WHO Moldova / Andrei Mardari
Dr. Miljana Grbic, Repräsentantin der WHO in der Republik Moldau, spielt Fußball mit Flüchtlingskindern aus der Ukraine. Neben den gesundheitlichen Vorteilen hilft der Sport den Kindern auch, mit der Belastung aufgrund ihrer Situation fertigzuwerden.
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Die Freundlichkeit von Fremden

19 August 2023
Pressemitteilung
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„Ich werde nie die Freundlichkeit von Fremden vergessen.“ 
 
Ich bin seit langer Zeit in der internationalen humanitären Hilfe tätig. Doch ich habe selbst einmal von solcher Hilfe profitiert.   

Vor Jahrzehnten, als mein Kind noch ganz klein war, entschied sich unsere Familie, wie so viele andere vom Bürgerkrieg betroffene Familien, unser Zuhause zu verlassen, da unsere Sicherheit nicht mehr gewährleistet gewesen wäre, wenn wir geblieben wären.  

Auch wenn meine eigene Erfahrung mit Flucht schon lange zurückliegt, so hat sie doch bleibende Erinnerungen hinterlassen und wirkt auch heute noch auf meine Entscheidungen in der humanitären Arbeit nach.  

Ich werde nie vergessen, dass ich trotz der überwältigenden Ungewissheit über den jeweils nächsten Tag jeden Schritt vorausschauend geplant habe.  

Wenn Eltern – auch solche, die mit ihren Familien auf der Flucht sind – mir von ihren Sorgen erzählen, wie sie im Falle einer Erkrankung ihres Kindes Zugang zur Gesundheitsversorgung erhalten oder wie sie sicherstellen sollen, dass es die nötigen Impfungen gegen Infektionen erhält, verstehe ich ihre Sorgen. 

Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist für Menschen auf der Flucht nicht immer einfach. Aber für alle, die fliehen mussten und mit Kindern, älteren Menschen oder Personen mit Behinderungen unterwegs sind, werden diese Herausforderungen aufgrund deren Verwundbarkeit noch weitaus akuter. Unzureichende oder überfüllte Unterkünfte können zu Krankheitsausbrüchen führen, die bei anfälligen Personen zu schweren Erkrankungen oder zum Tod führen können. Verpasste Gelegenheiten für Routineimpfungen können tödlich enden.  
 
Aufgrund meiner eigenen Erfahrung verstehe ich die kleinen Details, an die andere vielleicht nicht denken, und bin auf sie vorbereitet: wie schwierig es für eine frischgebackene Mutter ist, zu stillen, wenn sie unter Stress leidet; was Eltern tun müssen, wenn sie sich in einem fremden Land mit einer anderen Sprache befinden und keine Aufzeichnungen über die Impfungen ihrer Kinder haben; oder wie man sicherstellt, dass Menschen mit chronischen Erkrankungen die Pflege erhalten, die sie zum Überleben brauchen.  

Das Verständnis für die Sorgen und Schwierigkeiten gewaltsam vertriebener Familien hilft mir und meinen Kollegen im WHO-Länderbüro in der Republik Moldau bei der effektiven Planung von Angeboten, die den Bedürfnissen der Flüchtlinge gerecht werden.  

Als im vergangenen Jahr Zehntausende Flüchtlinge vor den Kämpfen in der benachbarten Ukraine zu fliehen begannen, fuhr ich sofort mit einigen Kollegen aus dem Länderbüro in das Grenzgebiet. 
Ich erlebte, wie neben den Partnerorganisationen der Vereinten Nationen und der moldauischen Regierung auch Tausende von einfachen moldauischen Bürgern ihren ukrainischen Nachbarn halfen. 

Die Freundlichkeit, die mir völlig fremde Menschen entgegenbrachten, als ich vor vielen Jahren auf der Flucht war, habe ich nie vergessen. Und ich habe gesehen, wie sich dies in Hunderten von kleinen, aber bedeutsamen Taten von gewöhnlichen Moldauern wiederholt hat, die in Not geratenen ukrainischen Flüchtlingen ihre Herzen und Häuser öffnen. Die moldauische Regierung selbst hat sich in den letzten 18 Monaten ähnlich großzügig gezeigt, wenn es um die gesundheitlichen und sonstigen Bedürfnisse der Flüchtlinge ging.  

In Notsituationen muss jeder eine Aufgabe erfüllen, etwa durch Unterstützung der Behörden bei der Registrierung, der Organisation von Leistungen, der Verwaltung von Hilfsgütern oder der Koordinierung einer effizienteren Unterstützung.  

Humanitäre Arbeit erfordert vollen Einsatz, aber auch das Wissen um die eigenen Grenzen und die Stärken der beteiligten Partner. 

Und nicht zuletzt Demut.  

Denn da ist jemand, der Hilfe sucht und nichts über dich weiß, der aber hofft, dass du und alle humanitären Helfer, denen er begegnet, sein kollektiver Anker sein werden, während er etwas erlebt, auf das man nie vorbereitet sein kann.    


Dr. Miljana Grbic ist die Repräsentantin der WHO in der Republik Moldau.