WHO / Uka Borregaard
© Credits

Reduzierung des Alkoholkonsums nach nordischem Vorbild: Alkoholmonopole, Werbeverbote und höhere Steuern

30 June 2023
Pressemitteilung
Reading time:
Die nordischen Länder haben eine lange Geschichte des Alkoholkonsums und stehen vor komplexen Problemen mit starkem episodischem Alkoholkonsum. Außerdem genießen sie den Ruf, über besonders strenge Vorschriften zur Verringerung alkoholbedingter Schäden zu verfügen. 

Heute ist der Alkoholkonsum in den nordischen Ländern, also Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden, niedriger als in den meisten Ländern der Europäischen Union. Es überrascht nicht, dass Alkohol in diesen Ländern meist nicht wie eine gewöhnliche Ware behandelt, sondern streng reguliert wird.

Als Schlüsselelemente für Erfolg nennt die WHO u. a.:
  • Verbote oder Beschränkungen für Alkoholwerbung; 
  • Besteuerung und Preisgestaltung; 
  • Beschränkung der Verfügbarkeit von Alkohol. 

Einzelhandelsmonopole

Einer der Hauptgedanken hinter dem nordischen Ansatz ist die Auffassung, dass die mit dem Alkoholkonsum verbundenen Gesundheitsschäden schwerer wiegen als die potenziellen wirtschaftlichen Gewinne und Einnahmen aus dem Verkauf alkoholischer Getränke. Deshalb steht die Begrenzung der negativen Auswirkungen von Alkohol auf die Gesellschaft im Mittelpunkt der nordischen Alkoholkontrollmaßnahmen.

Einzelhandelsmonopole sind ein nordischer Ansatz, um diese Vision in die Praxis umzusetzen und die alkoholbedingten Schäden zu begrenzen – nicht nur für die Trinker selbst, sondern auch für die Menschen in ihrem Umfeld. Alle nordischen Länder, mit Ausnahme Dänemarks, aber einschließlich Grönlands und der Färöer-Inseln (die Selbstverwaltungseinheiten innerhalb des dänischen Staates bilden), haben sich für die Schaffung und Aufrechterhaltung solcher Einzelhandelsmonopole entschieden, die sich in staatlicher Hand befinden und kontrollieren, wann, wo und zu welchem Preis Alkohol verkauft wird. 

Ziel dieser Monopolsysteme ist es, die verschiedenen negativen Auswirkungen des Alkohols auf Bevölkerung und Gesellschaft zu begrenzen, indem die Zahl der Verkaufsstellen für Alkohol reduziert und andere Regulierungsmaßnahmen wie die Beschränkung von Öffnungszeiten und Verkaufsförderung durchgesetzt werden. Jedes nordische Land hat sein eigenes Rahmenkonzept für die Alkoholpolitik, und Einzelhandelsmonopole bilden einen wesentlichen Bestandteil.

Verglichen mit anderen Systemen zur Regulierung des Alkoholverkaufs haben sich die nordischen Einzelhandelsmonopole als wirksames Instrument zur Begrenzung der physischen Verfügbarkeit von Alkohol erwiesen und wurden in internationalen Forschungs- und Bewertungssystemen, wie dem von einer internationalen Gruppe von Suchtforschern geschaffenen globalen System „Alkohol: keine gewöhnliche Ware“, als vorbildlich eingestuft.

Schutz für junge Menschen – Schutz für alle

Eine weitere wirksame Maßnahme, auf die die nordischen Länder verstärkt zurückgreifen, ist die Alkoholbesteuerung, nicht nur um die Staatseinnahmen zu erhöhen, sondern auch als gesundheitliche Maßnahme. Selbst moderate Erhöhungen der Verbrauchssteuern auf Alkohol in den nordischen Ländern haben beträchtlichen gesundheitlichen Nutzen gebracht und zu staatlichen Einnahmen geführt, die für Investitionen in das Gesundheitswesen verwendet werden können. 

Die Besteuerung hat in den nordischen Ländern auch eine wichtige Rolle beim Schutz junger Menschen vor den schädlichen Auswirkungen von Alkoholkonsum gespielt. Hohe Steuern auf Alkohol verringern nachweislich den Alkoholkonsum und die Schäden für die gesamte Gesellschaft, insbesondere für starke Trinker und für Jugendliche. Es gibt auch Belege dafür, dass die Besteuerung dazu beiträgt, bei jungen Menschen das Einstiegsalter zu erhöhen. 

Die Besorgnis über die negativen Auswirkungen der Alkoholwerbung auf junge Menschen war auch ein Hauptgrund dafür, dass Länder wie Norwegen strengere Verbote und Beschränkungen für die Vermarktung von Alkohol durchgesetzt haben. 

„Ein umfassendes Verbot von Alkoholwerbung, das auf nationaler und kommunaler Ebene durchgesetzt wird, ist der beste Weg zur Verringerung des Alkoholverkaufs und -konsums“, sagt Ingeborg Rossow vom norwegischen Institut für öffentliche Gesundheit, eine der Autorinnen der kooperativen Studie ,Alkohol: keine gewöhnliche Ware‘. „In Norwegen hat ein vollständiges Werbeverbot, das schon 1975 eingeführt wurde und andere Alkoholkontrollmaßnahmen ergänzt, eine unmittelbare und dauerhafte Verringerung des Alkoholverkaufs und -konsums bewirkt. Was mit der Sorge um die Gesundheit junger Menschen begann, hat sich positiv auf die gesamte Bevölkerung ausgewirkt.“

Kooperation mit den nordischen Ländern

Der nordische Ansatz verbindet umfassende Alkoholkontrollmaßnahmen mit wirksamen Sensibilisierungskampagnen. Sein Ziel ist die Förderung einer sichereren Gesellschaft, in der es zu weniger alkoholbedingten Schäden kommt. „Die nordischen Länder haben sich seit Anfang oder Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts stark darum bemüht, ihrem früheren starken Alkoholkonsum und den daraus resultierenden hohen Schäden durch eine direkte staatliche Kontrolle des Alkoholmarktes und der Werbung entgegenzuwirken, und zwar vor allem dadurch, dass der Alkohol in staatlichen Monopolgeschäften verkauft wird“, sagt Robin Room, ein australischer Forscher, der die Auswirkungen solcher Systeme untersucht hat und auch Mitautor der Studie „Alkohol: keine gewöhnliche Ware“ ist.  

Er fügt hinzu: „Dieser Ansatz wurde durch den Beitritt Finnlands und Schwedens zur Europäischen Union und durch den Druck privater Interessen im Zeitalter des Neoliberalismus bis zu einem gewissen Grad aufgeweicht. Trotzdem haben die nordischen Monopolsysteme ebenso wie die der kanadischen Provinzen und der US-Bundesstaaten ein Kontrollsystem aufrechterhalten, das nachweislich im Interesse der öffentlichen Gesundheit und des Wohlergehens liegt und die gesellschaftlichen Schäden durch Alkoholkonsum verringert.“ 

Angesichts der führenden Rolle dieser Länder in der europäischen Alkoholpolitik prüft WHO/Europa Möglichkeiten für eine verstärkte Zusammenarbeit mit den nordischen Ländern, um bewährte Verfahren zur Verringerung alkoholbedingter Schäden zu dokumentieren und zu verbreiten. 

„Viele der nordischen Länder sind gut darin, die mit Alkohol verbundenen Risiken zu kommunizieren – eine giftige und abhängig machende Substanz, die für mehr als 200 Erkrankungen und Gesundheitsprobleme, einschließlich Krebs, verantwortlich ist“, erklärt Dr. Carina Ferreira Borges, Leiterin des Programms für Alkohol, illegale Drogen und Gesundheit im Strafvollzug bei WHO/Europa. „Mit einem wachsenden Bewusstsein für diese Tatsache können wir Umfelder schaffen, in denen die gesündere Entscheidung, weniger zu trinken, leicht fällt und nicht stigmatisiert wird. Die nordischen Länder und ihre staatlichen Einzelhandelsmonopole sind ein umfassendes Beispiel dafür, wie Alkohol als nicht gewöhnliche Ware behandelt werden kann.“