Erklärung: Es ist nie leicht, jung zu sein – aber heutzutage scheint es noch schwieriger zu sein

Einleitende Bemerkungen von Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa, bei einer Pressekonferenz zur Youth4Health-Initiative

27 October 2022
Aussage
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26. Oktober 2022

Guten Morgen. Es war bisher eine aufregende Woche hier bei unserem Jugendforum in Tirana, der ersten von WHO/Europa organisierten Veranstaltung ihrer Art. 

Seit meiner Ankunft gestern hat mich die schiere Energie hier bei diesem Forum fast umgehauen – mit über 150 jungen Teilnehmern, voller Aktivismus, Tatendrang und Leidenschaft, hier mit uns im gleichen Raum und einer Vielzahl von virtuellen Teilnehmern, die uns online zugeschaltet sind.

Ich war schon seit einiger Zeit entschlossen, ein Netzwerk für die Gesundheit der Jugend einzurichten, wobei mir die Erfahrungen meiner eigenen Tochter umso mehr Antrieb verschafft haben.

Als meine ältere Tochter während der Pandemie zum Studium nach England ging, war sie betroffen, wie viele junge Menschen ihres Alters mit Depressionen zu kämpfen haben, Medikamente einnehmen oder sich in therapeutischer Behandlung befinden. 

Neben der Pandemie und ihren enormen Auswirkungen auf die körperliche und mentale Gesundheit haben wir mit so vielen anderen Krisen zu kämpfen, die sich auch auf junge Menschen auswirken – die Klimakrise, der Krieg in der Ukraine, von dem so viele Länder betroffen sind, sowie wirtschaftliche und politische Unsicherheiten. 

Und auch wenn junge Menschen heutzutage in vielerlei Hinsicht mehr Freiheiten genießen als ich in ihrem Alter, sind sie doch auf breiter Front auch mehr gestresst – u. a. durch die Auswirkungen der interaktiven Online-Welt, wo wir mit einer Infodemie von Fehlinformationen konfrontiert sind, auch im Hinblick auf Gesundheitsthemen. Und dann ist da das Problem des Cyber-Mobbings. Die Liste ist lang.

Es ist nie leicht, jung zu sein – aber heutzutage scheint es noch schwieriger zu sein. 

Doch man sollte natürlich auch nicht alles in den düstersten Farben malen. Wenn ich in dieser Woche die vielen jungen Menschen hier betrachte, die so voller Entschlossenheit sind, an gesundheitsbezogenen Entscheidungen beteiligt zu werden und einen Platz am Tisch der Politik einzunehmen, dann erfüllt mich das mit Hoffnung, dass wir gut aufgehoben sind. Junge Menschen sind nicht die Entscheidungsträger von morgen, sie sind die Entscheidungsträger von heute.

Aus diesem Grund ist WHO/Europa entschlossen, dazu beizutragen, einen Raum zu schaffen, um jungen Menschen zu ermöglichen, in die Gestaltung von Entscheidungen, Handlungskonzepten und Gesetzen einbezogen zu werden, die sich auf ihr Leben, ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden auswirken.

Durch die Schaffung der Youth4Health-Initiative arbeiten wir gemeinsam mit jungen Menschen daran, ein authentisches Netzwerk aufzubauen. 

Wir werden all unsere 53 Mitgliedstaaten in ganz Europa und Zentralasien dazu auffordern, dieses Netzwerk bei unserem nächsten Regionalkomitee 2023 – dem höchsten beschlussfassenden Gremium von WHO/Europa, das alle Gesundheitsminister umfasst – anzuerkennen.

Durch die Anerkennung von Youth4Health durch die Regierungen ebnen wir den Weg für eine stärkere, nachhaltigere Repräsentation der Jugend auf Ebene der Politik und der Entscheidungsfindung.

Im Laufe des nächsten Jahres werden wir im Vorfeld des Regionalkomitees mit dem Youth4Health-Netzwerk darauf hinarbeiten, regionsweite Möglichkeiten für eine stärkere Repräsentation der Jugend zu identifizieren – u. a. in den Bereichen psychische Gesundheit, digitale Gesundheit und gesundheitliche Notlagen. 

Und zwar sowohl im Rahmen von bestehenden Initiativen – wie etwa dem Europäischen Bündnis für psychische Gesundheit – als auch über andere Plattformen, die um eine Jugendkomponente erweitert werden können. 

Von Beginn an werden wir bei neuen wichtigen Initiativen wir eine Konsultation der Jugend vornehmen, damit junge Menschen quasi als Mitgestalter und Resonanzboden für die Arbeit von WHO/Europa einbezogen werden. 

Das Youth4Health-Netzwerk wird Wege erkunden, wie WHO/Europa zusammen mit zentralen Partnerorganisationen wie UNFPA die Einbeziehung der Jugend auf der nationalen Ebene unterstützen kann, denn dort kann mit der Zeit die größte Wirkung erzielt werden. 

Ich persönlich wünsche mir bei diesem Prozess, dass die Jugend dabei so umfassend wie möglich repräsentiert wird, dass also auch Jugendliche mit Behinderungen, junge Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität sowie Jugendliche aus oftmals marginalisierten ethnischen Gruppen und Gemeinschaften einbezogen werden. 

Unser Youth4Health-Netzwerk wird alle zwei Jahre bei Präsenzveranstaltungen zusammenkommen, wobei das Forum von Tirana in dieser Woche die erste derartige Veranstaltung darstellt.

An dieser Stelle möchte ich betonen, dass WHO/Europa nicht auf alles eine Antwort hat. Für eine wirkliche Einbeziehung der Jugend brauchen wir junge Menschen, die uns dabei helfen, die richtigen Wege einzuschlagen. 

Das Forum von Tirana in dieser Woche etwa wurde von den jungen Menschen selbst gestaltet – sie waren es, die die Tagesordnung erstellt und die einzelnen Sitzungen gestaltet haben. Es war beeindruckend, Zeuge eines solch eindrucksvoll gestalteten Forums zu sein.

Doch dies ist nur der Anfang. Der Erfolg dieses ersten Youth4Health-Forums wird für mich darin bestehen, wenn junge Menschen konkrete Ideen vorbringen können, wie sie zu gesundheitspolitischen Konzepten beitragen können, bei denen die fast 300 Millionen jungen Menschen in der Region berücksichtigt werden, insbesondere jene, deren Stimmen uns nie erreichen.

Ich möchte Ministerin Manastirliu und ihrem Team ebenso wie Bürgermeister Veliaj und der Stadt Tirana sowie UNFPA und allen, die geholfen haben, diese Woche umzusetzen, meinen herzlichen Dank aussprechen.

Wir freuen uns auf eine großartige Zusammenarbeit. Vielen Dank.