Kopenhagen, 28. Juni 2023
Die COVID-19-Pandemie hatte unverhältnismäßig negative Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche aus niedrigeren sozioökonomischen Schichten, insbesondere auf solche, die von langen Schulschließungen betroffen waren und denen die unentbehrlichen Unterstützungsstrukturen wie Familie und Lehrer fehlten. Dies geht aus neuen Daten hervor, die heute von WHO/Europa und der Studie über das Gesundheitsverhalten von Kindern im schulpflichtigen Alter (HBSC) veröffentlicht wurden.
Die Daten verdeutlichen auch, dass im Durchschnitt und bei verschiedenen Indikatoren ältere Schülerinnen die Auswirkungen der Pandemie stärker zu spüren bekamen als jüngere Jungen, was sich deutlich auf ihre psychische Gesundheit auswirkte. Diese Ungleichheit unterstreicht die Notwendigkeit gezielter Interventionen und Unterstützungssysteme, um die langfristigen Folgen für gefährdete Gruppen innerhalb unserer jugendlichen Bevölkerung abzumildern.
Die vier neuen Berichte, die über die Links abrufbar sind, enthalten Daten und Erkenntnisse aus Erhebungen, die im Zeitraum 2021–2022 durchgeführt wurden, und befassen sich mit einem breiten Spektrum von Themen, u. a. der Rolle von Alter, Geschlecht, wirtschaftlichem Hintergrund, sozialen Unterstützungsstrukturen und Schulschließungen bei den Erfahrungen junger Menschen mit der Pandemie und vor allem den Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit junger Menschen.
„COVID-19 hat sich ungleich auf Kinder und Jugendliche ausgewirkt, vor allem auf solche aus benachteiligten Verhältnissen, deren Schulen lange Zeit geschlossen waren und denen es sowohl zu Hause als auch in der Schule an Unterstützung fehlte“, erklärte der WHO-Regionaldirektor für Europa, Dr. Hans Henri P. Kluge.
„Unsere neuen Daten zeigen, dass ältere Schülerinnen stärkere negative Auswirkungen erlebten, insbesondere auf ihre psychische Gesundheit. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, z. B. durch eine bessere Unterstützung zu Hause, in der Schule und bei sozialen und außerschulischen Aktivitäten. Indem wir diese Ungleichheiten beseitigen und die soziale Unterstützung stärken, können wir ein Umfeld schaffen, das das Wohlbefinden unserer Kinder und Jugendlichen während und nach diesen Krisen schützt“, fügte Dr. Kluge hinzu.
Aufgeschlüsselte Analyse der Ergebnisse: psychische Gesundheit, Schulschließungen, soziale Unterstützung
Diese negativen Auswirkungen der Pandemie betrafen vor allem die psychische Gesundheit, das Bewegungsverhalten und die schulischen Leistungen. Es wurden jedoch auch einige positive Ergebnisse beobachtet, insbesondere die Verbesserung der Beziehungen zu Familie und Freunden, die durch den engeren Kontakt zu Hause und in anderen Umgebungen infolge der eingeschränkten räumlichen Bewegungsfreiheit erreicht wurde.
Alarmierenderweise berichteten Jugendliche aus weniger wohlhabenden Familien häufiger von negativen Auswirkungen der Pandemie auf ihr Leben, selbst wenn sie das gleiche Maß an sozialer Unterstützung erhielten wie ihre wohlhabenderen Mitschüler. Dies unterstreicht den dringenden Bedarf an zusätzlicher Unterstützung für gefährdete Bevölkerungsgruppen.
Bemerkenswert ist, dass Jugendliche, die über negative Auswirkungen auf ihre schulischen Leistungen und ihre Beziehungen zu Familie und Freunden berichteten, mit höherer Wahrscheinlichkeit psychische Gesundheitsprobleme und mangelndes seelisches Wohlbefinden aufwiesen, einschließlich einer geringen Lebenszufriedenheit und eines höheren Maßes an psychischen und physischen Beschwerden.
Schließlich zeigen die neuen Daten das Ausmaß der schwankenden Dauer der Schulschließungen in 22 Ländern und Regionen von Januar 2020 bis Dezember 2022. In diesem Zeitraum waren die Schulen im Durchschnitt 138 Tage geschlossen, was die Bildung der Jugendlichen erheblich beeinträchtigte und sie einem enormen schulischen Druck aussetzte. Aus den Daten geht hervor, dass fast die Hälfte der Jugendlichen erheblichen Druck in der Schule verspürt, wobei Mädchen, ältere Jugendliche und solche, die mit mehr schulfreien Tagen konfrontiert waren, häufiger von Druck berichteten.
Maßnahmen zur Berücksichtigung der Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen
- Durchführung von Konzepten und Programmen zur Schaffung förderlicher Umfelder in Schulen und Familien und unter Gleichaltrigen mit dem Ziel, die psychische Gesundheit junger Menschen zu fördern und zu schützen. Dazu gehören die Schaffung sicherer Räume für offene Gespräche, die Bewusstseinsbildung für Belange der psychischen Gesundheit, die Umsetzung von Maßnahmen gegen Mobbing, die Schulung von Lehrern in emotionaler Unterstützung und die Förderung einer Kultur der Empathie und des Verständnisses;
- Entwicklung maßgeschneiderter Programme zur Unterstützung der psychischen Gesundheit, die jugendgerecht sind und sowohl Alter als auch Geschlecht berücksichtigen. Dazu gehören u. U. die Schulung von Fachkräften im Psychiatriewesen in jugendspezifischen Fragen, die Gewährleistung der Rechte der Jugendlichen auf Privatsphäre und Vertraulichkeit und die Thematisierung geschlechtsspezifischer Barrieren beim Zugang zur Gesundheitsversorgung;
- Anerkennung der entscheidenden Rolle von Familien und Gleichaltrigen bei der Bewältigung von Herausforderungen und bei der Aufrechterhaltung einer positiven Einstellung der Jugendlichen;
- Entwicklung von Programmen und Initiativen, die Eltern bei der Stärkung ihrer Beziehungen zu ihren Kindern unterstützen, in Anerkennung der entscheidenden Rolle der familiären Unterstützung in Krisenzeiten. Als Initiativen kommen Workshops zu effektiven Kommunikationsstrategien, Stressbewältigung, Konfliktlösungstechniken und Informationsmaterial über kindliche Entwicklung und psychische Gesundheit in Frage;
- Ausstattung der Lehrkräfte mit den erforderlichen Schulungen und Ressourcen, um eine solide Unterstützung der Schüler zu gewährleisten und ein sicheres, inklusives Unterrichtsumfeld zu schaffen, selbst in Situationen, in denen sie räumlich entfernt sind oder aus der Ferne lernen;
- Angebot zusätzlicher Unterstützung für Jugendliche aus weniger wohlhabenden Familien, da sie ein höheres Risiko tragen, in Gesundheitskrisen negative Folgen zu erleben.
Ihr Fazit lautete: „Wir wissen seit langem um die Auswirkungen der Pandemie auf unsere jungen Menschen, aber die uns vorliegenden Daten bestätigen unsere Eindrücke und bilden eine Grundlage für konkrete Maßnahmen, während wir uns besser auf bevorstehende Herausforderungen vorbereiten.“
Die HBSC-Studie
Die Daten werden in allen beteiligten Ländern durch an Schulen durchgeführte Erhebungen nach einer Standardmethodik erfasst, die im internationalen Protokoll der HBSC-Studie detailliert beschrieben ist, um sicherzustellen, dass die Stichproben jeweils für alle innerhalb der Altersgruppe repräsentativ sind.