In einem neuen Faktenblatt von WHO/Europa für den Zeitraum 2022–2024 werden Ergebnisse aus der sechsten Runde der Initiative der Europäischen Region der WHO zur Überwachung von Adipositas im Kindesalter (COSI) präsentiert. Sie zeigen besorgniserregende Trends für die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas bei Kindern im Alter von sieben bis neun Jahren in der gesamten Europäischen Region der WHO. So gelang es der überwiegenden Mehrheit der teilnehmenden Länder nicht, die Zahl der an Übergewicht und Adipositas leidenden Kinder im Vergleich zu früheren Schätzungen zu reduzieren. In den Ländern, die Veränderungen verzeichneten, kam es häufiger zu einer Zunahme als zu einem Rückgang der Adipositas.
Das Faktenblatt beinhaltet die ersten Erkenntnisse über die Entwicklung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern seit COVID-19 und unterstreicht damit die dringende Notwendigkeit verstärkter politischer Anstrengungen zum Schutz der Kinder vor dieser wachsenden Herausforderung und ebnet den Weg für eine gesündere und erfülltere Zukunft für alle.
Heute zählen Übergewicht und Adipositas zu den führenden Ursachen für Tod und Behinderung, da sie in engem Zusammenhang mit zahlreichen nichtübertragbaren Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und verschiedenen Arten von Krebs stehen. Jüngste Schätzungen deuten darauf hin, dass sie jährlich für mehr als 1,2 Mio. Todesfälle in der Europäischen Region verantwortlich sind.
Ein Überblick über die Lage in der Europäischen Region
In der sechsten Runde der COSI wurden in 37 Ländern Daten von etwa 470 000 Kindern erhoben.
Laut dem Bericht über die sechste Runde leben 25 % der 7- bis 9-jährigen Kinder mit Übergewicht und 11 % mit Adipositas. Dabei sind Jungen deutlich häufiger betroffen als Mädchen: so leiden 27 % von ihnen an Übergewicht und 13 % an Adipositas, bei Mädchen sind es 23 % bzw. 9 %. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Übergewicht und Adipositas nach wie vor ein schwerwiegendes Problem für die öffentliche Gesundheit in der Europäischen Region darstellen.
„Trotz anhaltender Bemühungen und Diskussionen auf höchster Ebene ist die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas bei Kindern in dieser Altersgruppe weiterhin alarmierend hoch. Eine zentrale Herausforderung sind kommerzielle Interessen, die Entscheidungsprozesse behindern und die Einführung weitreichender gesundheitsförderlicher Konzepte verzögern. Es ist erwiesen, dass Maßnahmen wie verbindliche Werbebeschränkungen für ungesunde Lebensmittel oder obligatorische Etiketten auf der Vorderseite von Lebensmittelverpackungen wirksame Instrumente zur Bekämpfung der Adipositas bei Kindern sind. In allen Ländern der Europäischen Region der WHO besteht dringender Handlungsbedarf zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherung einer gesünderen Zukunft für die nächste Generation“, sagt Dr. Kremlin Wickramasinghe, Regionalbeauftragter für Ernährung, Bewegung und Adipositas bei WHO/Europa.
Der Anteil der Übergewichtigen liegt in den teilnehmenden Ländern zwischen 9 % und 42 %, der Anteil der Fettleibigen zwischen 3 % und 20 %. In mehr als der Hälfte der Länder leidet mindestens eines von zehn Kindern an Adipositas. In einigen Ländern ist mindestens jedes dritte Kind von Übergewicht betroffen.
Die Situation nach COVID-19: aktuelle Muster und Trends
Die jüngste Datenerhebung ermöglicht einen guten Überblick über die aktuelle Situation in Bezug auf Übergewicht und Adipositas bei Kindern nach der COVID-19-Pandemie.
Dabei verzeichneten vier Länder – Finnland, Malta, Slowenien und Schweden – einen statistisch signifikanten Anstieg der Adipositasprävalenz, während nur in San Marino ein Rückgang zu verzeichnen war.
Bei Übergewicht wurde aus vier Ländern (Bulgarien, Malta, Schweden und Slowenien) ein Anstieg und aus vier Ländern (Griechenland, Israel, Italien und Spanien) ein Rückgang gemeldet.
Dies deutet darauf hin, dass die Pandemie das Problem in bestimmten Teilen der Europäischen Region verschärft haben könnte.
Auch wenn in einigen Ländern Verbesserungen zu verzeichnen sind, so verdeutlichen die Daten doch, dass sowohl auf nationaler als auch auf regionsweiter Ebene anhaltende Anstrengungen zur Bekämpfung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern erforderlich sind.
Bewältigung der Herausforderungen
Die Ergebnisse der Runde 6 der COSI liefern wichtige Erkenntnisse im Hinblick auf gesundheitspolitische Maßnahmen zur Bekämpfung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern. Die wichtigsten Erkenntnisse waren:
- Notwendigkeit maßgeschneiderter Interventionen: Erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern verdeutlichen, wie wichtig lokal angepasste Strategien sind, um den spezifischen Herausforderungen einzelner Bevölkerungsgruppen gerecht zu werden.
- Schwerpunkt Präventionsarbeit: Die Politik sollte anstreben, ein Umfeld zu schaffen, das gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung für Kinder im Schul- und Vorschulalter fördert.
- Kontrolle und Evaluation: Eine kontinuierliche Überwachung durch Initiativen wie COSI ist unverzichtbar, um Fortschritte zu verfolgen, neue Trends zu erkennen und faktengestützte politische Entscheidungen zu treffen.
Eine gesündere Zukunft für unsere Kinder
„Übergewicht und Adipositas bei Kindern sind nicht nur ein gesundheitliches, sondern auch ein allgemeines gesellschaftliches Problem, das Auswirkungen auf den Bildungserfolg, die wirtschaftliche Produktivität und das allgemeine Wohlbefinden hat. Der COSI-Bericht ist ein Handlungsappell an die Politik, die Gesundheitsberufe und andere Akteure in der Europäischen Region der WHO. Einzelpersonen und Familien dürfen nicht mit dieser Bedrohung für ihre Gesundheit allein gelassen werden. Konzepte, die gesündere Entscheidungen leicht machen, sind der Schlüssel zur Eindämmung der Adipositas-Epidemie“, erklärt Dr. Gauden Galea, Strategischer Berater des Regionaldirektors für nichtübertragbare Krankheiten und Innovation bei WHO/Europa.
Die Daten der COSI spielen eine wesentliche Rolle bei der Erfolgskontrolle und bei der Politikgestaltung im Vorfeld der für 2025 geplanten Tagung der Vereinten Nationen auf hoher Ebene über nichtübertragbare Krankheiten, deren Ziel die Eindämmung der Adipositas und die Erfüllung von Zielvorgabe 3.4 der Ziele für nachhaltige Entwicklung ist, nämlich die Frühsterblichkeit aufgrund von nichtübertragbaren Krankheiten um ein Drittel zu senken.
COSI ist mittlerweile weltweit die größte Initiative zur Überwachung von Adipositas im Kindesalter. Seit der ersten Runde der Datenerhebung im Jahr 2007 wurde COSI spektakulär von 13 auf heute 46 Länder ausgeweitet. Insgesamt konnten in den sechs Erhebungsrunden Daten über etwa 1,7 Mio. Kinder gesammelt werden.
Diese Datenbank gibt einen guten Überblick über Übergewicht und Adipositas bei Kindern in den einzelnen Ländern und ermöglicht es diesen, Veränderungen im zeitlichen Verlauf zu verfolgen, ihre Fortschritte mit denen anderer Länder zu vergleichen und wirksamere und umfassendere Konzepte zu entwickeln.