Ein neuer Leitfaden von WHO/Europa soll gesundheitsförderliche körperliche Aktivität in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in allen Teilen der Europäischen Region der WHO fördern. Jedes Jahr führt Bewegungsmangel zu über 10 000 vermeidbaren Todesfällen in der Region, und sitzende Tätigkeiten am Arbeitsplatz sind ein großer Teil dieses Problems.
Der in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von HEPA Europe zur Förderung von gesundheitsförderlicher körperlicher Aktivität am Arbeitsplatz entwickelte neue Leitfaden ist speziell für kleinere Unternehmen konzipiert und trägt den Herausforderungen Rechnung, mit denen diese im Vergleich zu größeren Unternehmen konfrontiert sein können.
99 % aller Unternehmen in der Europäischen Union (EU) sind KMU. Sie werden oft in gesundheitsförderlichen Konzepten und Initiativen übersehen und verfügen nicht über die Ressourcen oder Leitlinien, um vollwertige Programme zur Bewegungsförderung umzusetzen, wie sie in großen Unternehmensstrukturen zu finden sind. Die Empfehlungen des neuen Leitfadens machen sich jedoch einen der größten Vorteile von KMU zunutze – ihre Flexibilität.
Zu langes Sitzen ist ein besorgniserregender Risikofaktor für die Gesundheit, der mit Herzerkrankungen, Krebs, Typ-2-Diabetes und anderen nichtübertragbaren Krankheiten in Verbindung gebracht wird. Zusammengenommen sind diese Erkrankungen für 90 % aller Todesfälle in der gesamten Europäischen Region der WHO verantwortlich. Weltweit sehen immer mehr Länder die Notwendigkeit, angesichts zunehmender gesundheitlicher Bedenken und eines zunehmenden Bewusstseins für die durch nichtübertragbare Krankheiten bedingte wirtschaftliche Last einen aktiveren Lebensstil zu fördern.
Kleinere Unternehmen können sich dem Wandel stellen
Das Spezielle Eurobarometer zu Sport und körperlicher Betätigung der EU aus dem Jahr 2022 hob einen besorgniserregenden Trend hervor: 45 % der EU-Bevölkerung treiben weder Sport noch sind sie sportlich aktiv. Dies trägt zu einem Anstieg der gesundheitsbezogenen Probleme bei und belastet die öffentlichen Gesundheitsbudgets. Die WHO empfiehlt, wöchentlich mindestens 150 Minuten lang eine körperliche Ausdaueraktivität von moderater Intensität auszuüben. Es ist jedoch schwierig, diese Empfehlung mit einer sitzenden Tätigkeit am Arbeitsplatz in Einklang zu bringen.
Im Folgenden einige Fakten aus der Eurobarometer-Umfrage über eine sitzende Lebensweise:
- Mehr als 4 von 10 Europäern (44 %) verbringen an einem normalen Tag zwischen 2 Stunden 31 Minuten und 5 Stunden 30 Minuten im Sitzen.
- Fast 4 von 10 Befragten sitzen länger:
- etwas mehr als 1 von 10 (11 %) gibt an, dass er mehr als 8 Stunden und 30 Minuten sitzt; und
- fast 3 von 10 (28 %) sitzen zwischen 5 Stunden 31 Minuten und 8 Stunden 30 Minuten.
- Mehr als jeder zehnte Befragte unter Angestellten (17 %), Managern (16 %), Studenten (14 %) und Arbeitslosen (13 %) verbringt an einem normalen Tag mehr als 8 Stunden und 30 Minuten im Sitzen – ein wesentlich höherer Anteil als bei Arbeitern (5 %).
Möglichkeiten zur Gesundheitsförderung finden
Der neue Leitfaden von WHO/Europa befasst sich mit diesem Thema und enthält praktische, kreative Strategien, die KMU und Führungskräfte nahtlos in ihre tägliche Routine integrieren können, um ein ganzheitliches, gesundheitsförderndes Arbeitsumfeld zu schaffen. Diese Strategien umfassen die Umwandlung alltäglicher Aufgaben in Gelegenheiten zur Förderung der Gesundheit, z. B. durch die Organisation von Meetings im Gehen, die Förderung einer freundlichen Kultur des „Treppensteigens“ oder die Förderung des Radfahrens zur Arbeit. Von der Initiierung teambasierter Fitness-Challenges bis hin zum Angebot von Fitnessstudio-Mitgliedschaften und anderen Anreizen für das Wohlbefinden der Beschäftigten – der Leitfaden bietet einen strukturierten Ansatz für Unternehmen, die sich für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter einsetzen wollen.
Um die Umsetzung zu erleichtern, enthält der Leitfaden eine Liste der 10 wichtigsten Maßnahmen, die Erkenntnissen zufolge praktisch und durchführbar sind. Dieses Merkmal ist besonders für KMU von Vorteil, da sie so gesundheitsfördernde Anpassungen vornehmen können, ohne ihren Betrieb zu stören. Zu diesen Initiativen gehören etwa:
- die Durchführung einer Kampagne zur Förderung des Radfahrens zur Arbeit unter Einbeziehung von Team-Challenges
- die Förderung aktiver Besprechungen mit Dehnungsübungen und Formaten für Meetings im Gehen
- die Verteilung von Informationspaketen zu Strecken für Spaziergänge in der Umgebung
- die Ermutigung der Mitarbeiter, zu Fuß zur Arbeit zu gehen
- die Einführung von Angeboten der Physiotherapie am Arbeitsplatz
- die Einbeziehung kurzer Aufwärmübungen in den täglichen Arbeitszeitplan
- das Angebot von Unterstützung für individuelle Verhaltensänderungen
- die Förderung der Nutzung der Treppen am Arbeitsplatz
- die Entwicklung umsetzbarer Konzepte für den Arbeitsplatz.
Darüber hinaus enthält der Leitfaden Empfehlungen zu Kommunikationstaktiken. Er ermutigt zu anhaltenden, informierten Gesundheitsdiskussionen im Rahmen einer kontinuierlichen Zusammenarbeit mit Gesundheitsfachkräften, die durch im Unternehmen zirkulierende Aufklärungsmaterialien unterstützt werden.
Langfristig denken
Die Veröffentlichung dieses Leitfadens markiert den Beginn der Diskussion über die Förderung eines gesünderen Arbeitsumfeldes, insbesondere in KMU. Der Großteil der vorhandenen Empfehlungen richtet sich entweder an Einzelpersonen oder an größere Unternehmen, die über mehr Kapazitäten für Experimente verfügen. Durch die Einführung dieser innovativen Praktiken können KMU aktiv zu einer Gesellschaft beitragen, in der Gesundheit und Arbeit Hand in Hand gehen, ohne dass die tägliche Leistung ihrer Unternehmen darunter leidet. Zu den langfristigen Vorteilen gehören voraussichtlich ein geringerer Krankenstand und eine geringere Personalfluktuation.
Die Botschaft von WHO/Europa ist eindeutig: die Verlagerung hin zu einem gesünderen Arbeitsplatz ist nicht nur notwendig, sondern auch durchaus erreichbar.