werden.“

Personenorientierte Perspektiven

Um die Bedürfnisse in Bezug auf die Gesundheitsversorgung und bestehende Lücken aus Perspektive der ukrainischen Flüchtlinge in Rumänien eingehender zu untersuchen, unterstützte die WHO die nationalen Gesundheitsbehörden im Jahr 2022 bei der Durchführung qualitativer Interviews mit Flüchtlingen über einen Zeitraum von fünf Monaten.

Durchgeführt wurde die Studie vom Referat für verhaltensbezogene und kulturelle Erkenntnisse bei WHO/Europa und dem WHO-Länderbüro in Rumänien mit Unterstützung des Gesundheitsministeriums, der Präsidialverwaltung, des Staatlichen Instituts für öffentliche Gesundheit und anderer maßgeblicher Akteure. Die ersten Interviews wurden im Mai 2022 geführt, im Oktober dann noch einmal Folgegespräche, um Veränderungen bei den Erfahrungen der Flüchtlinge zu überwachen.

Diese ausführlichen Interviews lieferten Informationen, die es den rumänischen Gesundheitsbehörden jetzt ermöglichen, bei ihren Maßnahmen und beim Eingehen auf die gesundheitlichen Bedürfnisse der ukrainischen Flüchtlinge einen personenorientierten Ansatz zu verfolgen. Auch andere Länder machen von diesem Modell bereits Gebrauch: ähnliche Studien werden derzeit in Polen, der Slowakei und Slowenien durchgeführt, wo insgesamt 1,7 Mio. Flüchtlinge aus der Ukraine (Stand: 10. Januar 2023) Zuflucht gesucht haben.

Je länger Vertriebene in einem Gastland bleiben, desto wichtiger ist es, dass sie das Gesundheitssystem vor Ort verstehen und wissen, wie sie Zugang zu Leistungen erhalten.

Frauen machen die Mehrheit der ukrainischen Flüchtlinge aus, in Rumänien wie auch anderswo. Insbesondere neue Mütter, die oft auf sich allein gestellt sind, brauchen Unterstützung. Für viele stellt Sprache ein großes Hindernis dar, das sie davon abhält, sich beim Zugang zu Leistungen zurecht zu finden. Um Arzneimittel oder Zugang zu einem Arzt zu erhalten, kehren manche sogar nach Möglichkeit in die Ukraine zurück.

Flüchtlinge brauchen beim Zugang zu Leistungen Unterstützung

In der Studie brachten die Flüchtlinge der rumänischen Bevölkerung und den rumänischen Behörden ihre Dankbarkeit für die herzliche Aufnahme zum Ausdruck, die sie insbesondere von freiwilligen Helfern erfahren haben. Doch in diesen ersten Monaten wurde der Zugang zur Gesundheitsversorgung durch die Unsicherheit darüber erschwert, wie das Gesundheitssystem funktioniert, auf welche Leistungen Flüchtlinge Anspruch haben und welche Kosten damit verbunden sind.

Zudem wurde ermittelt, dass die Menschen sich mit der Zeit durch den Erfahrungsaustausch mit anderen Flüchtlingen und Anstrengungen vonseiten der Gesundheitsbehörden wohler fühlten und selbstsicherer bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen wurden.

Nach mindestens sechs Monaten in Rumänien erklärten die Studienteilnehmer, dass sie insgesamt selbstsicherer seien und sehr viel mehr über das Gesundheitssystem gelernt hätten. In den Worten einer 50-jährigen Ukrainerin ausgedrückt: „Am Anfang war es eine Katastrophe. Die Kinder wurden krank und ich wusste nicht, wohin ich mich wenden sollte. Aber jetzt ist es einfacher und ich weiß, was zu tun ist.“

Umsetzung der Ergebnisse in Maßnahmen

Nach eingehenden Gesprächen mit dem rumänischen Gesundheitsministerium, dem Büro des Präsidenten, der Staatlichen Krankenversicherung und Mitgliedern der rumänischen Arbeitsgruppe für Gesundheit (die sich aus Vertretern von Partnerorganisationen im Bereich Entwicklung zusammensetzt) hat die WHO nun begonnen, koordinierte Entscheidungen zu treffen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, die unmittelbar von den Bedürfnissen und Lösungen inspiriert sind, die von den Studienteilnehmern vorgebracht wurden.

„Diese Studie ist wichtig, da sie uns mit strukturierten, zuverlässigen Informationen versorgt, die wir wiederum nutzen können, um entsprechende nationale Maßnahmen zu ergreifen. Wir mögen vielleicht Geschichten, Anekdoten und immer mal wieder von Erfahrungen hören, die Menschen gemacht haben, aber das ist keine Grundlage für eine Politik. Ich bin überzeugt, dass wir aus diesen Daten wichtige Erkenntnisse erlangen“, erklärte der Gesundheitsminister Dr. Alexandru Rafila.

Mittlerweile wurden mit Unterstützung der Bezirksdirektionen für öffentliche Gesundheit und von Kommunalbehörden in Rumänien WHO-Kliniken für die Gesundheitsversorgung von ukrainischen Flüchtlingen in Betrieb genommen, und Gesundheitsanbieter wie auch Flüchtlinge werden mit auf sie zugeschnittenen Informationen versorgt.

„Die Untersuchung wurde rasch aufgenommen und ihre Ergebnisse fließen jetzt in die Gestaltung von Interventionen und Handlungskonzepten ein, wie etwa die Beschäftigung von Gesundheitsmediatoren auf Bezirksebene, die Menschen mit Gesundheitsleistungen verknüpfen“, erklärt Frau Papowitz.

Zu den weiterhin bestehenden Herausforderungen, an denen nach wie vor gearbeitet wird, zählen etwa der Zugang zu verschreibungspflichtigen Medikamenten, zur zahnärztlichen Versorgung und zu Impfungen für Kinder wie auch Erwachsene sowie der Zugang zu hochwertigen Angeboten der psychischen Gesundheitsversorgung.

Frau Turza erläutert, dass alle beteiligten Akteure gemeinsam um einen verbesserten Zugang bemüht sind, und fügt anschließend hinzu: „Was die Studie erreicht hat, ist, dass wir die bestehenden Herausforderungen aus Sicht der Flüchtlinge nun besser verstehen.“