Erklärung – In den ersten drei Jahren der Pandemie hatten wohl 36 Mio. Menschen in der gesamten Europäischen Region mit Long COVID zu kämpfen

Presseerklärung von Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa, über COVID-19, extreme Hitze und Mpox

27 June 2023
Aussage
Reading time:

Guten Morgen. 


Dies ist der erste Sommer in über drei Jahren, den viele von uns ohne die drohende Gefahr von COVID-19 werden genießen können.

Auch wenn COVID-19 keine globale gesundheitliche Notlage mehr darstellt, ist die Krankheit nicht verschwunden. 

Jede Woche kommt es in der gesamten Region nach wie vor zu fast 1000 neuen durch COVID-19 bedingten Todesfällen, und dies ist eine Unterschätzung angesichts der sinkenden Zahl von Ländern, die regelmäßig durch COVID-19 bedingte Todesfälle an die WHO melden. 

Und nach wie vor sind die Schwächsten und Schutzbedürftigsten am stärksten hiervon betroffen. 

COVID-19 machte sich eine Epidemie von Krankheiten zunutze, darunter Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und chronische Lungenkrankheiten, auf die heute 75 % der Mortalität in unserer Region zurückzuführen sind. Menschen mit Vorerkrankungen waren und sind nach wie vor deutlich anfälliger für schwere Formen von COVID-19.

Doch es gibt einfache Lösungen, die dabei helfen können, die von diesen so genannten nichtübertragbaren Krankheiten ausgehende Krankheitslast einzudämmen und die nächste Pandemie zu bekämpfen, wenn sie eintritt. Diejenigen unter uns, die über die notwendigen Mittel und Möglichkeiten verfügen, können sich etwa täglich 25 Minuten lang moderat körperlich betätigen, auf das Rauchen verzichten, sich auf mäßigen Alkoholkonsum beschränken und die Salzaufnahme einschränken. 

Long COVID ist eine komplexe Krankheit, über die wir nach wie vor nur wenig wissen. 

Schätzungen unseres Kooperationszentrums, dem Institute for Health Metrics and Evaluation der Universität Washington in Seattle, zufolge hatten in den ersten drei Jahren der Pandemie wohl fast 36 Mio. Menschen in der gesamten Europäischen Region der WHO mit Long COVID zu kämpfen. 

Das ist etwa jeder dreißigste Europäer im Laufe der letzten drei Jahre. 

Das ist jeder Dreißigste, der möglicherweise nach wie vor Schwierigkeiten hat, zu einem normalen Leben zurückzukehren. 

Jeder Dreißigste, der im Stillen leidet und zurückgelassen wird, während andere die COVID-19-Pandemie hinter sich lassen.

Wir hören die Appelle von Long COVID-Patienten und Support-Gruppen und schärfen das Bewusstsein für ihre Misere, doch es ist klar, dass noch viel mehr getan werden muss, um diese Krankheit zu verstehen. 

Long COVID ist nach wie vor ein eklatanter blinder Fleck in unserem Wissen, der dringend beseitigt werden muss. 

Solange wir nicht eine umfassende Diagnostik und entsprechende Behandlungsmöglichkeiten für Long COVID entwickeln, werden wir uns niemals wirklich von der Pandemie erholen. Wir fördern die weitere Erforschung und fordern all jene, die für eine COVID-19-Impfung in Frage kommen, dazu auf, sich impfen zu lassen. Diese unzureichend anerkannte Erkrankung muss ernst genommen werden, und zwar im gesamten Gesundheits- und Sozialwesen, und wir sollten dafür sorgen, dass für die betroffenen Patienten eine ausreichende Versorgung zur Verfügung steht. 

Letztendlich ist der beste Weg, um eine Long COVID-Erkrankung zu verhindern, die Verhinderung einer COVID-19-Infektion. 

Unsere Priorität muss darin bestehen, gefährdete Bevölkerungsgruppen, ältere Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen und immungeschwächte Menschen zu impfen. 

Wir sollten gewährleisten, dass mindestens 70 % dieser Bevölkerungsgruppen durchgeimpft sind, sowohl mit der primären Impfdosis als auch mit zusätzlichen Auffrischungsimpfungen. 

Nun ein paar Worte zu dem ungewöhnlich warmen Sommer, den wir gerade erleben. 

Ein neuer Bericht der Europäischen Union und der Weltorganisation für Meteorologie warnte kürzlich, dass Europa sich seit den 1980er Jahren doppelt so schnell erwärmt wie der globale Durchschnitt, und extreme Hitze in den Sommermonaten wird langsam zur Normalität, statt die Ausnahme zu bleiben. 

Im letzten Jahr verloren wir in unserer Region im Zeitraum zwischen Juni und August 20 000 Menschenleben infolge extremer Hitze. 

In der letzten Woche verzeichneten Spanien und Portugal Temperaturen über 40 Grad, wodurch die Waldbrandgefahr erheblich gestiegen ist. 

Zu Beginn des Monats hatte Kasachstan mit tödlichen Waldbränden zu kämpfen, die mindestens 15 Menschenleben forderten, 14 von ihnen Feuerwehrmänner. 

Gleichzeitig gab es in anderen Teilen der Region Überschwemmungen und Erdrutsche, die ebenfalls Menschenleben forderten. 

Geben Sie daher aufeinander Acht während der Sommermonate, sehen Sie nach älteren Verwandten und Nachbarn, beschränken Sie Ihre Aktivitäten im Freien, wenn es sehr warm ist, sorgen Sie für eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, halten Sie Ihre Wohnung kühl und gönnen Sie sich Erholungspausen. 

Neben der aktuell zunehmenden Gefahr extremer Hitze möchte ich zudem auf ein aktuelles Wiederaufflammen von Mpox-Infektionen aufmerksam machen, zunächst in den Vereinigten Staaten und anschließend im Vereinigten Königreich, in Spanien, Belgien und den Niederlanden.

Im Monat Mai verzeichnete die Europäische Region 22 neue Mpox-Fälle. 

Auch wenn diese Zahl niedrig erscheinen mag, zeigt sie, dass das Virus nach wie vor in der Europäischen Region zirkuliert, wobei insbesondere Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten betroffen sind, und wir einen Wiederanstieg der Fallzahlen erleben könnten. Für jene unter Ihnen, die wissen, dass sie möglicherweise einem höheren Risiko ausgesetzt sind, gibt es Maßnahmen, die Sie ergreifen können.

Lassen Sie sich gegen Mpox impfen, falls Impfstoffe verfügbar sind und Sie Anspruch auf eine entsprechende Impfung haben. 

Beschränken Sie Ihren Kontakt zu anderen, wenn Sie Symptome aufweisen, und vermeiden Sie engen körperlichen Kontakt, einschließlich Sexualkontakt, mit jemandem, der sich mit Mpox infiziert hat. 

Die WHO fordert nach wie vor die Länder eindringlich dazu auf, alle gefährdeten Menschen zu erreichen zu versuchen, Diskriminierung zu eliminieren und Mpox aus der Gemeinschaft zu beseitigen. 

Ich begrüße den kürzlich getroffenen Beschluss des Vereinigten Königreichs, sein Impfprogramm fortzusetzen, und fordere andere Länder dazu auf, weiterhin die Barrieren für Tests, Impfungen und Versorgung für Menschen aus besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen abzubauen.

Lassen Sie mich zusammenfassen: all diese drei gesundheitlichen Notlagen, COVID-19, Mpox und extreme Hitze, erfordern eine Veränderung unserer gemeinsamen Ansätze, unserer Ressourcenverteilung und auch unseres individuellen Verhaltens.

Vielen Dank. 

 

Media Contacts

Bhanu Bhatnagar


WHO/Europe

Pressebüro von WHO/Europa

Sarah Tyler