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Erklärung – Keine Gesundheitssicherheit ohne Impfung: Investitionen in eine gesunde Zukunft setzen eine Erhaltung gesundheitlicher Errungenschaften voraus

Gemeinsame Erklärung von Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa, und Regina De Dominicis, UNICEF-Regionaldirektorin für Europa und Zentralasien

28 April 2025
Aussage
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Genf/Kopenhagen, 28. April 2025

Impfpräventable Krankheiten sind in der Europäischen Region wieder auf dem Vormarsch und gefährden Millionen Menschenleben. 

Von Masern über Keuchhusten (Pertussis) bis hin zu Diphtherie – Krankheiten, von denen wir einst glaubten, sie gehörten der Vergangenheit an, nehmen in den 53 Ländern Europas und Zentralasiens wieder zu. Nun stehen unsere hart erkämpften Fortschritte der letzten Jahrzehnte auf dem Spiel, nicht weil uns die Mittel fehlen, sondern weil nicht alle Menschen mit lebensrettenden Impfungen erreicht werden. Einfach ausgedrückt: Selbstzufriedenheit ist gefährlich, manchmal sogar tödlich. 

Zu Beginn der Europäischen Impfwoche rufen die WHO und das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) Regierungen und Bürger auf, unverzüglich zu handeln, um die bisherigen Erfolge zu bewahren, Impflücken zu schließen und dafür zu sorgen, dass Impfungen alle Menschen überall erreichen. Nur so können die Länder zu mehr Gesundheitssicherheit, sozialer Stabilität und Wohlstand für ihre Bürger gelangen. 

Dank der Impfungen ist die Prävalenz zahlreicher Krankheiten in der Europäischen Region in den letzten Jahrzehnten drastisch zurückgegangen. Es ist heute nicht hinnehmbar, dass ein Kind an Tetanus oder Diphtherie stirbt, durch Polio gelähmt wird oder durch Röteln erblindet, wenn wir die Mittel haben, es zu schützen.

Neuere Impfstoffe gegen Pneumokokken, Respiratorische Synzytialviren (RSV), COVID-19 und Influenza schützen jetzt vor Atemwegserkrankungen bei Kindern und gefährdeten Erwachsenen. Die Impfungen gegen Hepatitis B und humane Papillomaviren (HPV) verringern das Risiko für verschiedene Krebsarten. Impfungen während der Schwangerschaft gegen Keuchhusten, Influenza, COVID-19 und RSV helfen Frauen und ihren Babys zu überleben und zu gedeihen. 

Doch die Zahl der Routineimpfraten bei Kindern stagniert und ist in einigen Ländern sogar rückläufig. Dieser Trend muss als eine der sich schnell entwickelnden Gesundheitsgefahren in der Europäischen Region erkannt werden. Jedes Jahr versäumen mehr als eine halbe Million Kinder Routineimpfungen. Dadurch werden immer mehr Kinder und Erwachsene anfällig für impfpräventable Krankheiten. 

Die Folgen sind bereits sichtbar. 

2024 wurden in der Europäischen Region mehr als 127 000 Masernfälle gemeldet, die höchste Zahl seit 27 Jahren. Die Zahl der Keuchhustenfälle erreichte 2023 mit 87 000 den höchsten Stand seit 29 Jahren. Auch die Zahl der gemeldeten Diphtheriefälle erhöhte sich 2022 auf 578 und 2023 auf 264, verglichen mit weniger als 100 Fällen in jedem der vorangegangenen 13 Jahre. 

In der Europäischen Region gibt es seit über 20 Jahren keine endemische Übertragung des Polio-Wildvirus mehr. Doch wie aus der routinemäßigen Überwachung des Abwassers ersichtlich ist, kommt es wieder häufiger zu einer Einschleppung des Virus, was ein besonderes Risiko für alle Bevölkerungsgruppen darstellt, in denen die Durchimpfung gegen Polio nicht optimal ist. 

Wenn sich diese Trends fortsetzen, könnte die daraus resultierende Belastung durch impfpräventable Krankheiten die Kapazitäten der Gesundheitssysteme zur Bewältigung der Fälle beeinträchtigen und ihre Widerstandskraft zur Bewältigung etwaiger neuer gesundheitlicher Herausforderungen schwächen. 

Deshalb fordern die WHO und das UNICEF heute alle Länder der Europäischen Region dringend auf, die wertvollen gesundheitlichen Errungenschaften der Vergangenheit zu bewahren, und zwar durch drei konkrete Schritte: 
  • die Finanzierung von Impfstoffen und Impfangeboten als oberste Priorität für die Gesundheitspolitik beizubehalten, einschließlich der Unterstützung von Erforschung und Entwicklung neuer Impfstoffe; 
  • rechtzeitige Impfungen für alle leicht zugänglich zu machen und dabei besonders darauf zu achten, dass entlegene, ländliche oder unzureichend geimpfte Gemeinschaften erreicht werden; und
  • das Vertrauen der Öffentlichkeit in Impfstoffe zu stärken, und zwar durch klare Kommunikation, die Stärkung des Gesundheitspersonals, die Bekämpfung von Fehlinformationen und die Einbeziehung der Bürger zu ihren eigenen Bedingungen. 
Es gibt kein Patentrezept. Einzelne Länder und Gemeinschaften benötigen jeweils unterschiedliche Lösungen. In einigen Fällen können mobile Impfkliniken und Haus-zu-Haus-Kampagnen erforderlich sein, um unterversorgte Bevölkerungsgruppen zu erreichen. In anderen Fällen können einfache Erinnerungshilfen oder eine einfachere Terminvergabe im Rahmen der primären Gesundheitsversorgung einen großen Unterschied bewirken. In allen Ländern sollte das Gesundheitspersonal dabei unterstützt werden, Fragen zur Impfung selbstbewusst zu beantworten, und der Dialog mit den Bürgern verbessert werden, um Bedenken zu verstehen und Fehlinformationen wirksam zu bekämpfen. 

Wir wissen, was funktioniert: eine hohe und gleichmäßige Durchimpfung. Sie wird jedem Land helfen, Krankheitsausbrüche zu verhindern, das Gesundheitssystem zu entlasten und unnötiges Leiden und Sterben zu verringern. Gemeinsam können wir diejenigen erreichen, die bisher nicht erreicht werden, und allen Menschen in allen Altersgruppen den vollen Nutzen von Impfungen bringen. Impfungen für alle im Rahmen des umfassenderen Ziels „Gesundheit für alle“ sind im Bereich des Möglichen.