„Jedes Mal, wenn ich an einem Raucher vorbeigehe, halte ich die Luft an und versuche, schneller zu gehen. Ich mag Zigarettenqualm nicht. Er ist schlecht für die Gesundheit. Ich weiß wirklich nicht, warum Zigaretten erfunden wurden. Ich wünschte, sie wären nie erfunden worden.“
„Zigaretten wurden erfunden, um Geld zu machen. Die Unternehmen profitieren von ihnen.“
Amir und Insar, Schulkinder aus Kasachstan
Die WHO veröffentlicht ein neues Instrumentarium, um praktische Ratschläge für Schulverwaltungen und -personal bereitzustellen, wie sich Handlungskonzepte für eine nikotin- und tabakfreie Umgebung in Schulen entwickeln, kommunizieren und durchsetzen lassen und die Menschen entsprechend aufgeklärt werden können. Rund 88 % der erwachsenen Raucher haben ihre erste Zigarette geraucht, bevor sie 18 Jahre alt waren; einige fangen schon im Alter von 11 Jahren an zu rauchen. Obwohl das Rauchen bei Jugendlichen in Europa weiterhin zurückgeht, ist die Nutzung neuartiger und neu aufkommender Tabak- und Nikotinprodukte, wie E-Zigaretten, auf dem Vormarsch. Diese Produkte werden oft speziell an junge Menschen vermarktet, die eine wichtige Zielgruppe für die Tabakindustrie sind. Das Instrumentarium der WHO ergänzt den globalen Leitfaden zur Schaffung nikotin- und tabakfreier Schulen.
Dr. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa, erklärt: „Es ist höchst besorgniserregend, dass die Tabakindustrie nach wie vor junge Menschen ins Visier nimmt und enorm von ihnen profitiert, während sie gleichzeitig ihre Gesundheit schädigt. Schulen müssen sichere Räume für junge Menschen darstellen, wo sie frei von jeglicher Exposition gegenüber Nikotinprodukten oder dem Druck, selbst zu rauchen, sind. In Schulen eine rauch- und nikotinfreie Umgebung zu schaffen, ist unerlässlich, um junge Menschen davon abzuhalten, mit dem Rauchen anzufangen. Wenn wir nicht dringend Maßnahmen ergreifen, riskieren wir, dass die nächste Generation von Tabak- und Nikotinkonsumenten durch die unmoralischen Praktiken der Tabakindustrie angeworben wird.“
Empfehlungen des Instrumentariums
- Entwicklung eines nikotin- und tabakfreien Schulkonzepts, das so angelegt ist, dass es alle Schüler, das gesamte Lehr- und Verwaltungspersonal sowie alle Besucher umfasst.
- Bereitstellung von präventiven Schulungen und von Unterstützung für diejenigen, die mit dem Rauchen aufhören wollen.
- Gemeinsame Schaffung eines Kommunikationsplanes, der junge Menschen über alle Aspekte des Tabak- und Nikotingebrauchs informiert, von den schädlichen gesundheitlichen Auswirkungen des Passivrauchens bis hin zu den Taktiken der Tabakindustrie, sowie Formulierung der Fragestellung als ein Problem statt einer Disziplinarangelegenheit.
- Für eine optimale Durchsetzung: Einbeziehung von Maßnahmen, die bei Nichteinhaltung und für eine kontinuierliche Überwachung der Wirksamkeit des Konzepts ergriffen werden.
Gründe für den Tabak- und Nikotingebrauch bei jungen Menschen
Der Tabak- und Nikotingebrauch bei jungen Menschen ist nicht auf einen Zufall zurückzuführen, sondern wird durch ein komplexes Zusammenspiel mehrerer Faktoren beeinflusst, von Aktivitäten der Industrie wie gezielten Werbekampagnen und einer gezielten Vermarktung, bis hin zu gesellschaftlichem Druck. Diese Triebkräfte zu verstehen, ist entscheidend, um wirksame Präventionsstrategien zu entwickeln.
Einige der zentralen Faktoren, die junge Menschen dazu bringen, ihre erste E-Zigarette oder ihr erstes Tabakprodukt auszuprobieren, werden nachfolgend dargelegt.
Schwache Durchsetzung gesetzlicher Rauchverbote.
Auch wenn das Rauchen in Bildungseinrichtungen in vielen Ländern verboten ist, können nachlässige Regulierungen und Herausforderungen bei der Durchsetzung den Tabak- und Nikotingebrauch für Schüler leichter zugänglich machen.
Gezielte Vermarktung.
Tabak- und E-Zigaretten-Unternehmen nehmen Jugendliche durch entsprechende Werbekampagnen ins Visier und stellen ihre Produkte als „stylisch“ oder „cool“ dar. Die Verherrlichung von Tabak- und Nikotinprodukten kann die durchschlagenden Botschaften und grafischen Bilder, mit denen die durch diese Produkte verursachten Schäden für die Gesundheit der Menschen verdeutlicht werden, nach wie vor wettmachen.
Unwirksame Botschaften für junge Menschen.
Botschaften, die den Nutzern selbst die Schuld dafür geben, dass sie mit dem Rauchen von Tabak- und Nikotinprodukten angefangen haben (insbesondere bei Kindern), die komplizierte oder mehrere unterschiedliche Themen vermitteln, die Risiken vergleichen oder die unnötigerweise Bilder von Tabakprodukten nutzen, können kontraproduktiv sein. Es wird nicht genügend Nachdruck auf die kommerzielle Determinante dieser schädlichen Gewohnheit gelegt – dem Druck durch die Industrie.
Verstärkung des Gruppendrucks.
Wenn die Tabakhersteller den Tabak- und Nikotingebrauch erfolgreich als eine Gewohnheit erfolgreicher Vorbilder darstellen, wird dieses Bild unbewusst durch junge Menschen verstärkt. Wenn Kinder mit größerem Einfluss auf Gleichaltrige mit dem Rauchen anfangen, können andere das Bedürfnis verspüren, sich anpassen zu müssen und das Verhalten ihrer Freunde nachzuahmen.
Neugestaltung und Rebranding von Produkten.
E-Zigaretten werden oft als Konsumgüter mit „geringerem Risiko“ oder als „rauchfreie“ und „gesellschaftsfähige“ Konsumgüter beworben. Diese Markenstrategien bergen das Potenzial, das Rauchen wieder zu normalisieren und den Langzeitgebrauch süchtig machender Nikotinprodukte anzutreiben, indem sie als gesündere Alternativen getarnt werden. Diese Techniken der sozialen Positionierung gekoppelt mit strategischen Marketingtaktiken sind besonders wirksam, wenn Kinder und Jugendliche die Zielgruppe sind, und haben das Potenzial, bei Jugendlichen eine Nikotinsucht aufrechtzuerhalten.
Nikotin hat hohes Suchtpotenzial und ist besonders schädlich für junge, noch in der Entwicklung befindliche Gehirne. Jugendliche sind nachweislich anfälliger für eine Nikotinsucht, die zu langfristigen neurologischen Veränderungen führt und im Laufe ihres Lebens ihr Risiko für zahlreiche Krankheiten verstärkt.
Verhinderung des Tabak- und Nikotingebrauchs bei jungen Menschen
Der Tabakgebrauch wirkt sich unmittelbar auf die Gesundheit aus und erhöht das Risiko von Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, Diabetes sowie über 20 Krebsarten, darunter Lungen-, Blasen-, Kehlkopf- und Mundkrebs, im gesamten Lebensverlauf.
Jedes Jahr sind über 8 Mio. Todesfälle auf den Gebrauch von Tabakprodukten zurückzuführen, wobei eine überwältigende Zahl von 1,3 Mio. dieser Todesfälle Nichtraucher sind, die infolge des Passivrauchens erkranken; 51 000 dieser Opfer wiederum sind Kinder. Das größte vom Tabakgebrauch und dem Passivrauchen im Jugendalter ausgehende Problem sind die schädlichen Auswirkungen von Nikotin auf die Entwicklung des Gehirns von Jugendlichen.
Darüber hinaus sind Kinder anfälliger für unterschiedliche Vermarktungsformen und Gruppendruck und werden leicht durch Vorbilder beeinflusst. Diese Situation verdeutlicht die Notwendigkeit wirksamerer und umfassenderer Maßnahmen, um Kinder und junge Menschen davon abzuhalten, mit dem Gebrauch von Tabak- und Nikotinprodukten anzufangen.
Da Kinder ein Drittel ihrer Wachzeiten in der Schule verbringen, ist es unerlässlich, ihnen saubere Luft zu bieten und ihre Informationsumgebung vor den täuschenden und manipulativen Taktiken der Tabakindustrie zu schützen.
WHO/Europa hofft, dass dieses Instrumentarium Bildungseinrichtungen auf der ganzen Welt unterstützen und sie mit den notwendigen Werkzeugen und Strategien ausstatten wird, um eine gesündere, tabak- und nikotinfreie Umgebung für ihre Schüler zu fördern.