WHO/Ruggero Giuliani
© Credits

Bekämpfung von COVID-19 in Haftanstalten: Bericht der WHO stellt vorbildliche Praktiken aus verschiedenen Ländern vor

31 March 2022
Pressemitteilung
Reading time:
Insassen von Haftanstalten sind für eine Infektion mit COVID-19 anfälliger als Menschen außerhalb des Strafvollzugs, aber es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, sie zu schützen. In einem neuen Bericht der WHO mit dem Titel „Bewährte Praktiken beim Umgang mit Infektionskrankheiten im Strafvollzug“ werden die wirksamsten Konzepte aus den Mitgliedstaaten zusammengefasst, die auf eine Verringerung der Risiken von Seuchenausbrüchen in Haftanstalten unter Wahrung der Menschenrechte und unter effektiver Nutzung vorhandener Ressourcen abzielen. 

In dem Bericht wird geschildert, wie einige Länder die Empfehlungen der WHO zur Prävention und Bekämpfung von COVID-19 in Haftanstalten bereits erfolgreich umgesetzt haben. Die beteiligten Länder gaben gemäß der Struktur dieser Anleitung Auskunft über die von ihnen ergriffenen Maßnahmen und passten ihre Praktiken jeweils auf der Grundlage von neuen Daten und Erfahrungen sowie von Änderungen an den Empfehlungen der WHO an. 

Bereitschafts- und Notfallplanung: Vereinigtes Königreich 

Um das Risiko einer Einschleppung von COVID-19 in Haftanstalten zu verringern, hat das Vereinigte Königreich Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung von Abstandsgeboten und insbesondere zum Schutz der gefährdetsten Gruppen, nämlich der Personen über 50 Jahre mit Vorerkrankungen, eingeführt. Neben der Einstellung aller Besuche und Schulungen, der Schließung von Arbeitsstätten und der Sperrung von Fitnessräumen und religiösen Einrichtungen wurden besonders gefährdete Personen noch zusätzlich unter schützende Isolation gestellt.  
Darüber hinaus wurde jede Haftanstalt unterteilt, indem der Austausch zwischen verschiedenen Bereichen begrenzt und nach Möglichkeit eine Unterbringung in Einzelzellen veranlasst wurde. Um eine solche Unterteilung zu unterstützen, installierten Haftanstalten vorübergehende Einzelzellen, nahmen vorzeitige Haftentlassungen vor und setzten im Strafvollzug befindliche Schwangere oder Mütter vorübergehend auf freien Fuß.

Ausbildung: Irland

Während der Pandemie erweiterte die Irische Justizvollzugsverwaltung ihre Ausbildungsmaßnahmen für das Personal um ein neues Kapitel zur Information über COVID-19. Ferner wurden die Insassen durch Mithäftlinge über damit verbundene Themen wie Händewaschen, Atemhygiene, Übertragungswege und das Desinfizieren von Eigentumsgegenständen informiert.

Risikokommunikation: Schweiz

In der Schweiz führte die Justizvollzugsanstalt Champ-Dollon auf den Gängen sämtlicher Etagen innovative informelle Seminare für Häftlinge und Anstaltspersonal durch, an denen jeweils 10 bis 15 Personen teilnahmen. Die Seminare wurden von einem Arzt und einer Pflegekraft durchgeführt, die die Anwesenden dazu ermutigten, Fragen zu stellen und darüber zu sprechen, was sie von den Präventionsmaßnahmen gegen COVID-19 hielten. Darüber hinaus trugen Plakate auf Französisch und Englisch und ein auf dem internen Fernsehkanal der Haftanstalt gezeigtes Video zur Aufklärung über die COVID-19-Situation und damit verbundene Risiken bei.

Präventionsmaßnahmen: Italien

In Italien wurden nach dem ersten nachgewiesenen Fall von COVID-19 in der Haftanstalt San Vittore landesweit Kontaktverfolgungsmaßnahmen in Haftanstalten durchgeführt, um die Kontaktpersonen der jeweiligen Patienten zu ermitteln. Durch diese Maßnahme konnten die Justizvollzugsbehörden wichtige Erkenntnisse über die Ausbreitung des Virus gewinnen und die Gruppen bestimmen, die in Bezug auf eine Infektion mit COVID-19 und deren Weitergabe besonders gefährdet sind.

Alternativen zur Inhaftierung: Kasachstan

In Kasachstan wurden in den Haftanstalten restriktive Maßnahmen angewandt, etwa die Einstellung aller Besuche mit direktem Kontakt. Allerdings wurde staatlichen wie auch unabhängigen Aufsichtsgremien Zugang gewährt, um die Einhaltung internationaler Vorschriften und gesundheitlicher Maßnahmen im Strafvollzug zu überprüfen. Für die Häftlinge wurde eine Rufnummer eingerichtet, die eine Aufrechterhaltung des Kontakts mit Angehörigen und des Zugangs zu Rechtshilfe ermöglichen soll. Sie diente auch zur gesundheitlichen Versorgung und psychologischen Unterstützung der Insassen.

Auch wenn die staatlichen Behörden vorübergehende Freilassungen in größerem Umfang ausschlossen, weil sie den Schutz der in die Gesellschaft Entlassenen nicht sicherstellen könnten, wurden Häftlinge, die mehr als zwei Drittel ihrer Haftstrafe verbüßt hatten, sowie solche, die für eine vorzeitige Haftentlassung unter Auflagen oder Strafnachlass in Frage kamen, entlassen. 

Fallmanagement: Aserbaidschan

In Aserbaidschan wurden bestätigte Fälle von COVID-19 in Haftanstalten für eine bis zwei Wochen auf eine Intensivstation verlegt, und zwar bis zum Nachweis einer Erholung von dem Virus durch zwei aufeinander folgende negative Polymerase-Kettenreaktionstests (PCR-Tests) (wie von der WHO zum Zeitpunkt der Datenerhebung empfohlen). Eine extra eingerichtete ärztliche Kommission mit Beteiligung von Vertretern der Zivilgesellschaft wurde damit beauftragt, den Zugang zur Behandlung sicherzustellen, auch zu Medikamenten, wie in den klinischen Leitlinien der WHO empfohlen. 

„Es ist wirklich ermutigend, wie die Länder in der gesamten Europäischen Region der WHO anhand ihrer eigenen Erfahrungen und der Empfehlungen der WHO die Bedrohung durch COVID-19 in Haftanstalten überwunden haben“, erklärte Dr. Carina Ferreira-Borges, Leiterin des Programms für Alkohol, illegale Drogen und Gesundheit im Strafvollzug bei WHO/Europa. „Wir appellieren an die Länder, aus diesen Fallbeispielen zu lernen, um die Gefahr einer Infektion mit COVID-19 zu begrenzen und die Häftlinge, das Anstaltspersonal und die Bevölkerung in den umliegenden Kommunen zu schützen.“