Ein Jahr Omikron: die wichtige Arbeit eines WHO-Referenzlabors bei der Surveillance und Diagnose von Viren

28 November 2022

Am 26. November 2022 war es ein Jahr her seit Variante B.1.1.529 des COVID-19 auslösenden Virus (SARS-CoV-2) zu einer besorgniserregenden Variante erklärt und ihr der Name Omikron zugewiesen wurde. Seitdem sind die Variante und ihre Untervarianten sowohl in der Europäischen Region der WHO als auch weltweit zu den überwiegend zirkulierenden SARS-CoV-2-Varianten geworden. 

WHO-Referenzlabore, wie jenes des medizinischen Zentrums der Erasmus-Universität in Rotterdam, spielen bei der Entdeckung von Virusvarianten eine entscheidende Rolle und tragen zu unserem Wissen rund um die Evolution und Ausbreitung von Viren bei. Darüber hinaus helfen sie uns, besser zu verstehen, wie sich neu auftretende Varianten auf die Übertragung, unsere Diagnostik und die Wirksamkeit vorhandener medizinischer Gegenmaßnahmen (wie Impfstoffe und Therapeutika) auswirken. Zudem unterstützen WHO-Referenzlabore die Durchführung von Bestätigungstests und nehmen Proben aus der gesamten Europäischen Region entgegen, während die Länder darum bemüht sind, eigene Kapazitäten aufzubauen.

Bei ihrer Diagnostik- und Forschungsarbeit studiert das Personal des medizinischen Zentrums der Erasmus-Universität nicht nur SARS-CoV-2, sondern überwacht auch eine ganze Reihe anderer Viren, die für die menschliche Gesundheit potenziell schädlich sein könnten, vom schweren akuten respiratorischen Syndrom (SARS) und dem Nahost-Atemwegssyndrom (MERS) bis hin zu Ebola, HIV, Influenza, Herpes und den Affenpocken. Neben seiner Funktion als Referenzlabor für COVID-19 dient das medizinische Zentrum der Erasmus-Universität zudem als WHO-Kooperationszentrum zur Dokumentation und Erforschung von Arboviren und hämorrhagischem Fieber.

Vor Kurzem besuchten wir ihr Labor, um ein besseres Verständnis für ihre Arbeit zu entwickeln und zu sehen, wie sie bei der Entdeckung und Identifizierung von Viren vorgehen, wie sie zur Entwicklung von Impfstoffen beitragen und welche Maßnahmen sie ergreifen, um neue Varianten von SARS-CoV-2 und anderen neu auftretenden potenziell schädlichen Erregern zu überwachen.

Klicken Sie sich durch unsere Fotostrecke, um mehr zu erfahren.

WHO/Uka Borregaard
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Proben werden im Labor entgegengenommen

Aus Gesundheitseinrichtungen aus allen Teilen der Niederlande – einschließlich des eigenen Krankenhauses des medizinischen Zentrums der Erasmus-Universität– sowie manchmal aus der ganzen Welt werden Proben für Tests eingeschickt. Im Labor werden alle Arten von Proben verarbeitet, darunter Rachen-Abstriche, Blutproben (sowohl Plasma als auch Serum) und manchmal Proben von Organbiopsien.

 

WHO/Jez Ford
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Amplifikation (Vervielfältigung) des Virus unter Nutzung einer Polymerase-Kettenreaktion (PCR)

Probenfläschchen werden in Spezialgestelle platziert, die in eine Maschine für die DNA-/RNA-Isolierung und anschließend in PCR-Geräte eingesetzt werden. Mithilfe eines PCR-Geräts werden Millionen von identischen Kopien eines ursprünglich kleinen RNA-Segments (dem genetischen Code des Virus) erstellt. Eine genetische Analyse ist nur dann möglich, wenn man über eine große Menge viraler RNA verfügt. Daher ist diese „molekulare Vervielfältigung“ ein notwendiger erster Schritt vor der Entdeckung des Virus.

WHO/Uka Borregaard
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Ein Teil der Probe wird zu Zellkulturen hinzugefügt, um den Effekt einer Virus-Infektion auf diese Zellen zu untersuchen

Die Kultur wird mehrere Tage lang beobachtet, um zu sehen, ob und wie stark sich das Virus ausbreitet. Hat das Virus die Zellen in der Kultur zerstört, ist dies ein Anzeichen dafür, dass das Virus wahrscheinlich eine Krankheit im Körper der betroffenen Person auslösen könnte.

 

WHO/Uka Borregaard
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Neutralisationstests werden genutzt, um die Wirksamkeit von Antikörpern beim Umgang mit einem Virenangriff zu vergleichen.

Dr. Corine Geurts van Kessel zeigt uns das Ergebnis eines serologischen Tests, bei dem eine Reihe von Serumproben genutzt werden, um zu prüfen, wie gut unterschiedliche Antikörper bestimmte Viren abwehren (neutralisieren). Eine Negativkontrolle, die keine Antikörper enthält, wird dabei als Grundlage genutzt. Denn dort ist voraussichtlich die stärkste Virenaktivität zu erwarten. Diese Art von Tests sind besonders wichtig für die Untersuchung der Wirksamkeit von Impfstoffen und die Entwicklung neuer Impfstoffe (auch für COVID-19), um zu sehen, wie gut sie gegen unterschiedliche Varianten wirken.

 

WHO/Uka Borregaard
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Die Sequenzierung hilft Wissenschaftlern, den genetischen Code des Virus zu verstehen.

Die Genomsequenz eines Virus ist die Reihenfolge von Basen oder Bausteinen, aus denen sich das genetische Material eines Virus bzw. eines Genoms zusammensetzt. Würde man etwa die Genomsequenz eines bestimmten Coronavirus aufschreiben, würde diese aus einer Reihe von rund 30 000 Bausteinen bestehen. In den letzten paar Jahren hat sich die Technologie zur Bestimmung von Genomsequenzen dramatisch weiterentwickelt. Daher können mittlerweile statt riesiger Maschinen in Laboren mobile Geräte von der Größe eines USB-Sticks (wie diese) in Verbindung mit Laptops genutzt werden, um eine unmittelbare DNA- oder RNA-Sequenzierung in Echtzeit durchzuführen. Diese eignen sich ideal für Feldtests.

 

WHO/Uka Borregaard
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Virusproben werden kalt gelagert, um einen Abbau zu verhindern.

Bei Minustemperaturen wird eine Vielzahl von Viren und Patientenproben gelagert. Mithilfe dieser Viren-„Bank“ können die Wissenschaftler die genetische Zusammensetzung von Viren in neu erhaltenen Proben vergleichen und gleichzeitig ein Archiv mit „älteren“ Viren und Patientenproben führen. Neue für Tests vorgesehene Proben werden ebenfalls hier gelagert bis die Wissenschaftler bereit sind, diese genauer zu untersuchen. Die kalten Temperaturen verhindern dabei einen Abbau der Proben, damit die Wissenschaftler über einen genauen Datensatz zum Virus vom Zeitpunkt der ursprünglichen Probennahme verfügen.

 

WHO/Uka Borregaard
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Unterschiedliche Färbetechniken und Software helfen dabei, bestimmte Virusarten zu identifizieren.

Ein Monitor zeigt ein Bild des Mikroskop-Objektträgers, der einen Teil der Probe enthält. Diese wird besonderen Färbetechniken unterzogen und es wird eine spezielle Software genutzt, um jene Teile hervorzuheben, die das Virus enthalten (in grün). Von der Größe und Form dieser Teile können die Wissenschaftler die Art des Virus bestimmen, mit dem sie es zu tun haben.

 

WHO/Uka Borregaard
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Besondere Vorsicht ist beim Umgang mit hochansteckenden Viren geboten.

Einige Viren, wie etwa SARS-CoV-2, müssen angesichts der erhöhten Risiken, die mit ihrer Handhabung verbunden sind, in Laboren mit erhöhter Bio- und Laborsicherheit getestet werden. Im medizinischen Zentrum der Erasmus-Universität ist das Labor der Biosicherheitsstufe 3 (BSL-3) mit Doppeltüren ausgestattet und Fachkräfte müssen spezielle Sicherheitsverfahren einhalten und zusätzliche Schutzkleidung tragen. Proben werden ausschließlich in luftdichten Schränken geöffnet und getestet.

WHO/Uka Borregaard
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Auch Populationen von Wildtieren werden auf Viren überwacht, die für die menschliche Gesundheit potenziell schädlich sein können.

Die von Zoonosen – von Tieren auf Menschen übertragene Krankheiten – ausgehende Gefahr wird im medizinischen Zentrum der Erasmus-Universität sehr ernst genommen. Regelmäßig werden Vogelfedern von Ornithologen und Experten für die Vogelberingung aus allen Teilen der Niederlande gesammelt und an das für Wildtiere zuständige Überwachungslabor des Zentrums übersandt, um sie auf eine Reihe von Viren zu testen, darunter Vogelgrippe auslösende Viren. Durch diese sorgfältige Überwachung können sie die Ausbreitung von Infektionskrankheiten in Wildvögeln auf möglicherweise besorgniserregende Virenmutationen überwachen.

WHO/Uka Borregaard
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Bei Fledermäusen auftretende Krankheiten werden besonders im Auge behalten

Lineke ist eine veterinärmedizinische Pathologin im medizinischen Zentrum der Erasmus-Universität. Zu ihren Aufgaben gehört die Sezierung und Analyse von Gewebeproben aus Fledermauskadavern, die auf natürliche Weise in der Wildnis gestorben sind und von Naturforschern aus dem ganzen Land an das Labor geschickt wurden. Bislang wurden in keiner niederländischen Fledermaus Viren nachgewiesen, die für Menschen schädlich sein könnten. Doch Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, wie wichtig die kontinuierliche Überwachung von Fledermäusen ist. Tatsächlich wird davon ausgegangen, dass SARS-CoV-2 – das Virus, das für die COVID-19-Pandemie verantwortlich ist – ihren Ursprung in Fledermäusen in China nahm und Ende 2019 irgendwann auf die menschliche C

Bevölkerung übersprang.

 

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