Adipositas kann bei an der Coronavirus-Krankheit (COVID-19) erkrankten Patienten die Wahrscheinlichkeit eines schweren Krankheitsverlaufs erheblich erhöhen. Um für diesen Zusammenhang zu sensibilisieren und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Thema zu erörtern, hat das WHO-Regionalbüro für Europa am 22. Oktober 2020 eine virtuelle Fachtagung organisiert. Dabei trafen Vertreter mehrerer Mitgliedstaaten aus der Europäischen Region der WHO mit Experten zu einem Meinungs- und Erfahrungsaustausch über Datenerhebung, Epidemiologie und die geeignetsten politischen Konzepte zur Bekämpfung von Adipositas im Kontext der COVID-19-Pandemie zusammen.
Nichtübertragbare Krankheiten und COVID-19: eine gefährliche Kombination
COVID-19 wurde bisher in 185 Ländern weltweit diagnostiziert – insgesamt über 40 Mio. bestätigte Fälle, davon mehr als eine Million mit tödlichem Ausgang. Die neuesten Daten zeigen, dass Adipositas, einer der Hauptrisikofaktoren für nichtübertragbare Krankheiten, eine deutliche Verknüpfung mit diesen Statistiken aufweist.
Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die auf einer Vielzahl von Untersuchungen basieren, verdeutlichen, dass Patienten mit Adipositas (einschließlich junger Erwachsener), die aufgrund von COVID-19 ins Krankenhaus eingewiesen wurden, deutlich häufiger schwere Krankheitsverläufe hatten, also eine Behandlung auf der Intensivstation oder künstliche Beatmung benötigten oder starben.
Wissenschaftliche Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Adipositas, nichtübertragbaren Krankheiten und COVID-19 sind für die Europäische Region von großer Bedeutung, da sie von allen Regionen am stärksten von Morbidität und Mortalität aufgrund nichtübertragbarer Krankheiten betroffen ist. Ein wachsender Anteil der Kinder und Erwachsenen in der Europäischen Region leben mit Übergewicht oder Adipositas. Übergewicht verursacht nicht nur psychologische Probleme, sondern erhöht auch drastisch das Risiko in Bezug auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Diabetes.
„Die WHO möchte eine Plattform schaffen, auf der die Mitgliedstaaten mühelos ihre Erfahrungen und Daten in Bezug auf Adipositas und nichtübertragbare Krankheiten sowie deren Auswirkungen auf Krankheitsverläufe bei COVID-19 austauschen können. Diese Fachtagung bietet Politikern, Experten und Gesundheitsfachkräften aus unserer Region eine Gelegenheit, genau das zu tun“, erklärt Dr. João Breda, Leiter des Europäischen Büros der WHO für die Prävention und Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten, einer der Organisatoren der Veranstaltung. „Die aus dieser Tagung resultierenden Erkenntnisse werden in künftige Berichte und Empfehlungen der WHO einfließen.“
Pandemie ungesunder Lebensmittel
Ein kontinuierliches Management nichtübertragbarer Krankheiten und ein stetiges Bewusstsein für dessen Bedeutung sind während des COVID-19-Ausbruchs entscheidend. Die von den Ländern während der Pandemie eingeführten Einschränkungen der Bewegungsfreiheit haben das Risiko in Bezug auf Adipositas erhöht und beeinträchtigen die Bewältigung der Krankheit, indem sie die Fähigkeit der Menschen beschränken, gesunde Lebensmittel zu kaufen, sich ausreichend zu bewegen oder Gesundheitsleistungen in Anspruch zu nehmen.
Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse deuten auf andere besorgniserregende Trends wie den wachsenden Absatz ungesunder Snacks und die digitale Vermarktung ungesunder Lebensmittel an Kinder hin. In einigen Ländern der Europäischen Region haben die Hersteller ungesunder Lebensmittel unter dem Deckmantel von COVID-19 und seinen Folgen für die Volkswirtschaften der Länder eine Lockerung bestehender Beschränkungen für die Vermarktung und Reformulierung verarbeiteter Lebensmittel ins Gespräch gebracht.
„Im Vereinigten Königreich stellen wir seit März 2020 eine Zunahme des Absatzes von oft ungesunden Snacks fest, gleichzeitig nimmt die Bewegung ab“, sagte Alison Tedstone, Leitende Ernährungswissenschaftlerin bei Public Health England (PHE). „Der dritte Jahresbericht von PHE über Zuckerreduktion im Vereinigten Königreich enthält die Feststellung, dass der Gesamtzuckeranteil in vielen Gruppen von Lebensmitteln weiter ansteigt – trotz Reduktion durch manche Hersteller – und dass die Veränderungen nur sehr zäh vorankommen. Wie die jüngsten Erkenntnisse über Krankheitsverläufe bei COVID-19 verdeutlichen, haben Gewichtszunahme und Adipositas offenbar Einfluss auf die gesundheitlichen Risiken. Dies ist ein weiterer Beleg dafür, dass entschlossenes Handeln zur Förderung der Gesundheit der Bevölkerung wohl auch eine Reduzierung ungünstiger Krankheitsverläufe bewirkt.“
Vor diesem Hintergrund kommt es noch mehr darauf an, durch geeignetere Konzepte und Lösungsansätze zum Wohlbefinden und zum Schutz der Gesundheit der Menschen beizutragen. Das Ausmaß und die Reichweite der COVID-19-Pandemie haben die Bedeutung einer Verknüpfung der strategischen Prioritäten des Europäischen Arbeitsprogramms 2020–2025 vor Augen geführt: allmähliche Verwirklichung einer allgemeinen Gesundheitsversorgung, Schutz vor gesundheitlichen Notlagen und Gewährleistung eines gesunden Lebens für alle Menschen jeden Alters und Förderung ihres Wohlergehens.