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Umfassende Maßnahmen zur Bewältigung eines Polio-Ausbruchs stoppen erfolgreich die Ausbreitung der Krankheit in Tadschikistan

28 April 2022
Pressemitteilung
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Eine Beurteilung der Reaktion auf einen Polioausbruch unter Leitung der WHO, die vom 11. bis 15. April 2022 durchgeführt wurde, kam zu dem Schluss, dass die Zirkulation des Poliovirus in Tadschikistan erfolgreich unterbunden werden konnte, und empfahl daher, den Ausbruch, der im Januar 2021 begonnen hatte, offiziell für beendet zu erklären.

Infektionskrankheiten wie Poliomyelitis (Polio) kennen keine Grenzen. Durch die Einschleppung und anschließende Ausbreitung des Virus wurden 34 Kinder gelähmt und 26 weitere erhielten einen Positivbefund, ohne jedoch Lähmungserscheinungen zu entwickeln. Im Februar 2021 begannen umfassende Impfanstrengungen, und seit August 2021 zeigte keine Probe bei Kindern oder Erwachsenen und keine Umweltprobe mehr ein positives Ergebnis.

Der Ausbruch in Tadschikistan war der erste festgestellte Ausbruch des zirkulierenden vakzine-abgeleiteten Poliovirus Typ 2 (cVDPV2) in der Europäischen Region der WHO. Jetzt ist er der cVDPV2-Ausbruch weltweit, der nach zusätzlichen Impfmaßnahmen unter Verwendung des neuartigen oralen Polioimpfstoffs Typ 2 (nOPV2) offiziell für beendet erklärt wurde.

In der Europäischen Region ist das Poliovirus seit 2002 nicht mehr endemisch, sie ist poliofrei. Selbst ein einzelner auftretender Poliofall – ob von einem Wildvirus oder einem vakzine-abgeleiteten Poliovirus ausgehend – wird bereits als Ausbruch betrachtet und macht sofortige und umfassende Gegenmaßnahmen erforderlich.

„Der in Tadschikistan erzielte Erfolg, diesen Ausbruch zu stoppen, ist eine bedeutende Leistung und ein eindeutiger Beweis für die politische Entschlossenheit auf der höchsten politischen Ebene der Regierung Tadschikistans“, erklärt Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa.

„Dieser Ausbruch und die anschließende Reaktion darauf erfolgten zu einer Zeit als das Gesundheitssystem infolge der COVID-19-Pandemie bereits stark überlastet war und das Land massive Impfmaßnahmen für COVID-19 stemmen musste. Die Gegenmaßnahmen zur Bewältigung der beiden Ausbrüche mussten durchgeführt werden, ohne die lebenswichtige Bereitstellung anderer Routineimpfungen für Kinder zu beeinträchtigen. Wir honorieren die Anstrengungen des Gesundheitsministeriums in diesen letzten paar Jahren, die zu einem widerstandsfähigen Impfsystem geführt haben, das in der Lage war, erfolgreich all diese konkurrierenden Impfprioritäten zu bewältigen.“

Ergriffene Maßnahmen zur Beendigung des Ausbruchs

Nach Bestätigung des Ausbruchs ergriff das Ministerium für Gesundheit und soziale Sicherheit der Bevölkerung unverzüglich Maßnahmen mit Unterstützung und unter Anleitung der WHO und anderer Partner der Weltweiten Initiative zur Ausrottung der Kinderlähmung. Diese Maßnahmen umfassten etwa eine verstärkte Poliovirus-Surveillance, intensive Kontaktverfolgung und eine gründliche Überprüfung der Durchimpfung auf subnationaler Ebene. Zudem wurde eine rigorose Risikobewertung durchgeführt, um den Umfang der Gegenmaßnahmen zur Bewältigung des Ausbruchs und den passenden Impfstoff zu ermitteln. Ferner führte das Land rasch einen umfassenden Verifizierungsprozess hinsichtlich der Bereitschaft zur Nutzung des nOPV2-Impfstoffs durch.

Im Februar 2021 wurde eine hochwertige landesweite Impfkampagne mit inaktiviertem Polioimpfstoff (IPV) durchgeführt, um die bestehenden Immunitätslücken gegen das Poliovirus Typ 2 unter den mehr als einer halben Million Kindern, die zwischen 2016 und 2018 geboren wurden und aufgrund von weltweiten IPV-Lieferengpässen infolge der Einstellung der Nutzung des trivalenten oralen Polioimpfstoffs gefährdet waren, zu schließen.

Zwischen Juni und September 2021 wurden zwei landesweite Impfrunden und eine subnationale Impfrunde mit dem nOPV2-Impfstoff für alle Kinder unter 6 Jahren durchgeführt, bei denen (durch eine externe Bewertung) eine Durchimpfung von über 95% bestätigt wurde. Es wurden umfassende soziale Mobilisierungs- und Kommunikationsstrategien eingesetzt, um Bevölkerungsgruppen zu erreichen, die Gefahr liefen, übergangen zu werden, darunter Binnenmigranten in Städten und nicht gemeldete Kinder.

Beurteilung der Maßnahmen zur Bewältigung des Ausbruchs

Um einen Ausbruch offiziell für beendet zu erklären, müssen mehrere Kriterien erfüllt werden, u. a. dürfen während mindestens sechs aufeinanderfolgender Monate keine neuen Poliofälle entdeckt werden. Die unabhängigen Experten der Weltweiten Initiative zur Ausrottung der Kinderlähmung, die die Bewertung in Tadschikistan durchführten, beurteilten zudem die Leistungsfähigkeit der routinemäßigen Polio-Impfmaßnahmen, die während den zusätzlichen Impfrunden erzielte Durchimpfung und die Kapazitäten und Sensitivität des Polio-Surveillance-Systems für die Entdeckung einer Poliovirus-Zirkulation.

Nach der gründlichen Beurteilung, die auch Informationsveranstaltungen auf nationaler Ebene und Besuche vor Ort in nationalen Überweisungskrankenhäusern, öffentlichen Krankenhäusern, Polikliniken, Regional- und Bezirksbüros für das Impfprogramm sowie Zentren für die öffentliche Gesundheit umfassten, empfahl das Team, den Ausbruch für beendet zu erklären.

nOPV2 – ein neues Kapitel für die weltweiten Anstrengungen zur Ausrottung von Polio

Die Beendigung dieses Ausbruchs mithilfe von nOPV2 stellt einen wichtigen Meilenstein für das weltweite Polio-Programm dar. Der innovative Impfstoff ist ein wichtiger Bestandteil der neuen Strategie zur Unterbindung von cVDPV2. Klinische Studien zeigen, dass nOPV2 sicher und wirksam ist und darüber hinaus genetisch stabiler als der traditionelle orale Polioimpfstoff Typ 2.

Seit der Einführung von nOPV2 im März 2021 wurden bislang in 14 Ländern über 265 Mio. Impfstoffdosen verabreicht. Die Mehrheit der Länder, die den Impfstoff nutzen, konnte zudem erfolgreich die Übertragung von cVDPV2 unterbinden. Dies ist jedoch der erste Fall, in dem ein Ausbruch nach Nutzung von nOPV2 offiziell für beendet erklärt wurde.

Neben der erfolgreichen Eindämmung der Übertragung und Verringerung des Infektionsrisikos für Millionen von Menschen trug Tadschikistan zudem zur weltweiten Erforschung von nOPV2 bei, und zwar mit Unterstützung der WHO durch eine Immunogenitätsstudie zu nOPV2. Ferner nahm das Land an einer globalen Studie zur Impfstoffverschwendung teil.