WHO
© Credits

WHO/Europa veröffentlicht neuen Bericht mit Daten über Personalmangel im ukrainischen Pflegewesen

21 November 2024
Pressemitteilung
Reading time:
In einem neuen Bericht von WHO/Europa mit einer Arbeitsmarktanalyse für das Gesundheitswesen in der Ukraine werden erhebliche Herausforderungen für das Gesundheits- und Pflegepersonal in dem Land deutlich, insbesondere im Pflegewesen. Der mit finanzieller Unterstützung durch die Europäische Union (EU) erstellte Bericht zeigt schwerwiegende Engpässe in der primären Gesundheitsversorgung und in wichtigen fachärztlichen Disziplinen auf, wobei besonders die Pflegekräfte unter Druck stehen.

Die Ergebnisse zeichnen das ernüchternde Bild eines Sektors, der gleichzeitig mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, des anhaltenden Konflikts und des Migrationsdrucks zu kämpfen hat. Das Problem wird durch geografische Diskrepanzen verschärft, wobei unterversorgte ländliche Regionen besonders stark betroffen sind.

Auf einer Präsentation in Kiew stellte Dr. Natasha Azzopardi-Muscat, Direktorin der Abteilung Gesundheitspolitik und Gesundheitssysteme der Länder bei WHO/Europa, die Ergebnisse einem Publikum aus Pädagogen, Gesundheitsfachkräften und politischen Entscheidungsträgern vor. Im Mittelpunkt der Diskussionen standen die Behebung des Mangels an Pflegekräften, die Stärkung der Ausbildung und die Verbesserung der Anwerbungs- und Bindungsstrategien.

„Ohne das Gesundheitspersonal können Gesundheitssysteme nicht funktionieren“, sagte Dr. Azzopardi-Muscat. „Dieser Bericht liefert der Ukraine eine wesentliche Evidenzgrundlage für Investitionen in ihr Pflegepersonal – einen Eckpfeiler eines widerstandsfähigen und nachhaltigen Gesundheitssystems. Die Bewältigung dieser Herausforderungen ist nicht nur für den Wiederaufbau des ukrainischen Gesundheitssystems von entscheidender Bedeutung, sondern auch für die Verwirklichung einer allgemeinen Gesundheitsversorgung.“

In dem Bericht mit dem Titel „Ergebnisse einer ersten Arbeitsmarktanalyse für das Gesundheitswesen in der Ukraine“ wird die Notwendigkeit gezielter Konzepte zur Behebung von Ungleichgewichten beim Gesundheitspersonal hervorgehoben, etwa durch bessere Anreize für die Arbeit in ländlichen Gebieten, verbesserte Arbeitsbedingungen und eine strategische Personalplanung. Die WHO hat die Ukraine durch die Entwicklung eines Instruments für die Personalplanung unterstützt, mit dem der Personalbedarf im Gesundheitswesen für die nächsten fünf bis zehn Jahre prognostiziert werden kann und bei dem Trends wie die Landflucht und die Bevölkerungsentwicklung berücksichtigt werden.

Dr. Jarno Habicht, WHO-Repräsentant in der Ukraine, unterstrich den dringenden Handlungsbedarf: „Dieser Bericht unterstreicht, dass die Stärkung der Pflegeberufe nicht nur ein Thema für das Gesundheitswesen ist, sondern eine vorrangige nationale Aufgabe. Pflegekräfte spielen eine entscheidende Rolle in der Gesundheitsversorgung und bei der Förderung von Vertrauen in das System, insbesondere in Krisenzeiten. Mit starken Partnerschaften und bahnbrechenden Maßnahmen kann die Ukraine ein chancengleicheres und widerstandsfähigeres Gesundheitssystem aufbauen.“

Laut dem Bericht bildet die primäre Gesundheitsversorgung die Grundlage für ein widerstandsfähiges und effektives Gesundheitssystem und wird eine entscheidende Rolle beim Wiederaufbau und der Umgestaltung in der Ukraine spielen. Das Engagement des Gesundheitsministeriums für einen auf die primäre Gesundheitsversorgung ausgerichteten Ansatz trägt entscheidend zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen und zur Anpassung des ukrainischen Gesundheitssystems an EU-Normen bei.  

Die Alterung des Gesundheitspersonals stellt ein dringendes Problem dar, das sich auf die Nachhaltigkeit des Humankapitals im Gesundheitswesen auswirkt. Aus dem Bericht geht hervor, dass landesweit über 50 % der Ärzte in der primären Gesundheitsversorgung über 50 und 29 % über 60 Jahre alt sind und dass ein Viertel von ihnen kurz vor dem Rentenalter steht. 

Diese demografische Verschiebung verschärft den Arbeitskräftemangel, insbesondere in ländlichen Gebieten, wo die Unterschiede beträchtlich sind: Nur 17 % der Ärzte in der primären Gesundheitsversorgung und 7 % aller Pflegekräfte versorgen die 30 % der Bevölkerung, die in diesen Regionen leben. Die Ärztedichte in der primären Gesundheitsversorgung in ländlichen Regionen ist nur halb so hoch wie in städtischen Gebieten, was die dringende Notwendigkeit einer gerechteren Verteilung medizinischer Fachkräfte verdeutlicht.

In der Publikation wird die These vertreten, dass die Bewältigung dieser Herausforderungen eine Reform der Lehrpläne erfordert, um sie an die EU-Normen anzupassen und so Qualität, Relevanz und Anpassungsfähigkeit an die modernen Anforderungen im Gesundheitswesen sicherzustellen. Die Aktualisierung von Ausbildungsprogrammen für Pflegekräfte und Ärzte wird dazu beitragen, eine neue Generation von Fachkräften mit den Fähigkeiten und Kompetenzen auszustatten, die erforderlich sind, um den Herausforderungen aufgrund einer alternden Bevölkerung gerecht zu werden und die primäre Gesundheitsversorgung zu verbessern. 

In dem Bericht wird erläutert, dass die Ukraine durch die Schwerpunktlegung auf die primäre Gesundheitsversorgung ein robustes und chancengerechtes Gesundheitssystem aufbauen kann, das den Bedürfnissen aller Bürger gerecht wird, dem EU-Standard entspricht und für Widerstandsfähigkeit gegenüber künftigen Herausforderungen sorgt.

Die Präsentation bot den Beteiligten eine Plattform, um praktische Lösungen zu erkunden, etwa die Stärkung der Rolle des Pflegepersonals bei der Leistungserbringung, die Förderung von Führungsqualitäten und die Schaffung einer unterstützenden Arbeitsumgebung. Die Teilnehmer skizzierten einen Aktionsplan, der darauf abzielt, kritische personelle Engpässe zu beseitigen, und der auf Motivation, Ausbildung und Karrierechancen von Pflegekräften setzt.

Diese Initiative ist ein wichtiger Schritt zur Zusammenführung von Gesundheits- und Bildungswesen in der Ukraine mit dem Ziel, die personellen Herausforderungen anzugehen und die Zukunft des ukrainischen Gesundheitssystems zu sichern.